Bargeld oder Karte?
So hat Corona die Zahlungsgewohnheiten verändert
- „Ich würde gerne mit Karte zahlen.“Dieser Satz ist im vergangenen Jahr noch häufiger gefallen als sonst. Durch die Corona-Pandemie haben sich die Zahlungsgewohnheiten verändert: Immer mehr Menschen zahlen mit Giro-Karte statt mit Bargeld.
Das beobachtet auch Holger Milkau, Geschäftsführer von mehreren Edeka-Filialen im Landkreis. Auch hier gibt es „zum Schutz von Kunden und Mitarbeitern“Schilder im Kassenbereich, die darauf hinweisen, möglichst mit Karte zu zahlen. Im Jahr 2019 haben 46 Prozent der Kunden bar bezahlt, 54 Prozent mit Karte. Im Jahr 2020 hat sich dieses Verhältnis verändert: Nur noch 34 Prozent griffen zum Bargeld, ganze 66 Prozent zur EC-Karte. Einen Unterschied bei dem Alter der Kunden konnte Holger Milkau dabei nicht feststellen. Auch ältere Kunden seien der Kartenzahlung gegenüber aufgeschlossen.
„Definitiv kann das ein Trend werden“, sagt Milkau und fügt hinzu: „Corona hat das nur beschleunigt.“Eine weitere Beobachtung: Das sogenannte One-Stop-Shopping gewinnt durch Corona an Bedeutung. Das bedeutet, dass Kunden versuchen, alle Einkäufe an einem Ort zu erledigen. Dazu zählt auch, dass Kunden auf den Bankbesuch verzichten und die Cashback-Funktion nutzen. Sie lassen sich also an der Supermarktkasse Bargeld auszahlen und nicht am Bankschalter. Obwohl Kunden so die Möglichkeit haben, sich mit Bargeld einzudecken, vermutet Milkau, dass die Kartenzahlung immer beliebter werden wird.
Das bargeldlose Bezahlen hat die Meisterbäckerei Schneckenburger schon vor dem Beginn der CoronaPandemie eingeführt. „Für uns ist das ein Zukunftstrend“, sagt Geschäftsführer Marc Schneckenburger, der froh ist, diese Veränderung schon im Februar des vergangenen Jahres vorgenommen zu haben. „Das Bezahlen mit Geld hat immer zu Diskussionen nach der Hygiene geführt. Das Bezahlen mit der EC-Karte – auch über das Handy – ist sicher die sauberste Art und Weise.“Zudem habe sich durch die Kartenzahlung, die schon ab dem ersten Cent möglich ist, gefühlt die Bezahlgeschwindigkeit erhöht.
Die geringe Bargeld-Menge in den Filialen – der Anteil der KartenTransaktionen hat sich von drei auf gut 25 Prozent erhöht – hat noch eine weitere Auswirkungen. „Früher gab es viele Einbrüche, weil die Leute dachten, in den Filialen liegt massenhaft Geld rum. Das ist weniger geworden.“Generell sei die Meisterbäckerei Schneckenburger kein Gegner des Bargelds. „Wir freuen uns über jeden Euro.“Die Corona-Pandemie habe den Wechsel auf das bargeldlose Bezahlen aber um drei bis vier Jahre beschleunigt.
Bedeutet das das Ende des Bargeldes? „Nein“, sagt Thorsten Tritschler. Er ist Geschäftsführer der Firma Zeiser aus Emmingen-Liptingen. Zeiser kümmert sich um Sicherheitsserialisierung von Ausweisdokumenten und auch von Geldscheinen und ist in diesem Bereich Weltmarktführer. „Die Zahlungsvorlieben haben sich zwar verändert, dennoch ist die absolute Geldmenge weltweit um 4 bis 6 Prozent angestiegen“, so Tritschler. Und sie werde künftig vermutlich weiter wachsen.
„Wir betrachten natürlich eher den globalen Markt“, erläutert Tritschler. Über drei Milliarden Menschen weltweit besitzen kein Bankkonto, diese Personen sind also auf Bargeld angewiesen. Doch auch in Deutschland ist Bargeld nach wie vor beliebt. Laut Zahlen der Europäischen Zentralbank kommt bei 77
Prozent der Transaktionen in Deutschland Bargeld zum Einsatz, berichtete die Deutsche Presseagentur. Damit liegen die Deutschen im europäischen Vergleich in der oberen Hälfte. Zum Vergleich: Die Niederländer zahlen nur in 34 Prozent der Fälle bar. Doch woher kommt die deutsche Vorliebe für Bargeld?
Das sei unter anderem der Zinspolitik geschuldet, mutmaßt Tritschler. Wenn es keinen finanziellen Anreiz gäbe, das Geld auf der Bank zu lassen, würden einige Verbraucher es auch zuhause lagern. Ein weiterer Grund könne der Datenschutz sein. „Viele fragen sich beim Bezahlen: Wo hinterlasse ich eigentlich meinen digitalen Fußabdruck?“, so der Zeiser-Geschäftsführer. Bei der Kartenzahlung werden Daten übertragen, Bargeld ist anonymer. Hinzu kommt, dass vor allem vor Corona nicht überall die notwendige Infrastruktur für Kartenzahlung vorhanden war.
Eine Veränderung im Zahlungsverhalten bemerken auch Geldinstitute wie die Kreissparkasse Tuttlingen. Von 2012 bis 2020 haben sich die Zahlungen mit Sparkassen-Karten mehr als verdoppelt, teilt ein Sprecher mit. Und auch das kontaktlose Bezahlen ist nicht erst seit Corona beliebt. Der Anteil der sogenannten Kontaktloszahlungen ist laut Pressemitteilung
seit Einführung vor zwei Jahren bereits auf über zwei Drittel gestiegen.
Das Bargeld per se das Infektionsrisiko erhöhe, weil sich auf der Oberfläche Keime sammeln würden, ist laut einer Mitteilung der Bundesbank übrigens nicht der Fall. „Euronoten sind mit einem sogenannten Coating beschichtet“, erklärt Thorsten Tritschler. Die dünne Schicht aus klarem Lack wird in der Europäischen Union auf alle Scheine aufgetragen.
Eine Entwicklung hin zu mehr Kartenzahlungen kann die Sparkasse nicht nur auf Kundenseite erkennen. Es gebe eine erhöhte Nachfrage nach Bezahlterminals. „Viele Geschäfte und Betriebe, die in der Vergangenheit noch keine Kartenzahlung angeboten haben, haben das Angebot im vergangenen Jahr schnell eingeführt“, so ein Sprecher.
Wie sich die verschiedenen Zahlungsmethoden im Detail entwickeln werden, ist noch unklar. Der Trend zur Karte ist jedoch da. Ob er die Barzahlung in den kommenden Jahren vollständig verdrängen wird, ist jedoch unwahrscheinlich. Laut EZB gaben 55 Prozent der Befragten an, dass es ihnen wichtig ist, auch in Zukunft mit Scheinen und Münzen zahlen zu können.