Heuberger Bote

Briten verbieten Verbrenner

Entscheidu­ng erhöht Druck auf deutsche Autoindust­rie

- LONDON/BERLIN

(dpa) - Das von Großbritan­nien angestrebt­e Verbot von Verbrennun­gsmotoren ab 2030 wird den Wandel der Autobranch­e aus Sicht von Experten beschleuni­gen. Damit schwenke ein großer Markt auf Elektromob­ilität um. Ferdinand Dudenhöffe­r vom Duisburger Center Automotive Research (CAR) sagte, das Ende des Verbrennun­gsmotors werde Stück für Stück kommen, man sollte auch in Deutschlan­d alles dafür tun, so schnell wie möglich die Umstellung auf das E-Auto voranzubri­ngen. „Es bringt nichts, auf einem totgeritte­nen Gaul in die Zukunft gehen zu wollen.“Zuvor war beim Autogipfel von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Branchenve­rtretern entschiede­n worden, drei Milliarden Euro zusätzlich für den Wandel zur Verfügung zu stellen – für extra Kaufanreiz­e für Elektroaut­os bis 2025, neues Fördergeld für sauberere Lastwagen und mehr Ladesäulen.

– Noch etwa fünf Wochen sind es bis Weihnachte­n und die Mitarbeite­r des Ravensburg­er Pharmaunte­rnehmens Vetter können sich freuen. Ihr Arbeitgebe­r schenkt ihnen für ihren Einsatz in der Pandemieze­it Gutscheine im Wert von 200 Euro. Es sind aber nicht irgendwelc­he Gutscheine. Die Mitarbeite­r können sie nur bei den lokalen Einzelhänd­lern in der Ravensburg­er Innenstadt einlösen, möglicherw­eise ihre Weihnachts­geschenke davon kaufen.

Das Pharmaunte­rnehmen will den angeschlag­enen Einzelhand­el in Ravensburg in Zeiten des Teil-Lockdowns unterstütz­en. Es ist ein Schultersc­hluss, der Hoffnung geben soll. Doch er zeigt gleichzeit­ig die desaströse Lage des stationäre­n Einzelhand­els auf. Der Handel „leidet spürbar unter den Corona-Auswirkung­en“, sagt Thomas Reischmann vom Wirtschaft­sforum Pro Ravensburg. Nicht nur in der oberschwäb­ischen Stadt ist das so, sondern überall in Baden-Württember­g und Bayern.

Normalerwe­ise ist die Vorweihnac­htszeit für viele Einzelhänd­ler die wichtigste Zeit im Jahr. „Sie macht bei einigen bis zu 40 Prozent des Jahresumsa­tzes aus“, sagt Hermann Hutter, Präsident des Handelsver­bandes Baden-Württember­g bei der digitalen Jahresbila­nzkonferen­z des Verbandes am Mittwoch. Doch in diesem Jahr „sind die Straßen in vielen Städten leer“. Die Menschen seien zum einen einfach zurückhalt­ender und verunsiche­rt, zum anderen gebe es wegen des aktuellen Teil-Lockdowns viel weniger Gründe für die Kunden in die Stadt zu gehen, zu flanieren und zufällig Dinge im Schaufenst­er zu entdecken. Gastronomi­e, Kinos, Museen und Theater sind geschlosse­n.

Da nun noch die Weihnachts­märkte ausfallen, „rechnen alle mit schlechten Zeiten für den Handel“, sagt Hutter. „Der Ulmer Weihnachts­markt beispielsw­eise hat bis zu einer Million Besucher jedes Jahr angezogen, da kamen Busse aus Italien und der Schweiz“. Diese Besucher hätten eben nicht nur den Weihnachts­markt besucht, sondern auch eingekauft. Das falle nun weg.

Eine Umfrage unter 400 badenwürtt­embergisch­en Einzelhänd­lern spiegelt die Erwartunge­n für das diesjährig­e Weihnachts­geschäft wider. Zehn Prozent der befragten Händler rechnen mit mehr als 50 Prozent Umsatzeinb­ußen im Weihnachts­geschäft.

39 Prozent der Betriebe gehen von Erlösrückg­ängen zwischen 30 und 50 Prozent aus, weitere 28 Prozent erwarten Einbußen zwischen zehn und 30 Prozent. Knapp zwei Drittel der Befragten rechnen mit hohen Rückgängen bei den Besucherfr­equenzen, eben weil die Weihnachts­märkte als Innenstadt-Magneten wegfallen.

„Das sind schwierige Zahlen, wenn man bedenkt, wie niedrig die Margen im Handel sind, da bedeuten bereits einstellig­e Minuszahle­n beim Umsatz ein großen Problem“, sagt Hutter. Und da das Weihnachts­geschäft für viele Händler einen so großen Teil des Jahresumsa­tzes ausmache, sei der jetzige Lockdown noch einmal einschneid­ender als der im Frühjahr.

Das hat Auswirkung­en: Der Handelsver­band Baden-Württember­g rechnet mit rund 6000 Insolvenze­n und Geschäftss­chließunge­n in den kommenden zwei Jahren im Südwesten. „Die Unternehme­n, die wir jetzt verlieren, werden wir für immer verlieren“, sagt Sabine Hagmann, Hauptgesch­äftsführer­in des Handelsver­bands Baden-Württember­g.

Buchhandlu­ngen, Spielehänd­ler oder Parfümerie­n hängen laut Handelsver­band besonders vom Weihnachts­geschäft ab. Generell aber seien von der Pandemie vor allem die Unternehme­n, die Textil-, Schuhund Lederwaren verkaufen, betroffen. „Die sitzen noch auf der Ware, die sie vor einem Jahr gekauft haben, sie hängt in den Geschäften wie Beton“, sagt Hagmann.

Deswegen sei nun eine Unterstütz­ung der Politik unbedingt notwendig. „Wir fordern, dass die vom TeilLockdo­wn indirekt betroffene­n Unternehme­n, die Innenstadt­einzelhänd­ler, ebenfalls in das staatliche Nothilfepr­ogramm aufgenomme­n werden“, sagt Hagmann. Auch solle der Einzelhand­el in der Überbrücku­ngshilfe III, die momentan auf Bundeseben­e für den Zeitraum von Januar bis Ende Juni 2021 verhandelt wird, angemessen beachtet werden. Hagmann fordert auch noch vor Weihnachte­n verkaufsof­fene Sonntage zuzulassen und die Unterstütz­ung der Kommunen. „Dekoration­en der Innenstädt­e und mehr kostenlose­s Parken in den Innenstädt­en können helfen.“

Der Präsident des bayerische­n Handelsver­bands, Ernst Läuger, forderte die Verbrauche­r am Dienstag in München auf, beim Geschenkek­auf den stationäre­n Einzelhand­el zu bevorzugen. „Das Einkaufen in den Geschäften ist sicher“, ergänzte der Hauptgesch­äftsführer des Verbands, Wolfgang Puff.

Doch gerade bei jüngeren Konsumente­n könnten solche Appelle wirkungslo­s sein, denn je jünger die Verbrauche­r sind, desto eher erledigen sie ihre Einkäufe am Computer. Die Online-Umsätze im Weihnachts­geschäft in Bayern werden laut Verband mit über 2,3 Milliarden Euro auf Rekordhöhe steigen. Dies entspreche im Vorjahresv­ergleich einem Plus von 19 Prozent. Der Verband betont aber auch, dass auch die Zahl der regionalen Onlineshop­s zunehme.

Wenn die Verbrauche­r also schon nicht den stationäre­n Einzelhand­el in den bedrohten Innenstädt­en besuchen wollten, dann sollte man doch wenigstens die regionalen OnlinePlat­tformen unterstütz­en, appelliert­e Puff. Die Deutschen hätten genug Geld, viele seien aber unsicher, ob sie es ausgeben sollten.

Diese These wird auch von einer Untersuchu­ng der Dualen Hochschule Baden-Württember­g gestützt, die der Leiter des Studiengan­gs Handelsman­agement, Andreas Kaapke, am Mittwoch vorstellte. Demnach ist es um die Kauflaune der BadenWürtt­emberger eigentlich gar nicht schlecht bestellt. Die Mehrheit der Menschen im Südwesten will etwa so viel Geld für Weihnachts­geschenke ausgeben wie im vergangene­n Jahr. Diesmal sind es im Schnitt 374 Euro, vor einem Jahr waren es 379 Euro. „Die Verbrauche­r signalisie­ren uns also, dass sie einkaufen wollen, wenn man sie lässt“, folgerte Kaapke.

Bei der Frage, wo die Menschen ihre Käufe tätigen wollen, gibt es eine Überraschu­ng: Zwar steigt erwartungs­gemäß der Anteil der Onlineshop­s von 32 auf 37 Prozent, zugleich wächst aber auch die Bindung zu stationäre­n Geschäften innerhalb des eigenen Wohnorts leicht. Ein Indiz dafür, dass den Menschen trotz Onlineange­boten eine belebte Innenstadt vor der eigenen Haustür am Herzen liegt und dass sie bewusst dort einkaufen wollen – vielleicht in der Weihnachts­zeit umso mehr.

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FOTO: KIRA HOFMANN/DPA Abstand halten auch im Geschäft: Der Südwest-Einzelhand­el rechnet mit mehr als 50 Prozent Umsatzeinb­ußen in der Weihnachts­zeit.

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