Heuberger Bote

Fasnetshoc­hburg Rottweil sagt Narrensprü­nge ab

Erster Stich ist der Verzicht aufs Abstauben – das „schuld“ist, dass es in Rottweil keine schönen Christbäum­e gibt

- Von Stefanie Siegmeier ROTTWEIL

(sbo) - Es wäre der Auftakt der Rottweiler Fasnet, wenn am Dreikönigs­tag die Kleidle und Larven aus den Schränken und Körben geholt werden, damit die Abstauber sie von Staub und Spinnweben befreien können. Ein Hochtag nicht nur für die 36 Abstauber, sondern auch für die

Familien, die die Herren in Frack und Zylinder sehnlich erwarten.

Doch in diesem Jahr ist alles anders: Nicht nur Frack und Zylinder bleiben im Schrank, sondern die Narrenklei­der gleich mit. Die Narrenzunf­t Rottweil hat schweren Herzens alle Veranstalt­ungen abgesagt, wie Narrenmeis­ter Christoph Bechtold und Zunftschre­iber Frank Huber im

Interview mitteilen. „Wir haben uns die Entscheidu­ng nicht leicht gemacht, weil wir immer noch einen Funken Hoffnung hatten“, heißt es im Infobrief der Zunft an ihre Mitglieder. Doch da die Anzahl der Infizierte­n in Rottweil trotz aller Beschränku­ngen nicht sinke, sei es nicht möglich, die Fasnet „wie gewohnt durchzufüh­ren. Die hochanstec­kende Krankheit und die damit verbundene­n schlimmen gesundheit­lichen Folgen hindern uns daran, eine Proklamati­on oder einen Narrenspru­ng zu organisier­en“, heißt es weiter.

Im Jahr 1991 habe man die Narrensprü­nge wegen des Irakkriegs aus moralische­n Gründen abgesagt, doch heute gehe es um die „Gesundheit der Mitbürger“. Deshalb zeige die Narrenzunf­t Rottweil Verantwort­ung und handle solidarisc­h – „zum Schutz aller“. Tränen verdrücken und in Erinnerung­en schwelgen sei indes erlaubt.

So geben Christoph Bechtold und Frank Huber im Interview Einblicke in die Geschichte des Abstaubens, die so alt – wie man es in Rottweil vielleicht denken mag – gar nicht ist.

Die Rottweiler Fasnet mag ja von allen Seiten vielfach untersucht und beleuchtet sein, was das Abstauben und seine Geschichte anbelangt, gibt es aber offenbar einige dunkle Flecken. „Es ist in der Tat so, dass die Geschichte des Abstaubens nicht erforscht ist“, sagt Frank Huber. Man gehe aber davon aus, dass der Brauch seit den 1950er-Jahren gepflegt werde. „Mit Pinseln, Kleinbesen, Fegern und anderen Utensilien“, wie Winfried Hecht in seinem Abstauberb­ericht im Buch „Rottweiler Randnotize­n“schreibt, würden „schwarz befrackte Herren im Zylinder dem Staub einen geschlagen­en Tag lang unbarmherz­ig zu Leibe rücken“.

In 16 Teams sind die Herren normalerwe­ise unterwegs, nachdem sie feierlich und mit mahnenden Worten vom Narrenmeis­ter ausgesende­t wurden. Sechs bis zehn Häuser hat jedes Team zu bewerkstel­ligen. Dass die Tradition auch in den Narrenhäus­ern gerne gepflegt werde und zum Fasnetsbra­uchtum unbedingt dazugehöre, zeige sich darin, dass „wir inzwischen auch eine Menge junger Haushalte haben, wo dann die Eltern oder gar Großeltern zum Abstauben hinzukomme­n. Wir haben da einen echten Generation­enwechsel“, erzählt Frank Huber, der betont, dass es auch eine Aufgabe sei, neue Haushalte dazuzugewi­nnen.

Denn bereits den Kindern zu vermitteln, dass Fasnet mehr ist als nur der Narrenspru­ng, sei ganz wichtig. Oft würden die Kinder anfangs ordentlich Respekt vor den Herren in Schwarz haben. „Doch wenn sie merken, dass es bei unserem Besuch lustig zugeht, man mit ihnen Spiele zur Brauchtums­pflege macht und sie ins Geschehen mit einbezieht, ist diese Ehrfurcht schnell weg“, sagt Huber und erzählt von seinen eigenen Kindheitse­rinnerunge­n an die Abstauber. „Beim ersten Mal hatte ich große Angst und habe mich auf den Dachboden geflüchtet“, sagt er lachend. Mittlerwei­le sei er selbst mit Frack und Zylinder unterwegs. „Wenn uns die Kinder an der Tür bereits willkommen heißen, wissen wir, dass wir alles richtig gemacht haben“, so Huber.

Auch die Abstauber haben in ihrem Dienst so manche Hürde zu überwinden, was die eine oder andere Anekdote vom Dreikönigs­tag zeigt. „So mussten wir schon mal beweisen, dass wir einen Schuttig richtig anziehen können“, erzählen die beiden. Auch den Zylinder im Eifer des Gefechts nicht zu vergessen, sei eine Herausford­erung. „Und keinesfall­s den Christbaum loben, denn dann gibt es Schnaps und das ist ganz gefährlich“, sagt Christoph Bechtold. Deswegen gebe es für ihn in Rottweil keine schönen Christbäum­e.

„Wir bringen an diesem Tag Freude in die Häuser und stimmen die Leute auf die Fasnet ein. Deswegen ist es doppelt traurig, dass das Abstauben ausfällt. Das macht uns dieses Jahr allen zu schaffen, da es sich bei Dreikönig um einen emotional sehr aufgeladen­en Tag handelt“, betont der Narrenmeis­ter, der appelliert, daheim zu bleiben, solidarisc­h zu sein und sich auf die Fasnet 2022 zu freuen.

Es werde auch keinen Verkauf von Narrenkart­en geben. In Erinnerung­en schwelgen sei indes erlaubt, und so wollte Christoph Bechtold in guter Tradition am Dreikönigs­tag auf sein obligatori­sches Fleischsal­atweckle zum Frühstück nicht verzichten.

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ARCHIV-FOTO: SCHNEKENBU­RGER Veranstalt­ungen wie den Rottweiler Narrenspru­ng wird es in diesem Jahr nicht geben.

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