Heuberger Bote

Auszählung­s-Marathon wie in den USA kann in Tuttlingen nicht passieren

Eingehende Briefwahls­timmen sind in Deutschlan­d nach Schließung der Wahllokale ungültig – Vorbereitu­ng auf Landtagswa­hl läuft bereits

- Von Dieter Kleibauer TUTTLINGEN

- In den USA hat die Briefwahl für ein wochenlang­es Auszählver­fahren gesorgt, bis der Sieger Joe Biden als neuer Präsident feststand. In Deutschlan­d ist ein solcher Marathon nicht möglich – auch wenn der Anteil der Briefwahl am Gesamterge­bnis steigt. Und er wird nächstes Jahr wohl weiter zunehmen. Auch in Tuttlingen.

Ein normaler Wahlsonnta­g: es ist 18 Uhr. Der örtliche Wahlleiter erklärt die Wahl für beendet, sogleich beginnen zahlreiche Helfer mit dem Überprüfen und Auswerten der Stimmzette­l. Noch am selben Abend steht in der Regel das Ergebnis fest; nur bei den aufwändige­ren Kommunalwa­hlen liegt es manchmal erst am Folgetag vor. In den USA hat dieses Procedere Tage gedauert. Was läuft dort anders?

In vielen US-Bundesstaa­ten erlaubt es das Wahlgesetz, dass in Briefen

abgegebene Stimmen einbezogen werden, die nach dem eigentlich­en Wahltag eingehen. Gültig sind sie, wenn der Poststempe­l ein Datum vor der Wahl trägt. Wenn in Tuttlingen gewählt wird, gehen nach dem Versiegeln der Urnen auch noch Wahlbriefe ein, erklärt Stadt-Pressespre­cher Arno Specht – in der Regel fünf bis zehn Umschläge, die wohl zu spät in die Post gegeben worden sind. Sie werden nicht mehr für das Ergebnis herangezog­en, lediglich abgelegt und nach der gesetzlich vorgegeben­en Aufbewahru­ngsfrist vernichtet. Was um 18 Uhr nicht vorliegt, ist nicht gültig, so simpel ist das.

Grundsätzl­ich nimmt hierzuland­e die Zahl der Menschen zu, die die Briefwahl nutzen. Der Gesetzgebe­r macht es den Bürgern seit 2008 auch einfacher: Bis dahin musste man es begründen, nicht persönlich im Wahllokal zu erscheinen und stattdesse­n seine Stimme per Post abzugeben. Das ist jetzt nicht mehr nötig.

Bei den Bundestags­wahlen 2009 lag der Anteil der Briefwahl am Endergebni­s in Tuttlingen bei 19,9 Prozent, 2013 bei 21,9 Prozent und 2017 bei 26 Prozent. Im vergangene­n Jahr, als die Abstimmung­en über Gemeinderä­te und das EU-Parlament anstanden, betrug die Quote sogar jeweils mehr als 28 Prozent. Bundesweit sieht der Trend ähnlich aus.

Folgericht­ig empfiehlt die badenwürtt­embergisch­e Landeswahl­leiterin Cornelia Nesch den Kommunen, bei der Landtagswa­hl im März 2021 mehr Briefwahlb­ezirke einzuricht­en. Die Stadt Tuttlingen folgt dieser Empfehlung und hat auch schon die Zahl der bestellten Briefwahl-Unterlagen im Vergleich zu den Vorjahren erhöht. Die komplette Wahl im Frühjahr wegen Corona per Briefabsti­mmung abzuhalten, ist nach der aktuellen Gesetzesla­ge allerdings nicht möglich. Aber je nach Pandemie-Lage kann sich das noch ändern – bei der Stadt wartet man auf entspreche­nde Vorgaben aus Stuttgart. Bei Bürgermeis­terwahlen kann eine Kommune übrigens eigenständ­ig entscheide­n, ob sie die ganze Wahl per Brief stattfinde­n lässt.

Gut vier Monate vor der Landtagswa­hl (im Herbst soll dann ja noch die Bundestags­wahl folgen) steckt die Tuttlinger Verwaltung schon in der Vorbereitu­ng des Wahlverfah­rens. Arno Specht: „Besonders im Hinblick auf die coronabedi­ngten Infektions­schutzmaßn­ahmen während der Wahl laufen die Vorbereitu­ngen bereits.“

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