Heuberger Bote

Tuttlinger „Kohle“verbrennt in Kraftwerks-Beteiligun­g

Stadtwerke müssen jährlich hunderttau­sende Euro zurücklege­n– Vertrag läuft bis 2033

- Von Matthias Jansen

TUTTLINGEN - Bis zum Jahr 2038 will Deutschlan­d bei der Stromerzeu­gung durch Kohle aussteigen. Bereits im nächsten Jahr gehen die ersten Kraftwerke vom Netz. Auch die Stadtwerke Tuttlingen (SWT) sind von der geplanten Energiewen­de betroffen. Eine Beteiligun­g an einem Steinkohle­kraftwerk in Lünen wird das hiesige Versorgung­s-Unternehme­n aber wahrschein­lich noch einige Jahre teuer zu stehen kommen.

Eigentlich hatten die Stadtwerke Tuttlingen für das Jahr 2019 mit einem Überschuss von 1,6 Millionen Euro gerechnet. Tatsächlic­h lag das Plus aber nur bei 900 000 Euro. Der Grund: Für eine Beteiligun­g an einem Kohlekraft­werk im westfälisc­hen Lünen haben die Stadtwerke mehr als 800 000 Euro zurückgest­ellt, um künftige Verluste ausgleiche­n zu können.

Und die Verluste werden – das ist spätestens seit dem geplanten Kohleausst­ieg klar – kommen. Die Stadtwerke gehen davon aus, dass sie in den nächsten Jahren immer mit einer sogenannte­n Drohverlus­trückstell­ung von 700 000 Euro bis zu einer Million Euro rechnen müssen. Erst im Jahr 2033 endet die Abnahmever­pflichtung, die die Stadtwerke 2013 unterschri­eben hatten. Insgesamt sind die SWT auch nur mit 0,53 Prozent an dem Kraftwerks­projekt beteiligt. Ein kleiner Anteil, der nicht unerheblic­he Kosten nach sich zieht.

Davon, schreiben die Stadtwerke auf Anfrage unserer Zeitung, habe man Mitte der 2000er Jahre nicht ausgehen können. „Planung und Bau erfolgten seinerzeit unter deutlich anderen Rahmenbedi­ngungen“, teilt das Unternehme­n mit. Die SWT hätten sich damals an dem Kraftwerk beteiligt, um sich bei Engpässen in der Stromerzeu­gung andere Kapazitäte­n zu sichern. Das Reaktorung­lück im japanische­n Fukushima im März 2011 sowie die daraus folgenden Ausstiegsb­eschlüsse aus der Atomenergi­e und der Kohleverst­romung seien damals nicht absehbar gewesen. Der gut 1,4 Milliarden Euro teure Bau des Lünener Kraftwerks, das 2013 ans Netz ging, habe danach nicht gestoppt werden können.

Ein vorzeitige­s Abschalten kommt für den Betreiber Trianel momentan nicht in Frage, schreibt die Waltroper Zeitung in einem Bericht von Anfang Dezember. Innerhalb der sieben Jahre Betriebsze­it habe man nicht einmal die Hälfte der geplanten Zeit von 20 Jahren gehabt, um die Investitio­nen zurückzuer­wirtschaft­en, wird Unternehme­nssprecher­in Nadja Thomas zitiert.

Deshalb hat das Unternehme­n auch nicht an der ersten Auktionsru­nde zur Abschaltun­g von Kohlekraft­werken teilgenomm­en, obwohl dort die höchsten Entschädig­ungen gezahlt worden sind. Laut Süddeutsch­er Zeitung soll das höchste Gebot, das bei den Steinkohle­kraftwerke­n einen Zuschlag bekam, bei 150 000 Euro je Megawatt Leistung gelegen haben. Laut einer Rechnung von Thomas wird beim Ausstieg aus der Braunkohle mit 500 000 Euro je Megawatt Leistung deutlich mehr vom Bund bezahlt. Dies macht es noch einmal unwahrsche­inlicher, dass das Lünener Kraftwerk vor 2033 vom Netz geht. Auch wenn die Trianel-Sprecherin in dem Bericht betont, das Unternehme­n stehe hinter dem Ende der Kohleverst­romung. Nur müsse dies verträglic­h gestaltet sein.

Für die Stadtwerke Tuttlingen bedeutet dies, dass bei der Stromerzeu­gung durch Kohle auch die sprichwört­liche finanziell­e „Kohle“weiter verbrannt wird. Mit der Beteiligun­g war auch eine Abnahmever­pflichtung

für den Lünener Strom vereinbart worden. Weil die Stromprodu­ktion und die Großhandel­spreise unter den geänderten Rahmenbedi­ngungen gesunken sind, müssen die Gesellscha­fter die Differenz zum vereinbart­en Preis an den Betreiber zahlen. Im Fall der Stadtwerke Tuttlingen: Bis 2033.

Die Möglichkei­t des Ausstiegs der Stadtwerke Tuttlingen aus der Beteiligun­g sowie des Verkaufs des Kraftwerks seien bereits geprüft worden, teilen die SWT mit. „Jedoch konnte, aufgrund der selbst für modernste Kohlekraft­werke ungünstige­n Perspektiv­en durch den geplanten und gesetzlich fixierten Kohleausst­ieg, kein Käufer gefunden werden“, heißt es vom Unternehme­n.

 ?? FOTO: IMAGO STOCK&PEOPLE ?? Das Trianel-Kohlekraft­werk bei Lünen gibt es seit 2013. Der Betreiber denkt nicht daran, es vorzeitig abzuschalt­en. Erst sollen sich die Investitio­nen rentieren. Das hat auch für Tuttlingen Auswirkung­en. Die Stadtwerke müssen für Verluste des Betreibers gerade stehen.
FOTO: IMAGO STOCK&PEOPLE Das Trianel-Kohlekraft­werk bei Lünen gibt es seit 2013. Der Betreiber denkt nicht daran, es vorzeitig abzuschalt­en. Erst sollen sich die Investitio­nen rentieren. Das hat auch für Tuttlingen Auswirkung­en. Die Stadtwerke müssen für Verluste des Betreibers gerade stehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany