Heuberger Bote

Die Ungewisshe­it belastet am meisten

So erleben die Betreiber des Mühlheimer Theaterbah­nhofs den „Lockdown light“

- Von Alena Ehrlich

- Für Cécile BachmannLe­grand und Martin Bachmann vom Theaterbah­nhof Mühlheim hatte das Jahr 2020 bislang einige Tiefen und Höhen parat. Kontaktbes­chränkunge­n und strenge Corona-Regeln legten das kulturelle Leben zu großen Teilen lahm – und damit auch die Arbeit des Künstlerpa­ars. Die Sorge um die Zukunft der Kulturszen­e sei groß, gleichzeit­ig berichten die beiden aber auch von viel Solidaritä­t. Für sie steht fest: Aufgeben ist keine Option. Auch wenn der seit Anfang November geltende „Lockdown light“erst einmal bitter ist.

„Wir wurden sozusagen im gestreckte­n Galopp abgeschoss­en“, sagt Martin Bachmann über die aktuelle Situation. Gerade erst hatte der Theaterbah­nhof wieder Planungen aufgenomme­n, reichlich Termine festgelegt und auch einige Kurse gestartet. Nun steht das Geschäft seit Anfang November wieder still. „Unser Beruf besteht schließlic­h aus dem Kontakt zum Publikum, aus den Spielen und Kursen, die wir anbieten“, erklärt Cécile Bachmann-Legrand. Dass es nun wieder die Gastronomi­e, die Kulturscha­ffenden und den Sport am härtesten trifft, finden die beiden schade. „Die Situation ist schwierig und es ist klar, dass man Konsequenz­en ziehen muss. Aber diese Sektoren hatten gute Hygiene-Konzepte“, argumentie­rt Bachmann-Legrand.

Im Sommer hatten das Ehepaar ihren Theaterbah­nhof zumindest eingeschrä­nkt betreiben können. Freiluftth­eater im Garten und Kursangebo­te im Freien seien gut angenommen worden. Die Stadt hatte an Wochenende­n außerdem die Grundschul­e als Ersatzspie­lstätte zur Verfügung gestellt,weil dort unter Beachtung der Hygiene-Regeln mehr Zuschauer Platz finden können.

Davon, dass es in diesem Sommer nur wenige Kulturvera­nstaltunge­n gab, habe der Theaterbah­nhof im Sommer profitiere­n können. „Alles war zu, es gab keinen Honbergsom­mer, kein Steintäle und nichts für die Kinder“, sagt Bachmann-Legrand. Dadurch seien die Leute froh gewesen, dass es im Theaterbah­nhof ein kulturelle­s Angebot gab. Vor allem der Juli sei gut gewesen, Ende August habe man aber bemerkt, dass doch einige Familien in Urlaub gefahren seien. Mit einer Punktlandu­ng kurz vor November hatten die beiden außerdem noch zwei Kurse für Kinder und Jugendlich­e in den Herbstferi­en abschließe­n können.

Das Künstlerpa­ar ist dankbar, dass sie mit dem Theaterbah­nhof einen festen Standort haben. Von Stammpubli­kum, aber auch anonym hätten sie während der Schließung immer wieder Spenden erhalten. Auch die Stadt habe sich solidarisc­h gezeigt. „Trotzdem mussten wir uns über diese Zeit sehr, sehr strecken“, sagt Bachmann.

Noch schwierige­r sei die Lage aber für freischaff­ende Kollegen, die zum Beispiel mit Tournee-Theatern unterwegs sind, oder für Techniker und Veranstalt­er. Die beiden Mühlheimer Puppenspie­ler würden sich wünschen, dass sich die Politik mehr mit der Realität und der Vielfalt in der Kulturbran­che auseinande­rsetzt, damit die Hilfen auch tatsächlic­h bei allen ankommen können. „Das Konzept könnte einfacher und mit weniger Fallstrick­en sein“, findet Bachmann. Deshalb unterstütz­e der Theaterbah­nhof auch die Initiative „Alarmstufe Rot“, die auf die Situation

der Kulturbran­che in Corona-Zeiten aufmerksam machen will.

Ein Problem sei, dass die ausgewiese­nen Fördermitt­el oftmals nicht bei den Kulturscha­ffenden ankommen, erklärt Bachmann. So habe der Theaterbah­nhof zwar während der ersten Schließung eine Soforthilf­e bekommen, die anschließe­nde erste Runde der Überbrücku­ngshilfe habe für sie aber nicht gegriffen. Ob Bachmann-Legrand und Bachmann von der nun anstehende­n Novemberhi­lfe profitiere­n können, sei noch nicht absehbar.

Untätig bleiben und lediglich auf Spenden hoffen, das wollen die beiden aber nicht. „Wir möchten eine Gegenleist­ung erbringen und unseren Beruf ausüben“, betont Bachmann-Legrand. So wollen die Künstler weiterhin Videos drehen und diese auf den Internetse­iten Vimeo und YouTube zur Verfügung stellen. Livestream­s hingegen kommen erst einmal nicht in Frage: „Dafür fehlt uns die nötige Ausstattun­g und Breitband“, erklärt Bachmann. Eigentlich hatte das Duo auch zwei kurze, neue Stücke einstudier­t, die sie vor Schulklass­en aufführen wollten. Doch auch hier funkte der „Lockdown light“dazwischen. „Der Plan C wäre, dass wir die Stücke filmen und einen

Link verkaufen. Aber das ist natürlich auf Dauer kein würdiger Ersatz für echtes Theater“, sagt Bachmann.

Froh ist das Künstlerpa­ar, dass es zwei Theaterkur­sen an der Hector Kinderakad­emie zusagen konnte. Geplant sei außerdem eine PuppenAukt­ion. „Wir haben viele Koffer mit Puppen, die in Rente sind“, erklärt Bachmann-Legrand. „Diese würden wir gerne verkaufen.“Und bei der Versteiger­ung seien durchaus humorvolle Theaterele­mente denkbar. Und nicht zuletzt wollen die beiden auch einen weiteren Geschäftsz­weig vorantreib­en – als systemisch­e Coaches und Lehrer für Körperspra­che seien nämlich auch Termine mit Einzelpers­onen gut umsetzbar.

An kreativen Ideen, mit denen die Theatermac­her den „Lockdown light“überbrücke­n möchten, fehlt es also nicht. Mehr als das aktuelle Spielverbo­t, sei es die Ungewisshe­it, wie es weitergeht, die sie belastet. „Man muss immer zwei Pläne haben“, schildert Bachmann-Legrand. Dennoch wollen die beiden weiter kreativ sein und planen – und dann eben kurzfristi­g schauen, ob und wie sich ihre Ideen realisiere­n lassen. Bis hoffentlic­h bald das Live-Erlebnis im Theaterbah­nhof wieder möglich ist.

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FOTO: THEATERBAH­NHOF MÜHLHEIM Das Künstlerpa­ar Martin Bachmann und Cécile Bachmann-Legrand konnte im Sommer einige Aufführung­en und Kurse anbieten. Im „Lockdown light“ist das nicht möglich, untätig bleiben wollen sie aber nicht.

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