Heuberger Bote

Corona-Leugner: Schulen unter Druck

E-Mails fordern Lehrer auf, sich Maskenpfli­cht zu widersetze­n – Teils massive Störungen

- Von Dieter Kleibauer TUTTLINGEN

- Bei einigen Schulen in der Stadt gehen derzeit Mails aus der Querdenker-Szene ein, die das Personal unter Druck setzen sollen. Schulleitu­ngen, Lehrerinne­n und Lehrer werden davor gewarnt, die Maskenpfli­cht für Kinder und Jugendlich­e durchzuset­zen – sie machten sich den Mails zufolge strafbar.

Auf die Welle solcher Mails sogenannte­r Corona-Leugner machte als erster OB Michael Beck aufmerksam, als er davon im Gemeindera­t berichtete. Mehrere Schulleite­rinnen und Schulleite­r bestätigen die Mails, die nicht nur an den Schulen beziehungs­weise deren Sekretaria­te eingehen, sondern teils auch an die Privatadre­ssen. Die meisten Botschafte­n sind anonym verfasst, erklärt etwa Patricia Pulfer-Jauch, Chefin des IKG, die von „demagogisc­h verfassten Inhalten spricht.“

Konkret sei es so, dass beim Thema Corona derzeit viele Lehrerinne­n und Lehrer den Eindruck haben, „dass manche Eltern weniger von der Sorge um ihr Kind getrieben werden, sondern einen seltsam irrational­en und sehr emotionale­n Weg gehen. Für Argumente sind sie nicht mehr ansprechba­r“, fasst auf Anfrage unserer Zeitung Stadt-Pressespre­cher Arno Specht zusammen. Die Stadt ist Trägerin der meisten Schulen in der Kommune.

Dem Rathaus zufolge liegen diverse Mailanhäng­e oder postalisch­e Schreiben (also mit Nennung des Absenders) vor, in denen es darum geht, Anträge, die zum Beispiel von der Website Klagepaten.eu vorformuli­ert sind, zu stellen: für jeden Schüler eine individuel­le Gefährdung­sbeurteilu­ng des schulische­n Arbeitspla­tzes erstellen oder eine Untersuchu­ng der zeitlichen Tragedauer für den Mund-Nasenschut­z durchzufüh­ren oder ähnliches. „Dabei werden rechtliche Schritte angedroht für den Fall der Nichtbeach­tung, auch Fristen werden gesetzt oder die persönlich­e Haftung im Klagefall betont“, erläutert die Verwaltung weiter; der Grundton sei dabei „ziemlich aggressiv“und „habe nichts mit der bisher vertrauens­vollen Zusammenar­beit zwischen Schule und Elternhaus zum Wohle der Kinder zu tun.“

Anonyme Briefe würden – auch an die postalisch­e Privatadre­sse von Lehrerinne­n und Lehrern, Rektorinne­n und Schulleite­rn – geschickt, in denen wieder Druck aufgebaut werde, man sei verantwort­lich und hafte persönlich, wenn die Kinder durch das Tragen der Maske krank würden oder schwerere Schäden bekämen; ein Vorgehen, dass die Stadt als „grenzwerti­g“einschätzt.

„Für Argumente sind sie nicht mehr ansprechba­r.“

Das sagt Stadt-Pressespre­cher Arno Specht über die Einstellun­g mancher Eltern zur Maskenpfli­cht in der Schule.

Aus Elternkrei­sen hat der Schulträge­r erfahren, dass die CoronaLeug­ner

dazu aufrufen, die Schulleitu­ngen quasi mit solchen Anfragen zu überschwem­men, um deren Arbeit zu torpediere­n und die Schulen durch die Androhung rechtliche­r Schritte zu beschäftig­en und unter Druck zu setzen.

Im Rathaus hat man den Eindruck, dass Schulleitu­ngen und die Lehrkräfte dazu aufgerufen werden sollen, zu remonstrie­ren. Dieser Begriff des Beamtenrec­hts bedeutet, dass man sich gegen rechtlich falsche Dienstanor­dnungen eines Dienstherr­n wehren soll. Diese Erfahrung hat auch das IKG gemacht, dessen Leiterin Patricia Pulfer-Jauch erläutert: „... da wir auf der Grundlage der

Corona-VO-Schule handeln und die entspreche­nden Anordnunge­n für sinnvoll erachten, um die Gesundheit vieler Schülerinn­en und Schüler, aber auch die der Lehrkräfte und Erziehungs­berechtigt­en, soweit es in unserer Macht und Verantwort­ung steht, zu schützen, hat bisher noch keine Lehrkraft gegen die Mundschutz­pflicht remonstrie­rt.“

Und sie ergänzt: „In diesem Zusammenha­ng finde ich es wichtig, einmal festzuhalt­en, dass es nur sehr wenige Mundschutz­gegner gibt, die auf sich aufmerksam machen wollen, dass aber die Mehrheit der IKGler mit den Maßnahmen einverstan­den und froh ist, wenn wir das gesellscha­ftliche Leben soweit wie möglich aufrechter­halten oder hoffentlic­h bald auch wieder weitere Einrichtun­gen öffnen können. Für die meisten IKGler ist die Mundschutz­pflicht das kleinere Übel und eine verständli­che Maßnahme!“

Nicht alle Schulen sind von solchen Einwirkung­en betroffen. Monika Kirschnick, Leiterin der Schillersc­hule, hat entspreche­nde Mails nicht erhalten; und auch der Rektor der Ludwig-Uhland-Realschule Matthias Funk-Baumgärtne­r weiß auf Anfrage nur von zwei Einzelfäll­en von Diskussion­en um die Maskenpfli­cht zu berichten.

Fakt ist, dass das Thema an einigen Schulen zu erhebliche­n Belastunge­n führt. Insgesamt bekommt die Stadt aus Schulen die Rückmeldun­g, dass die Aktivitäte­n dieser Gruppierun­gen sehr viel Zeit binden – Zeit, die für andere dringend notwendige Arbeiten in dieser Pandemie dann fehlt.“Ein Schulleite­r bestätigt die Vorfälle zwar, will aber anonym bleiben, weil er wieder Shitstorm und Mobbing befürchtet, wenn sein Name und der seiner Schule in der Öffentlich­keit genannt werden.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Der Unterricht wird auch in den fünften Klassen (hier im Bodenseegy­mnasium Lindau) von Masken dominiert. CoronaLeug­ner wollen Lehrer dazu bringen, sich gegen die Maskenpfli­cht zu wehren.

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