Aus grünen Abfällen wird schwarze Erde
Stadt Rottweil stellt Terra-Preta-Projekt des Spaichingers Albert Schmidt vor
Albert Schmidt begeistert Rottweil für brasilianische Kompostierungsmethode.
(pm/abra) - Rottweil ist nicht nur reich an städtischen Grünflächen, sondern auch an unendlichen Mengen Laub und Grünschnitt, die für teures Geld entsorgt werden müssen. „Das muss nicht sein“, sagte sich Albert Schmidt aus der Abteilung Tiefbau der Stadt Rottweil und regte ein besonderes Projekt an – aus Biomasse nährstoffreiche Erde herzustellen, so genannte „Terra Preta“. Seit kurzem läuft das nachhaltige Projekt.
Der Spaichinger Albert Schmidt ist von Beruf Gartenbautechniker und unter anderem zertifizierter Baumkontrolleur der Stadt Rottweil. Er ist in Brasilien geboren und aufgewachsen. Heute ist er in der alten Heimat Spaichingen verheiratet. Er kennt das Verfahren der „Terra Preta“(portugiesisch für „schwarze Erde“) aus Brasilien.
Große Erdhügel, abgedeckt mit Planen, sind auf dem umzäunten Gelände am Stallberg nebeneinander aufgereiht. Unter den Planen laufen im Verborgenen Mikroprozesse ab. Heraus kommt kräftige, schwarze Erde, „die es in sich hat“, wie Albert Schmidt vor Ort erklärt. Bei einem Behördentermin stellte Schmidt das Verfahren interessierten Fachleuten des Landkreises und des Landes Baden-Württemberg vor. Denn auch überregional wird das Projekt mit Interesse verfolgt: Vertreterinnen und Vertreter des Regierungspräsidiums Freiburg, des Stuttgarter Umweltministeriums und von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg waren eigens angereist, um sich vor Ort ein Bild von der „schwarzen Erde“aus Rottweil zu machen.
Die Menschen im Amazonasgebiet haben bereits vor 7000 Jahren ein Verfahren zur Herstellung der im Fachjargon als „Terra Preta“bezeichneten Erde entwickelt. Doch mittlerweile gewinnt die schwarze Erde, die aufgrund ihrer Reichhaltigkeit auch als „Schwarzes Gold“bezeichnet wird, immer mehr Aufmerksamkeit. Kein Wunder, ist diese Erde nicht nur extrem fruchtbar, sondern bindet langfristig auch Kohlenstoff. Ihre Produktion ist nachhaltig, Terra Preta bremst die Erosion und hilft dadurch auch dem Klimawandel entgegenzuwirken.
Als „Zutaten“für diese Erde braucht es dabei gar nicht viel, erklären Albert Schmidt und Carmen Biber, Städtische Sachbearbeiterin für Grünflächen und Gewässer. Mit 1500 Kubikmetern Laub und schier unendlichen Mengen an Grünschnitt liefern Rottweils Grünflächen die beste Grundlage für das Projekt, das übrigens unter anderem mit 18.000 Euro aus dem Förderprogramm „LEADER“der Europäischen Union finanziert wird.
Eine weitere Zutat ist Pflanzenkohle, die momentan noch aus Freiburg geliefert wird. „Wir bekommen die Kohle aus Freiburg, da wir zertifizierte Kohle benötigen“erklärt Biber. Auch die Kohle selbst zu produzieren ist ein langfristiges Ziel. Dem Gemisch werden dann effektive Mikroorganismen zugesetzt, die Menge wird abgedeckt und der Reifeprozess kann beginnen. „Die Masse erwärmt sich auf 60 bis 65 Grad, Keime werden dadurch abgetötet und organische Schadstoffe abgebaut“, erklärt Biber weiter. Die Erde baue somit ihr eigenes Immunsystem auf und könne sich später auch bei Schädlingen bewähren. Alle zwei Tage werde die Temperatur kontrolliert. Nach zwei bis drei Monaten sei der Prozess abgeschlossen.
Verwendet wird die Terra Preta auf den städtischen Grünflächen, überall dort, wo nährstoffreiche Böden benötigt werden, beispielsweise in Blumenbeeten, aber auch wenn Bäume angepflanzt werden. Bislang wird das Projekt noch nicht wissenschaftlich begleitet, aber die Landesanstalt LUBW hat Interesse bekundet. Die Stadt Rottweil sei derzeit im Gespräch mit der LUBW. Darüber hinaus wird die Terra Preta regelmäßig durch Bodengutachter untersucht, gerade auch was Schadstoffe angeht. Der Gutachter kommt alle zwei bis drei Wochen, um Proben zu nehmen.
Damit hat die Stadt Rottweil also gleich so eine Art „Frühwarnsystem“, was Schadstoffe angeht. Im Übrigen wird Plastik aus Laub und Grünschnitt aussortiert, bevor es weiterverwendet wird. Gerade bei Friedhofsabfällen ist dies aber nicht ganz einfach, weil die Friedhofsnutzer es mit der Mülltrennung nicht immer so genau nehmen.
Ansonsten hat man bei der Stadt Rottweil beobachtet, dass offenbar die zugesetzte Pflanzenkohle Schadstoffe absorbieren oder filtern kann. Wie genau das funktioniert wisse man aber noch nicht. Das genauer zu untersuchen wäre für eine wissenschaftliche Begleitstudie sicherlich lohnenswert.
Bürgermeister Christian Ruf hob den Mehrwert dieser Kreislaufwirtschaft hervor. „So wird unser Grünschnitt nicht mehr als Abfall, sondern als wertvolles Material gesehen, das wiederverwendet wird und schließlich nachhaltig im Kreislauf der Natur innerhalb der Stadt Rottweil bestehen bleibt“, betont er. Die Projektleitung und -überwachung läuft über die Abteilung Tiefbau der Stadt Rottweil mit Albert Schmidt und Carmen Biber.
Für einen Wissens- und Erfahrungsaustausch sind die Lokale Agenda 21 Rottweil mit Raymund Holzer und Jutta Steffens, sowie das Netzwerk Schule/Wirtschaft um Dr. Christine Schellhorn und das Bürgerforum Rottweil um Henry Rauner in das Projekt eingebunden. Die Gruppen waren daher auch zum Behördentermin eingeladen.
Ruf betont: „Unsere bürgerschaftlich engagierten Gruppen verfügen über ein beachtliches Know-how in Sachen Nachhaltigkeit und haben sich stark eingebracht, weshalb wir ihnen den aktuellen Stand ebenfalls unmittelbar vorstellen wollten.“