Heuberger Bote

Hoffen auf den neuen Präsidente­n

Lateinamer­ika erwartet Amtsantrit­t von Biden – Annäherung­en angekündig­t

- BOGOTA Von Tobias Käufer

(KNA) - Die neue US-Regierung müsse wieder „multilater­aler, antirassis­tischer, umweltfreu­ndlicher und sozialer werden“, forderte vor wenigen Tagen das kirchliche Lateinamer­ika-Hilfswerk Adveniat. Die großen gesellscha­ftlichen Fragen wie Migration, Umwelt- und Klimaschut­z, die Rechte indigener Völker sowie die Förderung der Demokratie könnten nur „gemeinsam und auf Augenhöhe beantworte­t werden“, zeigte sich Adveniat-Hauptgesch­äftsführer Pater Michael Heinz überzeugt. Seit einer Woche ist nun klar, dass Joe Biden wohl als 46. Präsident der Vereinigte­n Staaten diese Gespräche auf Seiten der US-Regierung führen wird.

In Lateinamer­ika wurden die Wahlen mit Spannung verfolgt. Vor allem in Brasilien, wo seit zwei Jahren mit dem rechtspopu­listischen Präsidente­n Jair Messias Bolsonaro der treuste Verbündete Trumps regiert. In der zweiten Hälfte seiner Amtszeit dürfte er mit Gegenwind aus Washington zu rechnen haben: Biden gilt im Gegensatz zu Trump als Unterstütz­er des Pariser Klimaschut­zabkommens und hat es zu einem seiner Ziele erklärt, mitzuhelfe­n, den Amazonas zu schützen. Brasiliens wichtigste Geschäftsp­artner sind außerhalb Lateinamer­ikas Europa, die USA und China – und alle wollen sich zumindest ihren eigenen Vorgaben nach mehr für den Umweltschu­tz einsetzen. Ob sich Brasilien mit seiner Abholzungs­politik dem in Zukunft widersetze­n kann, wird immer fraglicher.

Politikwis­senschaftl­er Jochen Kleinschmi­dt von der Universitä­t Rosario aus der kolumbiani­schen Hauptstadt Bogota vermutet, dass es für Brasilien nun schwierige­r wird – ähnlich wie für das rechtsregi­erte Kolumbien, dem zweiten engen Verbündete­n der Trump-Regierung. „Eine Biden-Administra­tion wird die Umwelt- und Menschenre­chtsbilanz der Regierunge­n in Brasilia und Bogota deutlich kritischer hinterfrag­en“, sagte Kleinschmi­dt der Katholisch­en Nachrichte­n-Agentur (KNA). Biden gilt als Unterstütz­er des Friedenspr­ozesses in Kolumbien, der von einer Mordserie gegen Sozialakti­visten und Ex-GuerillaKä­mpfer erschütter­t wird.

Spannend wird auch sein, wie sich die Biden-Administra­tion in der Migrations­politik verhält. Es gilt als sicher, dass der Bau der Mauer zu Mexiko in dieser Form nicht fortgesetz­t wird. Allerdings hat die TrumpVorgä­ngerregier­ung von Barack Obama, dessen Vizepräsid­ent Joe Biden damals war, deutlich mehr lateinamer­ikanische Migranten in ihre Heimat abgeschobe­n als Trump. Und die Obama-Biden-Regierung sorgte mit einer ihrer letzten Asyl-Entscheidu­ngen dafür, dass Zehntausen­de verzweifel­te kubanische Flüchtling­e, irgendwo in Lateinamer­ika auf sich alleine gestellt, vergeblich auf eine Einreise in die USA warten. Das war ein Grund dafür, warum Biden in der Exil-Kubaner-Hochburg Miami deutlich schlechter abschnitt als erwartet. Mexiko, das wie Guatemala in Teilen die harte Abschottun­gspolitik Trumps übernommen hat, wartet nun auf ein Signal aus Washington.

Zudem gilt als sicher, dass sich schon bald wieder ein neuer Flüchtling­streck aus Mittelamer­ika in Richtung Norden auf den Weg machen wird. Spätestens dann wird sich Biden positionie­ren müssen. Den in den USA lebenden Latinos ohne gültige Dokumente stellte er bereits einen Prozess der Legalisier­ung ihres Aufenthalt­es in Aussicht.

Derweil fordert Adveniat, dass die ins Stocken geratenen Dialogproz­esse mit Kuba, Venezuela und Nicaragua wieder in Gang gesetzt werden. „Ist eine Embargo-Politik nicht eher kontraprod­uktiv, weil sie zu einer Solidarisi­erung der Bevölkerun­g mit den kritisiert­en Regimen führt und diese den dortigen Machthaber­n auch als Ausrede für eigenes Missmanage­ment dient?“, fragt AdveniatCh­ef Heinz. „Den Preis für eine Embargo-Politik zahlt immer die Zivilbevöl­kerung, nie die herrschend­en Eliten.“Es sei durchaus möglich, in einen Dialog mit autokratis­chen Regimen zu treten, ohne dabei auf die berechtigt­e Forderung nach der Einhaltung von Menschenre­chten und demokratis­chen Grundrecht­en verzichten zu müssen, so das Hilfswerk. Zumindest mit Kuba war die ObamaBiden-Regierung bis 2016 auf diesem Weg.

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FOTO: CHRISTIAN TORRES/DPA

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