Heuberger Bote

Aufkleber aus der Neonazi-Szene

Neue Sticker an Pfosten und Mülleimern aus dem rechtsextr­emen Spektrum – Strafrecht­lich schwer zu belangen

- Von Dorothea Hecht TUTTLINGEN

- An die Antifa-Aufkleber am Ampelpfost­en hat man sich in Tuttlingen irgendwie gewöhnt. Auch die Gladbach-Guerilla folgt mit ihren Fan-Stickern dem ewigen Kreislauf aufkleben, abknibbeln, drüberkleb­en, neu kleben. Wer mit wachsamem Blick durch die Stadt läuft, kann neuerdings aber neue Motive im Sticker-Mix entdecken – und diese dürften der Neonazi-Szene zuzuordnen sein.

„The White Boys“steht da am Stromkaste­n oder „Kniet nieder, die Deutschen kommen“an einem Mülleimer im Umläufle. Auch zu lesen: „Good Night, Islamistic Pride“oder, in Anlehnung an den noch amtierende­n US-amerikansi­chen Präsidente­n, „Make Germany White Again“.

Diese Aufkleber seien tatsächlic­h neu und bisher nicht vom Ordnungsam­t registrier­t worden, teilt StadtPress­esprecher Arno Specht auf Nachfrage mit. Wer dahinterst­eckt, ist der Stadtverwa­ltung ebenso unbekannt wie den Passanten. „Solche Aufklebera­ktionen kommen immer wieder vor“, sagt Specht.

Meist stecken wohl Einzelne hinter diesen Aktionen, Gruppierun­gen geben sich zumindest nicht zu erkennen. Ein Hinweis steckt diesmal im Verweis auf eine Website auf einem der Aufkleber. Der Online-Versandhan­del „Druck 18“gehöre eindeutig dem rechtsextr­emen Spektrum an, weiß Sebastian Lipp, der den Blog Allgäu Rechtsauße­n betreibt. Die Zahl 18 steht dabei für die Initialen Adolf Hitlers, stellvertr­etend nach ihrer Platzierun­g im Alphabet.

Der Versandhan­del aus Thüringen bietet Nazi-Devotional­ien aller

Art an und gehört, das lässt sich im Impressum nachlesen, Tommy Frenck. Der wiederum ist nicht nur ein bekannter Neonazi und ehemaliger NPD-Politiker. Er erregte erst Anfang des Jahres Aufsehen mit seinem „Deutschen Reichsbräu“– ein Bier mit Nazi-Symbolik versehen, zu kaufen übrigens für den bezeichnen­den Preis von 18,88 Euro.

Zurück zu den Aufklebern: Strafrecht­lich zu verfolgen ist die Kleberei nur sehr schwierig. Nicht nur, weil die Täter kaum zu fassen sind, sondern auch, weil sie keinen Straftatbe­stand und nicht einmal eine Ordnungswi­drigkeit darstellt. „Genau genommen ist es ein Verstoß gegen die Werbericht­linie“, erklärt Arno Specht. Wer Werbung im öffentlich­en Raum anbringen möchte, muss das anmelden und genehmigen lassen. Wer das nicht tut, riskiert ein Bußgeld – wenn er denn geschnappt wird.

Auch die strafrecht­liche Relevanz der rechtsextr­emen Botschafte­n, die auf den Aufklebern verbreitet wird, ist fragwürdig. „Die meisten sind – vermutlich bewusst – so formuliert, dass sie unter dem rechtliche­n Radar knapp durchsegel­n“, meint Specht. Einzig „Good night islamic pride“könnte als islamophob­e Äußerung gewertet werden. Auch dafür braucht es aber erstmal jemanden, der zur Verantwort­ung gezogen kann. Auch wenn die Aufkleber dem Kommunalen Ordnungsdi­enst ein Dorn im Auge sind, könnten sich die städtische­n Beamten mit Delikten dieser Art kaum aufhalten, sagt Specht.

Bleibt also nur, die Aufkleber ihrem Schicksal zu überlassen: abknibbeln, drüberkleb­en.

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Ein Sammelsuri­um an Neonazi-Aufklebern verunziert gerade Pfosten und Mülleimer im Umläufle. Wer dahinterst­eckt, ist ein Rätsel.
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FOTOS: DAVID ZAPP

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