Aufkleber aus der Neonazi-Szene
Neue Sticker an Pfosten und Mülleimern aus dem rechtsextremen Spektrum – Strafrechtlich schwer zu belangen
- An die Antifa-Aufkleber am Ampelpfosten hat man sich in Tuttlingen irgendwie gewöhnt. Auch die Gladbach-Guerilla folgt mit ihren Fan-Stickern dem ewigen Kreislauf aufkleben, abknibbeln, drüberkleben, neu kleben. Wer mit wachsamem Blick durch die Stadt läuft, kann neuerdings aber neue Motive im Sticker-Mix entdecken – und diese dürften der Neonazi-Szene zuzuordnen sein.
„The White Boys“steht da am Stromkasten oder „Kniet nieder, die Deutschen kommen“an einem Mülleimer im Umläufle. Auch zu lesen: „Good Night, Islamistic Pride“oder, in Anlehnung an den noch amtierenden US-amerikansichen Präsidenten, „Make Germany White Again“.
Diese Aufkleber seien tatsächlich neu und bisher nicht vom Ordnungsamt registriert worden, teilt StadtPressesprecher Arno Specht auf Nachfrage mit. Wer dahintersteckt, ist der Stadtverwaltung ebenso unbekannt wie den Passanten. „Solche Aufkleberaktionen kommen immer wieder vor“, sagt Specht.
Meist stecken wohl Einzelne hinter diesen Aktionen, Gruppierungen geben sich zumindest nicht zu erkennen. Ein Hinweis steckt diesmal im Verweis auf eine Website auf einem der Aufkleber. Der Online-Versandhandel „Druck 18“gehöre eindeutig dem rechtsextremen Spektrum an, weiß Sebastian Lipp, der den Blog Allgäu Rechtsaußen betreibt. Die Zahl 18 steht dabei für die Initialen Adolf Hitlers, stellvertretend nach ihrer Platzierung im Alphabet.
Der Versandhandel aus Thüringen bietet Nazi-Devotionalien aller
Art an und gehört, das lässt sich im Impressum nachlesen, Tommy Frenck. Der wiederum ist nicht nur ein bekannter Neonazi und ehemaliger NPD-Politiker. Er erregte erst Anfang des Jahres Aufsehen mit seinem „Deutschen Reichsbräu“– ein Bier mit Nazi-Symbolik versehen, zu kaufen übrigens für den bezeichnenden Preis von 18,88 Euro.
Zurück zu den Aufklebern: Strafrechtlich zu verfolgen ist die Kleberei nur sehr schwierig. Nicht nur, weil die Täter kaum zu fassen sind, sondern auch, weil sie keinen Straftatbestand und nicht einmal eine Ordnungswidrigkeit darstellt. „Genau genommen ist es ein Verstoß gegen die Werberichtlinie“, erklärt Arno Specht. Wer Werbung im öffentlichen Raum anbringen möchte, muss das anmelden und genehmigen lassen. Wer das nicht tut, riskiert ein Bußgeld – wenn er denn geschnappt wird.
Auch die strafrechtliche Relevanz der rechtsextremen Botschaften, die auf den Aufklebern verbreitet wird, ist fragwürdig. „Die meisten sind – vermutlich bewusst – so formuliert, dass sie unter dem rechtlichen Radar knapp durchsegeln“, meint Specht. Einzig „Good night islamic pride“könnte als islamophobe Äußerung gewertet werden. Auch dafür braucht es aber erstmal jemanden, der zur Verantwortung gezogen kann. Auch wenn die Aufkleber dem Kommunalen Ordnungsdienst ein Dorn im Auge sind, könnten sich die städtischen Beamten mit Delikten dieser Art kaum aufhalten, sagt Specht.
Bleibt also nur, die Aufkleber ihrem Schicksal zu überlassen: abknibbeln, drüberkleben.