Auszählungs-Marathon wie in den USA kann in Tuttlingen nicht passieren
Eingehende Briefwahlstimmen sind in Deutschland nach Schließung der Wahllokale ungültig – Vorbereitung auf Landtagswahl läuft bereits
- In den USA hat die Briefwahl für ein wochenlanges Auszählverfahren gesorgt, bis der Sieger Joe Biden als neuer Präsident feststand. In Deutschland ist ein solcher Marathon nicht möglich – auch wenn der Anteil der Briefwahl am Gesamtergebnis steigt. Und er wird nächstes Jahr wohl weiter zunehmen. Auch in Tuttlingen.
Ein normaler Wahlsonntag: es ist 18 Uhr. Der örtliche Wahlleiter erklärt die Wahl für beendet, sogleich beginnen zahlreiche Helfer mit dem Überprüfen und Auswerten der Stimmzettel. Noch am selben Abend steht in der Regel das Ergebnis fest; nur bei den aufwändigeren Kommunalwahlen liegt es manchmal erst am Folgetag vor. In den USA hat dieses Procedere Tage gedauert. Was läuft dort anders?
In vielen US-Bundesstaaten erlaubt es das Wahlgesetz, dass in Briefen
abgegebene Stimmen einbezogen werden, die nach dem eigentlichen Wahltag eingehen. Gültig sind sie, wenn der Poststempel ein Datum vor der Wahl trägt. Wenn in Tuttlingen gewählt wird, gehen nach dem Versiegeln der Urnen auch noch Wahlbriefe ein, erklärt Stadt-Pressesprecher Arno Specht – in der Regel fünf bis zehn Umschläge, die wohl zu spät in die Post gegeben worden sind. Sie werden nicht mehr für das Ergebnis herangezogen, lediglich abgelegt und nach der gesetzlich vorgegebenen Aufbewahrungsfrist vernichtet. Was um 18 Uhr nicht vorliegt, ist nicht gültig, so simpel ist das.
Grundsätzlich nimmt hierzulande die Zahl der Menschen zu, die die Briefwahl nutzen. Der Gesetzgeber macht es den Bürgern seit 2008 auch einfacher: Bis dahin musste man es begründen, nicht persönlich im Wahllokal zu erscheinen und stattdessen seine Stimme per Post abzugeben. Das ist jetzt nicht mehr nötig.
Bei den Bundestagswahlen 2009 lag der Anteil der Briefwahl am Endergebnis in Tuttlingen bei 19,9 Prozent, 2013 bei 21,9 Prozent und 2017 bei 26 Prozent. Im vergangenen Jahr, als die Abstimmungen über Gemeinderäte und das EU-Parlament anstanden, betrug die Quote sogar jeweils mehr als 28 Prozent. Bundesweit sieht der Trend ähnlich aus.
Folgerichtig empfiehlt die badenwürttembergische Landeswahlleiterin Cornelia Nesch den Kommunen, bei der Landtagswahl im März 2021 mehr Briefwahlbezirke einzurichten. Die Stadt Tuttlingen folgt dieser Empfehlung und hat auch schon die Zahl der bestellten Briefwahl-Unterlagen im Vergleich zu den Vorjahren erhöht. Die komplette Wahl im Frühjahr wegen Corona per Briefabstimmung abzuhalten, ist nach der aktuellen Gesetzeslage allerdings nicht möglich. Aber je nach Pandemie-Lage kann sich das noch ändern – bei der Stadt wartet man auf entsprechende Vorgaben aus Stuttgart. Bei Bürgermeisterwahlen kann eine Kommune übrigens eigenständig entscheiden, ob sie die ganze Wahl per Brief stattfinden lässt.
Gut vier Monate vor der Landtagswahl (im Herbst soll dann ja noch die Bundestagswahl folgen) steckt die Tuttlinger Verwaltung schon in der Vorbereitung des Wahlverfahrens. Arno Specht: „Besonders im Hinblick auf die coronabedingten Infektionsschutzmaßnahmen während der Wahl laufen die Vorbereitungen bereits.“