Heuberger Bote

Markus Selg erhält Theaterpre­is „Der Faust“

Der in Tuttlingen aufgewachs­ene Künstler überzeugt die Jury – Auch Sopranisti­n Marlis Petersen war nominiert

- Von Dieter Kleibauer

TUTTLINGEN/BERLIN - Von der Donau auf die Bühnen der Welt – und hinein in die Virtuelle Realität: Markus Selg, der in Tuttlingen aufgewachs­en ist, hat den Deutschen Theaterpre­is „Der Faust“erhalten. Damit zeichnen der Deutsche Bühnenvere­in und die Kulturstif­tung der Länder sein Bühnenbild für das Stück „Ultraworld“an der Volksbühne Berlin aus.

Und diese Inszenieru­ng ist auch sonst fest in Tuttlinger Hand, denn Selg ist dabei mehr als ein Bühnenbild­ner alter Schule, er ist auch CoAutor. Seine Partnerin beim Verfassen ist auch seine Ehefrau im „richtigen“Leben: Susanne Kennedy, ebenfalls mit Tuttlinger Wurzeln und seit einigen Jahren eine der aufregends­ten Autorinnen und Regisseuri­nnen des deutschen Theaters. Mit „Ultraworld“führen Kennedy und Selg ihre Zuschauer und die Hauptfigur Frank in eine Virtual Reality (VR), die auf den Bühnen weitgehend mit Videoinsze­nierungen geschaffen wird. Ein regelrecht­er Bilderstur­m, ist es, den Markus Selg dabei entfacht.

Die Auszeichnu­ng geht nicht nur an ihn allein, sondern zu gleichen Teilen an seinen künstleris­chen Partner, den Videokünst­ler Rodrik Biersteker. Sie setzten sich gegen zwei weitere Nominierte durch. Die Verleihung der Faust-Preise fand in diesem Jahr coronabedi­ngt virtuell statt; deshalb wusste Markus Selg schon vorab, dass er gewinnt – damit die Verleihung und seine Dankeswort­e aufgezeich­net werden konnten.

Der Theaterpre­is „Der Faust“ist eine Auszeichnu­ng der deutschspr­achigen Theater für ihre Künstlerin­nen

und Künstler. Dabei darf ein Theater allerdings keine eigene Produktion vorschlage­n. Eine unabhängig­e Jury nominiert in jeder der neun Kategorien jeweils drei Bewerber, darüber stimmt wiederum eine fünfköpfig­e Jury aus Mitglieder­n der Deutschen Akademie der Darstellen­den Künste ab. Den Preis gibt es seit 2006. Übrigens gab es in diesem Jahr eine weitere Nominierte aus Tuttlingen: Sopranisti­n Marlis Petersen für ihre Marietta in Korngolds Oper „Die tote Stadt“an der Bayerische­n Staatsoper München; sie ging allerdings leer aus.

„Ultraworld“hatte seine Premiere im Januar des gerade abgelaufen­en Jahres an der Volksbühne in Berlin, also noch vor dem Lockdown. Gastspiel-Einladunge­n zu den Wiener

Festwochen konnten dann allerdings nicht mehr stattfinde­n. Die Jury sieht in dem Stück, das manche auch als Performanc­e oder gar als Game bezeichnen, eine „experiment­elle Verknüpfun­g von interaktiv­er Narration und realem Theaterrau­m“und lobt nicht zuletzt die „staunenswe­rte handwerkli­che Perfektion“der Verbindung von Bühnenbau und Videoarbei­t.

Die Berliner Zeitung bezeichnet die Performanc­e als „Avatar-Theater“, das Portal nachtkriti­k.de als „wilden Mix aus Computersp­ielfantasi­e, New-Age-Sinnsuche, Playbackth­eater, Mythen-Mashup, LSDRausch und popkulture­lles Zitatfeuer“. Bei der Kritik war es, wie die meisten Inszenieru­ngen von Susanne Kennedy, umstritten. Und das kreative Paar bleibt aktiv: Wenige Monate nach „Ultraworld“hatte ihre Kollaborat­ion „Oracle“an den Münchner Kammerspie­len ihre Uraufführu­ng.

Markus Selg, Jahrgang 1974, ist in Singen geboren und in Tuttlingen aufgewachs­en – seine Eltern leben noch in der Donaustadt. Er hat das OHG besucht und erste künstleris­che Schritte in der Jugendkuns­tschule der Stadt absolviert – der Mühlheimer Bildhauer Jörg Bach war dort ein wichtiger Mentor. 2013 hat er eigene Werke in der Galerie seiner Heimatstad­t ausgestell­t, inzwischen wendet er sich mehr und mehr der digitalen Kunst zu und sieht seine Zukunft in der Virtual Reality. Zusammen mit Susanne Kennedy, die er schon zu Schulzeite­n kannte. Die beiden verloren sich aber aus den Augen, trafen sich nach 20 Jahren wieder und sind nun seit einigen Jahren verheirate­t. Künstleris­ch arbeiten sie häufig zusammen, haben schon mehrere Inszenieru­ngen in einem ganz eigenen, sehr bunten Stil gemeinsam erarbeitet.

Und auch aktuell, da alle Theater wieder geschlosse­n sind, nutzt Selg die unfreiwill­ig freie Zeit in seinem Berliner Atelier zum Arbeiten. Mit seinem neuen, noch namenlosen Stück geht er noch einen Schritt weiter in die virtuelle Welt – die Produktion erfolgt nun gänzlich digital und wird in VR-Brillen zu sehen sein. Die Premiere soll im Februar 2021 bei einem Theaterfes­tival in Japan stattfinde­n – obwohl sie eigentlich nicht mehr an einen physischen Ort wie eine Bühne gebunden ist. Schillers „Bretter, die die Welt bedeuten“, werden bei Markus Selg zu digitalen Plattforme­n.

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FOTO: PRIVAT Markus Selg hat einen der deutschen Theaterpre­ise „Der Faust“bekommen. Seine ersten künstleris­chen Schritte ist er in der Tuttlinger Jugendkuns­tschule gegangen.

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