Herausforderung angenommen
Hermann Weinbuch geht nach einem Frühjahr des Zweifels in einen weiteren Winter als Bundestrainer der Kombinierer
DSV-Frauen in Lech unter „ferner fuhren“
Die deutschen Skirennfahrerinnen haben einen weiteren Dämpfer im alpinen Weltcup kassiert und müssen sich künftig auf eine härtere Gangart im Training einstellen. Beim Parallel-Event in Lech/Zürs verpassten alle sieben Starterinnen des Deutschen Skiverbandes die K.o.-Phase. Ein 22. Platz durch die erfahrene Lena Dürr (Germering) reichte in der Qualifikation nicht für die Entscheidungsläufe der besten 16 am Abend. Bereits zum Saisonstart im Riesenslalom von Sölden und zuletzt am Wochenende bei zwei Slaloms in Levi waren die DSV-Frauen der Konkurrenz deutlich hinterhergefahren. „Hier musste man am Limit fahren, und das sind wir nicht“, haderte der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier. Die fehlende Aggressivität und Risikobereitschaft sind nicht neu – deshalb werde nun das Training umgestellt. „Es werden nur noch intensive Zeitläufe gefahren. Bei jeder Trainingsfahrt musst du versuchen, der Champion zu sein“, sagte Maier. „Weniger Techniktraining, mehr Wettkampftraining!“Ihre Erfolgsserie ausgebaut hat in Lech Weltmeisterin Petra Vlhova (Slowakei). Die 25-Jährige gewann das Finale gegen die US-Amerikanerin Paula Moltzan mit einigem Glück und holte damit den dritten Weltcup-Sieg in Folge. Dritte wurde die Schweizerin Lara Gut-Behrami. (dpa/SID)
Schlierenzauer infiziert, Klaebo hat Glück
Österreichs Skisprungstars um Gregor Schlierenzauer (Foto: dpa) gehen in Quarantäne statt an den Start, Norwegens Skilangläufer wanderten nach einem „falsch positiven“Test kurzzeitig geschlossen in Isolation – das Coronavirus sorgt für Wirbel. „Es wäre naiv zu glauben, dass der ganze Wintersport und auch der deutsche Sport ohne positiven Test durch den Winter kommen“, sagte Stefan Schwarzbach, Vorstand Kommunikation im Deutschen Skiverband. Der DSV und seine Athleten, die in Sachen Hygiene und Tests einen großen Aufwand betreiben, mussten noch keinen prominenten Corona-Fall verkraften. „Bislang ist alles ruhig“, sagt Schwarzbach. Doch die Einschläge kommen bedrohlich nahe. Beispiel Skispringen: Da wurden nach dem WeltcupAuftakt im polnischen Wisla am Wochenende Österreichs Weltcup-Rekordsieger Schlierenzauer, Teamkollege Philipp Aschenwald und Trainer Andreas Widhölzl positiv getestet – „trotz Einhaltung aller Sicherheitsmaßnahmen“, wie sich der ÖSV mitzuteilen beeilte. Auch der Russe Michail Maximotschkin war in Wisla positiv. Österreicher wie Russen gingen in Quarantäne, sie fehlen bei der zweiten Station in Kuusamo. Beispiel Skilanglauf: Einen Tag vor dem ersten Weltcuprennen in Kuusamo musste sich das gesamte Team der Topnation Norwegen in Quarantäne begeben, nachdem Männertrainer Eirik Myhr Nossum an Ort und Stelle positiv getestet worden war. Ein zweiter Test kehrte das Ergebnis zwar um, die Olympiasieger Therese Johaug und Johannes Hösflot Klaebo wurden entisoliert – eine vernünftige Wettkampfvorbereitung war damit aber nicht möglich. Und die Saison hat gerade erst begonnen ... (SID)
CAS entscheidet für Coleman über Tokio
Sprintweltmeister Christian Coleman (Foto: AFP) hat seine Ankündigung wahr gemacht und beim Internationalen Sportgerichtshof CAS Berufung gegen seine zweijährige Sperre eingelegt. Wie der CAS am Donnerstag in Lausanne mitteilte, wolle der 24-jährige Amerikaner damit erreichen, dass die von der unabhängigen Integritätskommission (AIU) des LeichtathletikWeltverbands World Athletics verhängten Sanktionen aufgehoben werden oder die Strafe reduziert wird. Die AIU hatte Coleman am 22. Oktober wegen drei verpasster Dopingtests innerhalb eines Jahres bis zum 13. Mai 2022 gesperrt. Falls die Berufung nun vom CAS abgelehnt wird, könnte der Athlet aus Atlanta bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio nicht an den Start gehen. Coleman hatte 2019 in Doha Weltmeisterschaftsgold über 100 Meter und mit der US-Sprintstaffel über 4 x 100 Meter gewonnen. (dpa)
Beweisen muss er niemandem mehr irgendwas. Wäre es anders, Hermann Weinbuch könnte Zahlen anführen. Hinlänglich bekannte Zahlen – denn wann immer in der Nordischen Kombination ein Wettbewerb ansteht, der die wohl anspruchsvollste aller Wintersportarten aus ihrer Nische rückt, passiert zweierlei: Hermann Weinbuchs Berufsbezeichnung „Bundestrainer“wird um das Attribut „erfolgreichster“erweitert, und eine (Stand 27. November 2020) 52 taucht auf. 52 Medaillen haben Hermann Weinbuchs Athleten bei einschlägigen Großereignissen bislang gewonnen, Nachrechnen dauert ... und ergibt je fünfmal Gold und Silber sowie vier bronzene Plaketten bei Olympia, je 15 Titel und zweite Plätze sowie achtmal Bronze bei Nordischen Ski-Weltmeisterschaften. Veredelt wird all das durch acht Gesamtweltcup- und elf Weltcup-Nationenwertungssiege.
Beweisen muss Hermann Weinbuch – erste Amtszeit 1992/93, zweite Amtszeit seit 1996 ununterbrochen – definitiv nichts mehr. Und doch gab es da eine Mission, einen Antrieb, als es am Donnerstag in Kuusamo mit Qualifikation und Provisorischem Wettkampfsprung für Saison-Weltcup Nr. 1 wieder Ernstfall wurde: Norwegen hat den Winter 2019/20 dominiert, in Person vor allem des 23-jährigen Jarl Magnus Riiber, eines auf der Schanze Hochbegabten. Seine Luftfahrten verschoben Grenzen, seine Weiten wurden zum Maß aller Sprünge,
er siegte (auch, weil er läuferisch erneut gehörig zugelegt hatte) bei 17 Starts unverschämt starke 14 Mal.
Folge des Riiber’schen Hangs zur späten Landung waren Anlaufverkürzungen durch die Jury. Folge der Anlaufverkürzungen für die Konkurrenz waren noch mehr fehlende Meter (weniger Anlauf = weniger Geschwindigkeit = mehr Notwendigkeit, absolut sauber zu springen), waren letztlich zu große Rückstände auf der Skating-Runde. „Über fast ein Jahrzehnt“sind die Frenzels, Rdyzeks, Rießles „ganz, ganz oben geschwommen“; eigentlich, weiß Hermann Weinbuch, sei es „eh schon fast unmenschlich“gewesen, „was die Jungs erreicht haben“. Und nun definiert einer die Hierarchien – ja, (s)einen Sport – völlig neu. Hermann Weinbuch: „Der Riiber schafft es, dass Veränderungen stattfinden müssen, will man ihn schlagen. Er hat uns gezwungen, dass wir anders herangehen, die Kombination anders sehen – und letztendlich auch anders trainieren. Diese Herausforderung haben wir angenommen.“
Jetzt, im Corona-Sommer. Konzentriert, motiviert. Erkannt war das Fehlerbild im Kombinationssprung made in Germany schon länger. Nur sind Korrekturen im laufenden Weltcup-Betrieb schwierig, nur hemmt jegliche Verunsicherung. Und die war zu greifen. Sie sollte nicht ohne Folgen bleiben: Im Mai quittierte Ronny Ackermann seinen Dienst, nach neun Jahren im Trainerteam Hermann Weinbuchs. Als analytisch und kommunikativ galt der frühere Weltklasse-Kombinierer (sein Bundestrainer:
Hermann W.), die Schanze war sein Beritt. Nun befand er, dass neuer Input gut täte, dass andere die Impulse hin zum Besseren setzen sollten.
Auch Hermann Weinbuch hat Ähnliches ernsthaft für sich in Betracht gezogen, so erzählte er dieser Tage beiläufig-freimütig. Sinniert habe er lange, „ob ich noch die richtige Person bin, ob ich den Jungs wirklich noch helfen kann, sie vorwärtsbringen kann“. Der 60-Jährige stellte die Vertrauensfrage: „Ich hab’ den Jungs gesagt, wie ich mir das vorstell’. Ich hab’ gesagt: ,Wenn ihr mich noch unbedingt haben wollt, dann brauch’ ich von euch ein klares Statement.‘“
Das Votum – gewünscht klar! – kam. Heinz Kuttin kam. Die Skisprungkompetenz des 49-jährigen Österreichers ist unstrittig, seine Aufgeschlossenheit auch für Unkonventionell-Innovatives bekannt. Gespräche vorab zeigten: Die Ideen passten, die Chemie stimmt. „Menschlich ein feiner Kerl“sei Heinz Kuttin, „ein sehr gutes Einfühlungsvermögen“attestiert Hermann Weinbuch dem Ackermann-Nachfolger außerdem, „eine Überzeugung, eine hohe Autorität“. Kurz: „sehr viel, was wir gesucht haben und auch brauchen in unserer Situation“. Sehr viel, was helfe, effektiv „an der Absprungdynamik“zu arbeiten „Und dann natürlich am ersten Drittel, am Übergang, dass wir da mehr Drehung und mehr Geschwindigkeit bekommen.“
Der Vorsatz vor Kuusamo und allem danach einschließlich HeimWM 2021 in Oberstdorf: „Es reizt uns natürlich, jetzt wieder die Nummer 1 der Welt zu werden, momentan sind wir die Nummer 2.“Die Ist-Analyse vor Kuusamo und allem danach ... : „Wir sind sicherlich rangekommen, aber ob wir schon Möglichkeiten haben, Jarl Magnus Riiber zu schlagen, das wird die Saison zeigen.“Den Provisorischen Wettkampfsprung in Finnland sprang genau einer besser als Norwegens Dominator (der später wegen eines nicht regelkonformen Anzugs disqualifiziert werden sollte): Manuel Faißt vom SV Baiersbronn. Seine 147,5 Meter waren eine Klasse für sich. Ein erster Schritt.
Hermann Weinbuch hat durchgeatmet. Merklich. Kurz.