Bürgermeister-Bewerber stellen sich den Trossingern vor
Bei der Kandidatenvorstellung präsentieren die vier Bewerber ihre Ideen und beantworten die Fragen der Zuschauer
- Vor rund 200 Trossingern haben sich am Samstagabend die vier Kandidaten für die Bürgermeisterwahl in der FritzKiehn-Halle präsentiert. Ralf Sulzmann, Susanne Irion, Stephen Trewer und Torsten Kelpin sprachen über ihre Ideen für die Zukunft der Stadt und stellten sich eine Stunde lang den Fragen der Zuschauer.
Ähnliche Berufslaufbahnen, ähnliche Redestrategien und ganz ähnliche Schwerpunkte: Sowohl Susanne Irion als auch Ralf Sulzmann meisterten Vorstellungsrunde und Zuschauerfragen souverän und nutzten ihre 15 Minuten Redezeit zu Anfang, um möglichst viele Themen aus ihren Wahlprogrammen anzuschneiden. Schulen, Wirtschaft, Stadtentwicklung, Sicherheit, Senioren und Finanzen kamen auf den Tisch. Dass Susanne Irion, amtierende Bürgermeisterin in Holzmaden, dabei bei allem Lob für Trossingen mehr Kritik an bestehenden Strukturen und Einrichtungen übte als der derzeitige Hauptamtsleiter Ralf Sulzmann, kam wohl für die wenigsten Zuschauer unerwartet.
So sprach Susanne Irion die Personalnot im städtischen Bauamt an, das sie im Falle ihrer Wahl mit einem Stadtbaumeister verstärken möchte, oder „Stimmen, die besagen, dass die städtische Wohnbaugesellschaft durchaus auch auf den eigenen Profit schiele“- etwas, das Irion gegebenenfalls korrigieren möchte. Zudem kritisierte sie, dass Trossingen seine Seniorenarbeit „auf Ehrenamtliche abwälzt“und plädierte für einen hauptamtlichen Seniorenbeauftragten. Die Trossinger Kindergartengebühren fand sie „happig“und warb für das Württembergische Tarifmodell, mit dem sie auch in Holzmaden gute Erfahrungen mache.
Außerdem wolle sie sich dafür einsetzen, dass der Polizeiposten in Trossingen wieder rund um die Uhr besetzt werde - durch politischen Druck und auch entsprechende Kontakte in Stuttgart, wie sie später eine Zuschauerfrage beantwortete. „Parallel kann die Stadt den Gemeindevollzugsdienst ausweiten, auf Nachtstunden und auf Wochenenden. Für die Idee einer Sicherheits-Partnerschaft zwischen Stadtverwaltung, Polizei und Bürgerschaft bin ich offen“, sagte Irion. Und: „Trossingen muss runter von seinen Schulden“, was die 35-Jährige über mehr Gewerbesteuern und mehr anteilige Einkommensteuern durch neue Unternehmen und gezielte Wirtschaftsförderung erreichen will.
Dagegen ging der Tenor bei Ralf Sulzmann eher in Richtung Bewahren, Weiterentwickeln und Ausbauen. Fördertöpfe für die Schulentwicklung nutzen, die Kooperation zwischen Polizei und Ordnungsamt verbessern, das Profil als Musikstadt schärfen und die Stadtentwicklung vorantreiben waren dabei nur einige der Punkte, die er ansprach. Sulzmann plant „ein Musikfestival in Trossingen, um unsere Kulturtreibenden zusammen zu bringen“, will die Wirtschaftsförderung zur Chefsache machen. Die Botschaft seiner Rede: Trossingen hat bereits eine gute Basis mit vielen Stärken und Angeboten, auf denen er aufbauen und die er verbessern möchte.
Auf eine Zuschauerfrage, die nach Sulzmanns Meinung zu den von Susanne Irion als „desolat“dargestellten Zuständen auf dem Rathaus fragte, antwortete der 39-Jährige, dass die Verwaltung bereits aufgestockt worden sei und sicherlich weiter modernisiert werden müsste. „Wir haben ein gutes Betriebsklima und können über alles sprechen“, betonte er. Dazu würde im Falle seiner Wahl dann auch sein Vorschlag gehören, wie Trossingen seiner Verschuldung in den kommenden Jahren zumindest etwas gegensteuern könnte: Sulzmann will 500 000 Euro bei den städtischen Personal-, Sach- und Dienstleistungskosten einsparen und wieder eine Haushaltsstrukturkommission einrichten.
Während Irion und Sulzmann mit Auszügen aus ihrem Wahlprogramm und einigen ganz konkreten Vorschlägen zur Verbesserung oder Problemlösung
punkten wollten, verfolgte Überraschungskandidat Stephen Trewer einen ganz anderen Ansatz. Bisher, sagte er, sei er in Trossingen berufsbedingt noch nicht in Erscheinung getreten, das soll sich aber nun ändern. „Die Motivation für meine Bewerbung sind die Menschen“, sagte der 52-jährige Raumausstatter. Und die ließ er dann auch zu Wort kommen, las verschiedene Fragen vor, die ihm Trossinger Bürger zukommen lassen hätten. Ob er sich für Artenvielfalt einsetzen würde („Ja“) oder wie er sich gegen ein Atomendlager auf der Baar einsetzen würde („Den Widerstand der Gemeinden bündeln und einen Bürgerentscheid organisieren.“) beispielsweise. Kinder und Senioren liegen ihm am Herzen, erzählte er, ebenso offene Gespräche und Bürgerbeteiligung.
Eigene Visionen erwarteten die Zuschauer aber vergeblich. Trewer ließ sie stattdessen an der Zukunftsvorstellung eines anonymen Trossingers teilhaben, der sich in der Stadt Familien- und Fahrradfreundlichkeit sowie mehr Bürgerdialog wünscht. „Ich wollte zeigen, dass es Bürger gibt, die sich engagieren“, begründete Trewer dies später auf eine Zuschauerfrage hin. „Ich danke allen Menschen mit Eigeninitiative und wünsche dem nächsten Bürgermeister genau solche Bürger.“Nur so könne Demokratie funktionieren.
Wo Trewer am Samstagabend ein klares eigenes Profil schuldig blieb, positionierte sich der vierte Bewerber eindeutig. Torsten Kelpin, 59jähriger Landschaftsgärtner aus Spaichingen, verkündete gleich zu Beginn seiner Rede, er fände es „schade, dass niemand Professionelleres von den Grünen hier steht.“Deshalb stelle er sich als Bewerber mit grün-ökologischer Ausrichtung zur Verfügung - unter anderem auch, um dem demokratischen Anspruch der Wähler Genüge zu tun. Sein Hauptanliegen: „Der rücksichtslose Umgang mit der Natur muss beendet werden.“Von den etablierten Parteien sei er in dieser Hinsicht enttäuscht, auch von den Grünen.
In Trossingen bezweifelte er, dass Ralf Sulzmann oder Susanne Irion für eine Kehrtwende beim Flächenverbrauch
sorgen würden. „Das geht so nicht weiter“, betonte Kelpin. Er plädierte für Bauen in die Höhe statt in die Breite, den Ausbau von Solarenergie und mehr Bürgerbeteiligung und -entscheide. Sollte er gewählt werden, so Kelpin, bräuchte er während seiner Einarbeitungszeit im Rathaus wohl noch eine Bürohilfskraft - würde diese aber aus eigener Tasche bezahlen.
Die meisten der anonymen Zuschauerfragen (die Corona-geschuldet schriftlich abgegeben werden mussten) richteten sich an die beiden Favoriten im Rennen um die Rathausspitze, Ralf Sulzmann und Susanne Irion. Torsten Kelpin und Stephen Trewer fielen hier eher die Außenseiterrollen zu.
Die Zuschauerfragen bezogen sich unter anderem auf Stadtentwicklung, Flächenverbrauch, Bevölkerungswachstum und Wohnraum. Der eine oder andere hatte sich auch über Susanne Irions Wirken als Bürgermeisterin von Holzmaden im Landkreis Esslingen informiert. Irion beantwortete beispielweise die Frage, warum die Pro-Kopf-Verschuldung der Gemeinde in den vergangenen Jahren stark angestiegen sei („Wir haben sehr viel investiert“). Vom Seitingen-Oberflachter Ralf Sulzmann wollte indes ein Zuschauer wissen, ob er als Bürgermeister auch Trossinger Bürger werden würde („Meine Frau und ich können uns das sehr gut vorstellen, aber wenn, dann nicht gleich.“)
Im Anschluss konnten die Gäste mit den Bewerbern in vier Pavillons vor der Fritz-Kiehn-Halle ins Gespräch kommen.
Den Link zum Video-Mitschnitt
der Kandidatenvorstellung und der Fragerunde gibt es auf der Homepage der Stadt unter www.trossingen.de/buerger-stadt/ kommunalpolitik/wahlen/buergermeisterwahl