Wie aus einem verwaisten Kiosk die „Kischte“wurde
Innerhalb von zwei Jahren hat sich der Biergarten im Umläufle vom Geheimtipp zum Treffpunkt entwickelt
(pm) - Während die einen im Schnee Spaß haben, freuen sich andere schon wieder auf den Sommer, vielleicht auf ein kühles Bier in der „Kischte“. Denise Ilg und Daniel Stehle haben vor zwei Jahren einen neuen Treffpunkt in Tuttlingen geschaffen: die Kischte im Umläufle. Ihr Biergarten hat sich innerhalb kurzer Zeit vom Geheimtipp zu einem festen Treffpunkt entwickelt. Auf welche Schwierigkeiten sie dennoch gestoßen sind und wie sie das vergangene Jahr erlebt haben, haben sie Redakteurin Lisa Klebaum in unserer Interviewreihe „Erzählen Sie doch mal ...“erzählt.
Seit der Eröffnung im Mai 2019 ist viel Zeit vergangen. Erinnern Sie sich trotzdem noch an die erste Veranstaltung?
Denise Ilg: Klar. Als allererstes ist bei uns die Schweizer Band Smools aufgetreten. Wir waren damals natürlich etwas aufgeregt: Haben uns die Leute auf dem Schirm, klappt das mit der Technik und funktionieren die Abläufe.
Daniel Stehle: Unglaublich gut. Die Leute waren gleich von Beginn an wahnsinnig neugierig. Viele haben sich gefreut, dass endlich mal wieder jemand etwas mit dem Platz macht. Als der dann komplett gefüllt war und der erste Song mit viel Applaus zu Ende ging – da wussten wir: Der Plan geht auf. Natürlich haben wir das Potenzial dort von Anfang an gesehen – dass es aber dann so schnell so gut angenommen wurde, hat uns schon ein wenig überrascht und natürlich gefreut.
Wie sind Sie denn überhaupt auf die Location gekommen?
Denise Ilg: Ehrlich gesagt war das eher ein Zufall. Wir waren im Donaupark spazieren und haben uns darüber unterhalten, wie schön der Platz ist und wie viel man daraus machen könnte. Im Anschluss haben wir direkt bei der Stadt angefragt. Dann ging alles ziemlich schnell: Innerhalb von kurzer Zeit haben wir einen kompletten Businessplan ausgearbeitet und vorgestellt. Die Vertreter der Stadt waren überzeugt und Ende Mai ging es los.
Damals sind Sie zu zweit gestartet, wie sieht es momentan aus?
Denise Ilg: Da hat sich nichts geändert. Wir beide leiten gemeinsam die Kischte. Vergangenes Jahr hatten wir noch fünf zusätzliche Aushilfen.
Die Location ist ja sehr wetterabhängig.
Es gibt bei Regenwetter keine Ausweichmöglichkeit. Wie läuft das im Betrieb? Entscheiden Sie quasi von Tag zu Tag ob Sie öffnen?
Daniel Stehle: Generell gehen wir jeden Tag davon aus, dass wir öffnen. Morgens kontrollieren wir dann alle möglichen Wetterdienste und schauen, was der Tag so bringt. Mittlerweile haben wir aber auch wirklich ein gutes Gefühl fürs Wetter entwickelt. Ist es zu kalt oder zu regnerisch, dann teilen wir das online über Facebook und Instagram mit. Das funktioniert wirklich gut.
2020 war für alle ein wenig anders. Wie haben Sie das Jahr erlebt?
Denise Ilg: Wir waren am Anfang sehr skeptisch, wie das ganze funktionieren soll. Und als es dann hieß, dass Speisewirtschaften wieder aufmachen dürfen, haben wir uns hingesetzt und ein Hygienekonzept erarbeitet. Wir haben uns aber extra etwas länger Zeit gelassen, um das Konzept richtig auszufeilen. Im Nachhinein betrachtet, der richtige Weg.
Das heißt?
Denise Ilg: Wir haben die Abstände in der Warteschlange vor dem Kiosk eingezeichnet, die Tische auf einen Abstand von 1,5 Meter gestellt und ein System zur Registrierung etabliert. Das ganze wurde dann vom Ordnungsamt abgenommen. Auch unsere Gäste haben das vollkommen mitgetragen. Wir haben das relativ strikt gehandhabt. Das hat sich ausgezahlt, denn wir hatten viele Besucher, denen Sicherheit wichtig war. Als im Juli wieder Veranstaltungen stattfinden durften, haben wir unsere Bookings an die neuen Gegebenheiten angepasst.
Was heißt das?
Daniel Stehle: Also zum Beispiel bei der Musikwahl: Wir hatten eine Band aus Freiburg bei uns. Mit Gesang, Geige, Kontrabass und Gitarre war das wirklich ein Zuhör-Konzert. Mit der Sitzplatzpflicht ist das wunderbar aufgegangen. Wobei es wirklich mehr Aufwand war, so eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen.
Wieso?
Daniel Stehle: Es musste nochmal ein gesondertes Hygienekonzept auf die Beine gestellt werden: mit separater Voranmeldung und beschränkter Gästeanzahl – das geschah in Zusammenarbeit
mit dem Kulturverein Kukav. Wir waren dann auch bei jeder Veranstaltung bis auf den letzten Platz ausgebucht und es durfte dann auch wirklich kein weiterer Gast mehr fest aufs Gelände. Der Personalaufwand war um einiges größer: Am Einlass, an den Ausgängen, an der Registrierung brauchten wir zusätzlich Leute – das konnten wir nur stemmen, weil wir Kukav als Partner hatten.
Sie leiten ja die Kischte beide hauptberuflich. Seit Oktober ist geschlossen. Was machen Sie in der Zeit, in der kein Betrieb ist?
Denise Ilg: Wir sind in der Planung für die nächste Saison – beispielsweise was Konzerte und Veranstaltungen angeht. Außerdem möchten wir unsere Getränke- und Speiseauswahl erweitern. Die ein oder andere bauliche Maßnahme steht auch noch an.
Was war denn Ihr Highlight in der ganzen Zeit?
Denise Ilg: Da gab es viele. Allgemein aber, als wir gemerkt haben, dass wir mit der Kischte wirklich etwas Einzigartiges in Tuttlingen geschaffen haben.
Wann war der Zeitpunkt?
Daniel Stehle: Bei einer Veranstaltung im ersten Jahr. Wir hatten einen DJ gebucht und waren uns sicher, das spricht eher das jüngere Publikum an. Als dann aber die Gäste da waren, hat sich gezeigt, dass wir eine Spanne von 18 bis über 60 Jahren hatten – aus komplett unterschiedlichen Metiers. Alle haben zusammen getanzt und hatten eine gute Zeit. Das ist bis heute in Erinnerung geblieben. Da haben wir erkannt, was für einen einzigartigen Ort wir geschaffen haben.
Denise Ilg: Was uns auch immer wieder beeindruckt: Beim Mittagessen sitzen zum Beispiel Schüler mit Bankmitarbeitern Tisch an Tisch. Wir haben so ein breit gefächertes Publikum – das ist schon etwas Besonderes.