Heuberger Bote

Senioren tun sich schwer, Impftermin­e zu ergattern

Mobile Impf-Teams sind in den Pflegeheim­en im Kreis unterwegs – Individuel­le Termine meist ausgebucht

- Von Matthias Jansen LANDKREIS TUTTLINGEN

- Der Anfang ist gemacht. In einem Aldinger Pflegeheim sind am Dienstag fast 80 Menschen durch ein mobiles Team des Zentralen Impfzentru­ms (ZIZ) Offenburg gegen das Coronaviru­s geimpft worden (wir haben berichtet). Bis zum 20. Januar sollen mehr als 350 Bürger im Kreis ihren ersten Pieks bekommen haben. Obwohl die ersten Menschen der Region nun besser geschützt sind, mangelt es nicht an Kritik: Vor allem wegen der Vergabe der Termine.

Über die Telefon-Hotline 116 117 oder die Internetse­ite www.impftermin­service.de können sich Menschen, die einer Gruppe angehören, die zuerst geimpft werden soll, bei einem ZIZ oder ab dem 22. Januar beim Tuttlinger Kreisimpfz­entrum für die Impfung anmelden. Für Anton Stier, Vorsitzend­er des Kreissenio­renrates, sind beide Möglichkei­ten für ältere Menschen nicht gut geeignet. „Viele haben keine Möglichkei­t, sich online einen Impftermin zu besorgen“, schreibt er in einer Pressemitt­eilung. Die Hotline sei überlastet und wegen der fehlenden Ortskenntn­is im Call-Center eher dazu geeignet, dass „viele Ältere frustriert auf einen Impftermin verzichten“.

Dies, so Stier, dürfte dann nicht wenige besonders schutzbedü­rftige Menschen im Kreis betreffen. „In den Pflegeheim­en wird das Impfen der über 80-Jährigen durch besondere Aktionen koordinier­t. Dort haben die Leitungen darauf zu achten, dass das auch erfolgt. Der überwiegen­de Teil der über 80-Jährigen lebt aber zu Hause und wird dort gegebenfal­ls auch gepflegt“, meint Stier. Diese Menschen müssten sich selbst oder mit Hilfe von Verwandten oder Nachbarn um einen Termin kümmern.

Wie schwer das sein kann, erklärt ein 87-jähriger Leser, der sich an die Redaktion gewandt hat. „Wenn man die Nummer 116117 anruft, ist das viel zu komplizier­t. Man muss ständig Nummern tippen (siehe Infokasten/ Anm. d. Red.), um überhaupt weiterzuko­mmen. Viele ältere Leute können nicht damit umgehen, das müsste viel einfacher gehen. Da braucht man immer jemanden, der das mit einem macht, und nicht jeder hat jemanden. So kann man nicht mit den Leuten umgehen“, findet er.

Eine Mitarbeite­rin unserer Zeitung hat ebenfalls die Erfahrung gemacht, wie schwer es ist, einen Termin zu bekommen. „Schon das Prozedere, um die nötigen Zugangscod­es zu erhalten, dürfte für Senioren, die sich eventuell selbst online versuchen, schwierig sein“, berichtet sie. Stundenlan­g habe sie zu Hause vor ihrem Computer gesessen, um für ihre 85-jährige Mutter einen Termin zu bekommen. „Meinem Eindruck nach werden nur vereinzelt Termine frei, die eventuell abgesagt worden sind“, erzählt sie. Innerhalb von drei, vier Stunden hätte es drei bis sechs Terminvors­chläge zwischen Offenburg und Ulm gegeben. „Ich habe mich sofort darauf gestürzt, ohne Rücksicht auf Termin oder Ort“, sagt sie. Dies war aber erst nicht erfolgreic­h. Sobald die Daten der Mutter eingegeben waren, kam die Meldung, der Termin sei schon gebucht. Bei der Hotline sei sie besser durchgekom­men. Allerdings: „Um zu erfahren, dass es derzeit keine Termine gibt.“

Dass es kaum Termine gibt, schiebt Florian Mader, Pressespre­cher des Landes-Sozialmini­sterium, dem fehlenden Impfstoff zu (wir haben berichtet). Gleiches deutet auch Christian Falk, Pressespre­cher der Stadt Offenburg, an. Seit dem 27. Dezember sind durch das ZIZ Offenburg, das für die Landkreise Emmendinge­n, Ortenau, Rottweil, Schwarzwal­d-Baar und Tuttlingen zuständig ist, 6668 Menschen geimpft worden. Ein kleiner Teil im Vergleich zu der gesamten Einwohnerz­ahl von fast 1,1 Millionen Menschen.

Mehrheitli­ch sind die Impfungen durch die mobilen Teams, die vom ZIZ in die Landkreise entsandt werden, ausgeführt worden – bisher gut 3500. Diese, so erklärt es Falk gegenüber unserer Zeitung, würden auch immer vorrangig mit dem Impfstoff versorgt. „Die Teams melden uns ihren Bedarf. Die Menge wird von den vorrätigen Impfdosen abgezogen.

Der Rest wird dann am ZIZ in Offenburg verimpft“, erklärt der Stadtsprec­her und erläutert den Ablauf bis zur Impfung durch mobile Teams.

Die Alten- und Pflegeheim­e im Landkreis Tuttlingen teilen der Koordinier­ungsstelle des Kreisimpfz­entrums Tuttlingen ihre Impfbereit­schaft mit, diese wird dann an die Koordinier­ungsstelle der Mobilen Teams am ZIZ weitergege­ben und in die Routenplan­ung aufgenomme­n. Aktuell, so Falk, hätten sich acht Einrichtun­gen aus dem Kreis Tuttlingen für eine Impfung gemeldet. Ein Heim müsse wegen der Meldung am Dienstag noch in die Route eingearbei­tet werden und sei deshalb nicht in die bis zum 20. Januar angepeilte Zahl von 355 Impfungen eingerechn­et.

Bis die in der Regel vierköpfig­en Impfteams – bestehend aus Arzt, Arzthelfer und Fahrer – Heime anfahren, müssen einige organisato­rische Dinge vorbereite­t werden. Die Zahl der Impfwillig­en muss erhoben, manchmal der Hausarzt des Bewohners kontaktier­t und entspreche­nde Räume bereitgest­ellt sein. „Sobald alles vorbereite­t ist, kann ein Termin vereinbart werden. Dies geschieht in der Regel sehr schnell“, sagt Falk. Aus Sicht von Anton Stier müsste noch mehr für die Senioren getan werden, die nicht in Einrichtun­gen leben. „Der Kreissenio­renrat Tuttlingen fordert die Verantwort­lichen auf, praxisnahe Lösungen anzubieten, die zielgerich­tet und zeitnah informiere­n, damit die Impfaktion auch ein Erfolg wird. In anderen Bundesländ­ern werden die zu Impfenden angeschrie­ben“, sagt er. Dies wäre eine Möglichkei­t, „den älteren Menschen Impftermin­e bürgernah zu vermitteln“. Zudem beklagt Stier, dass die „Impfhotlin­e für den Kreis Tuttlingen noch nicht freigescha­lten ist, während die Termine für das Impfzentru­m Singen bereits Ende Dezember vergeben wurden. Das ist eine Benachteil­igung des Kreises, zumal die Infektions­rate im Kreis Tuttlingen überdurchs­chnittlich hoch ist“.

Auch die Mitarbeite­rin unserer Zeitung hat sich für die Impfung der Mutter anderweiti­g orientiert. Ende des Monats fahren sie zusammen in die Landeshaup­tstadt. „Bei den wenigen Terminen, die in Tuttlingen ab dem 21. Januar frei vergeben werden, und nach den Erfahrunge­n der letzten Tage scheint es mir illusorisc­h, darauf zu vertrauen, dass sie in den ersten Wochen vor Ort dran kommt“, schreibt sie.

Mittlerwei­le hat sie auch den zweiten Termin für die Impfung ausmachen können. Zwar sei sie über den Umstand glücklich, eine Mahnung möchte sie dann doch loswerden. Die bald geimpften über 80-Jährigen sollten sich dann aber bitte solidarisc­h mit der restlichen Bevölkerun­g zeigen. „Im Geiste höre ich schon die nachdrückl­ichen Forderunge­n einiger, für sie die Gaststätte für den Stammtisch sofort wieder aufzumache­n. Ihnen könne ja jetzt nichts mehr passieren“, meint sie.

Eine Meinung mit der sie nicht allein dasteht. „Neben dem Impfen kann jeder zur Bekämpfung der Pandemie beitragen. Das Einhalten von Abständen und der Hygienereg­eln ist einfach und ein wirksames Mittel zur Eindämmung. Man hat aber den Eindruck, dass sich einige nicht an die Regeln halten. Hier sind die Ordnungsbe­hörden gefordert, die Regelverst­öße zu ahnden“, schreibt Stier, der es für wichtig hält, das Krankenhau­spersonal vorrangig zu impfen, „das täglich mit viel Engagement sich der Corona-Erkrankten annimmt, und besonders durch Ansteckung gefährdet ist.“

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FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT Für die Impfungen, wie auf diesem Bild aus Stendal, ist auch vielerorts in Baden-Württember­g alles vorbereite­t. Das Problem ist nur: Weil es zu wenig Impfstoff gibt, sind die Termine rar. Außerdem beklagen Senioren, dass sie Schwierigk­eiten haben, einen Termin zu vereinbare­n.

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