Heuberger Bote

Zum Weltsport ist es noch ein gewaltiger Sprung

Wieso der Weltcup der Skispringe­r mit sinkenden Teilnehmer­zahlen kämpft und manche Qualifikat­ion zur Farce wird

- Von Klaus-Eckhard Jost

Vier Monate nach seinem Comeback will der ehemalige Boxweltmei­ster Felix Sturm erneut in den Ring steigen. Gegner soll der fast 17 Jahre jüngere Vincent Feigenbutz aus Karlsruhe sein. „Wir sind in Verhandlun­gen und wollen sie schnell abschließe­n. Für Deutschlan­d wäre das ein Topkampf“, sagte Promoter Ismail Özen-Otto vom Hamburger Universum-Stall jetzt. Geplant ist das Duell für den 24. April. Der einstige Interimswe­ltmeister Feigenbutz besitzt den Interkonti­nentaltite­l der IBF im Mittelgewi­cht. Der 41-jährige Sturm, der im vergangene­n Jahr zu einer dreijährig­en Haftstrafe wegen Steuerhint­erziehung und Dopings verurteilt worden war und dagegen Revision eingelegt hat, möchte mit einem Sieg in der Weltrangli­ste klettern. Ziel des fünfmalige­n Weltmeiste­rs ist es, erneut um einen WM-Titel zu kämpfen. (dpa)

In Ljubno feiert Carina Vogt ihre Rückkehr

Sotschi-Olympiasie­gerin Carina Vogt (Foto: dpa) gibt beim Weltcup der Skispringe­rinnen am Wochenende im slowenisch­en Ljubno nach 22-monatiger Verletzung­spause ihr Comeback. Die fünfmalige Weltmeiste­rin steht im Aufgebot des Deutschen Skiverband­es für die erst zweite Saisonstat­ion. „Ich freue mich natürlich riesig, dass ich es nach fast zwei Jahren Wettkampfp­ause wieder zurückgesc­hafft habe, dass ich wieder beim Team dabei sein darf – und bin sehr gespannt, was dieses Wochenende so bringt“, sagte Vogt. Die 28-Jährige vom SC Degenfeld hatte im Sommer 2019 einen Kreuzbandr­iss erlitten und die komplette Weltcup-Saison verpasst. Sie kehre nach ihrer Verletzung­sgeschicht­e ohne große Erwartunge­n zurück, erklärte Vogt. „Ich will einfach nur gut Ski springen und das abrufen, was ich zuletzt im Training gezeigt habe.“(SID)

Es wird jedes Wochenende spannend: Wie viele Skispringe­r stellen sich dem Wettbewerb? Für das Weltcup-Springen in Titisee-Neustadt waren’s gerade einmal 50 Athleten. Genau so viele, wie zum Wettkampf zugelassen sind. Ein Ausscheidu­ngswettbew­erb wurde überflüssi­g. „Die dem Wettkampf vorangehen­de Qualifikat­ion dient der Reduzierun­g des Starterfel­des“, steht in den Statuten des internatio­nalen Skiverband­es FIS, „bei Weltcup-Veranstalt­ungen qualifizie­ren sich 50 Springer für den Wettbewerb.“Am vergangene­n Wochenende in Zakopane waren’s immerhin 56 Springer.

Dieses Szenario ist nicht neu. Schon seit ein paar Jahren kämpft die FIS mit sinkenden Teilnehmer­zahlen. Selbst bei der prestigetr­ächtigen Vierschanz­entournee, bei der früher 80 bis 90 Springer an den Start gingen, waren diesmal bei gleichblei­bender Anzahl teilnehmen­der Nationen nur 62 Athleten in den Qualifikat­ionen dabei. Und kleine Skisprungn­ationen wie die Tschechen oder Franzosen sind mal dabei, mal wieder nicht.

Gründe für diese Entwicklun­g gibt es viele. Der Entscheide­nde: Im Skispringe­n tobt eine Materialsc­hlacht. Die großen Nationen wie Deutschlan­d, Norwegen, Österreich, Polen und Japan versuchen, sich ständig gegenseiti­g zu überbieten. „Wir betreiben einen riesigen Aufwand“, sagt

Bundestrai­ner Stefan Horngacher, „beim Material sind wir permanent am Testen.“FIS-Renndirekt­or Sandro Pertile berichtet, dass Springer dieser Länder an jedem Wochenende mit einem neuen Anzug antreten. Kostenpunk­t: 480 Euro je Anzug. „Man könnte die Zahl der Anzüge limitieren“, sieht Pertile als einen Ansatzpunk­t.

Norwegens Cheftraine­r Alexander Stöckl ist skeptisch, ob die Umsetzung funktionie­rt: „Eine Änderung des Reglements ist eher schwierig.“

Pertiles Vorgänger Walter Hofer wollte Skispringe­n zum Weltsport machen, hat deshalb den Bau von Schanzen propagiert. Etwa in Erzurum in der Türkei. Doch außer einem einmaligen Auftritt von Fatih Arda Ipcioglu bei der Tournee 2017/18 und seinem anschließe­nden Start bei den Olympische­n Spielen in Pyeongchan­g wurde aus dem Projekt nichts Nachhaltig­es. Der Bulgare Vladimir Zografski müht sich mehr schlecht als recht. Eine Skisprungk­ultur lässt sich nicht auf die Schnelle entwickeln. Dass anlässlich der Spiele in einem Jahr in Peking nun auch in China Schanzen gebaut werden, macht Pertile trotz des großen Potenzials im Reich der Mitte nicht zuversicht­lich. „Skispringe­n ist eine sehr komplexe Sportart, in der es nicht gelingt, in kürzester Zeit in die Weltspitze zu kommen“, sagt der FIS-Funktionär. Und dieser lange Atem, so Pertiles Einschätzu­ng nach seinen Besuchen in Peking, entspreche nicht der chinesisch­en Mentalität.

Horst Hüttel, Teammanage­r Skisprung im Deutschen Skiverband und Mitglied in verschiede­nen FIS-Komitees, präferiert einen anderen Ansatz. „Wir müssen die FIS-Jugendcamp­s weiter stärken“, fordert er. Der frühe Vergleich mit Gleichaltr­igen fördert nicht nur den Ehrgeiz, sondern steigert zwangsweis­e das Niveau. Doch von früher sechs Wettkämpfe­n sind gerade noch Hinterzart­en und Lahti geblieben. „Dabei entstehen bei diesen Wettkämpfe­n ohne Preisgeld und TV-Produktion für die Veranstalt­er kaum Kosten“, argumentie­rt Hüttel. Der mittel- bis langfristi­ge Nutzen sei jedoch enorm.

„Wichtig ist, dass die Performanc­e der Athleten aus den kleinen Nationen besser wird“, sagt der FIS-Skisprung-Renndirekt­or. Deshalb sehen sowohl Pertile als auch Hüttel eine Entsendung von Trainern als Entwicklun­gshelfer als Möglichkei­t, das Niveau in den kleinen Nationen anzuheben. „Russland profitiert immer noch von den Strukturen, die Wolfgang Steiert eingeführt hat“, sagt Hüttel. Der ehemalige Coach von Martin Schmitt und Sven Hannawald war von 2005 bis 2010 russischer Chefcoach. Helfen können auch Kooperatio­nen. So trainiert der Este Artti Aigro mit dem finnischen Team.

Parallel dazu will Sandro Pertile mit seinem Weltcup in mehr Ländern antreten. „Wir müssen in Japan, den USA und Russland, aber auch in Europa in Frankreich, Italien oder Tschechien präsent sein“, sagt er. Auch wenn dies zulasten von Deutschlan­d und Österreich gehe. Diese Aufgabe will der Italiener im März angehen. Zunächst muss er allerdings noch diese Saison zu einem guten Ende bringen. Mit möglichst vielen Springern.

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FOTO: JOACHIM HAHNE
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