Überfall auf Pizzaboten im Wald: Zwei junge Männer vor Gericht
Besonders schwerer Raub als Anklage und reuige Täter
- Es hat lange gedauert, bis endlich verhandelt werden konnte gegen zwei junge Männer, die im Juni 2018 einen Pizzaboten aus Rottweil zu einer abgelegenen Hütte bei Gosheim gelockt haben sollen, um ihm seinen Geldbeutel zu rauben. Dem 68-jährigen Opfer soll einer der beiden mit Pfefferspray ins Gesicht gesprüht haben, anschließend habe er ihn getreten, so die Anklage, der Mann sei dann einen Hang hinunter gefallen. Die Beute: Über 5000 Euro besonders schwerer Raub, das wirft die Staatsanwaltschaft ihnen vor.
Der Vorsitzende Richter Karlheinz Münzer erklärte, warum es erst jetzt zum Prozess kam: Da waren zunächst die aufwändigen Ermittlungen, erst im Januar 2019 konnten die beiden Verdächtigen nach langer Überwachung festgenommen werden.
Dann platzten drei angesetzte Prozesstermine, weil Verfahrensbeteiligte verhindert waren. „Wer das Landgericht Rottweil kennt, weiß dass wir sonst weit zügiger verhandeln.“Erfreut war er darüber nicht, es sei schlecht gerade für Heranwachsende, wenn es so lange dauere.
Heranwachsend waren die beiden zur Tatzeit, der eine, Ö., jetzt 22 Jahre alt und mit türkischem Pass, der andere, S. ist heute 23 Jahre alt und
Deutscher, in Spaichingen geboren, beide sind auf dem Heuberg aufgewachsen. Und beide sind geständig, haben sich gleich nach ihrer vorläufigen Festnahme bei ihrem Opfer entschuldigt, weinend, wie sie berichteten.
Der 68-Jährige nahm die Entschuldigung nicht an – sie hätten ja schon vor ihrer Verhaftung kommen können, meinte er bei seiner Zeugenvernehmung. Er leide heute noch unter Ängsten, Essensbestellungen an abgelegene Orte liefere er nicht mehr aus. Alpträume hätten ihn geplagt, ganz abgesehen von den Schmerzen durch das Pfefferspray und die Tritte in den Oberkörper.
Auslöser der Tat war bei Ö. akuter Geldmangel, bei S. spielte Rache eine große Rolle: Er hatte 'mal bei der Pizzeria gearbeitet, habe beim Ausliefern einen Reifenplatzer gehabt, danach hätte ihn der Chef gezwungen, Versicherungsbetrug zu begehen. Sein jüngerer Mitangeklagter lebte nach der Trennung der Eltern alleine im Haus, der Vater war ausgezogen, die Mutter in die Türkei gereist, die ältere Schwester besuchte die Meisterschule in Karlsruhe, er selbst verdiente als Azubi wenig. Vorangegangen war, wie er erzählte, eine schlimme Zeit in der Familie, in der die Eltern ständig stritten und die Kinder miteinbezogen. Das Geld aus dem Raub habe er zum Überleben gebraucht.
Die Tat hätten sie zwei, drei Tage vorher geplant, seien herumgefahren, hätten sich dann für die Hütte oberhalb des Sportplatzes entschieden. Die Idee habe S. gehabt, da er wusste, dass die Pizzaboten oft viel Geld dabei hatten. Schließlich bestellten sie eine Partypizza, Getränke und mehr, das übernahm S. mit verstellter Stimme und Akzent, um von den ehemaligen Kollegen nicht erkannt zu werden, die Nummer habe er unterdrückt, erzählte er.
Später rief er erneut an, um nachzufragen, wann die Pizza geliefert werde, dem Boten wurde dann gesagt, dass beim Kreisverkehr am Sportheim jemand auf ihn warte, der ihm dann den Weg zur Hütte – hier finde eine Geburtstagsparty statt – zeige. Das war Ö., er sei dann eingestiegen, man sei zur Hütte gefahren, wo der 68-Jährige die Wärmebox aus dem Kofferraum holte. S., der sich den Pullover über den Mund gezogen habe, sei dann auf ihn losgegangen und habe ihm das Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. S. selbst sagte, er habe den Mann nicht angegriffen, sondern sich nur gewehrt – eine Sache, die das Gericht dem ehemaligen Kickboxer nicht recht abnahm.
Der Pizzabote wiederum berichtete, wie er noch versucht habe, sich mit dem Deckel der Box zu wehren. Er sei den Hang hinuntergefallen. Dann habe er versucht, den Geldbeutel im hohen Gras zu verstecken, die Polizei zu rufen. S. habe ihm das Handy weggenommen, die Taschenlampe eingeschaltet und schließlich den Geldbeutel gefunden.
Er selbst sei zum Auto geflüchtet, doch den Schlüssel hatte er verloren, ebenso seine Schuhe. Barfuß sei er zur Straße gelaufen, habe versucht, ein Auto anzuhalten, um Hilfe zu holen, was ihm schließlich auch gelang. Er wurde später ins Krankenhaus gebracht. Die Berichte des Opfers und der beiden Angeklagten stimmten im Großen und Ganzen überein, auch darin, dass Ö. seine Rolle gut spielte. Er habe, als S. auf den Boten losging, „Wer bist Du?“und dann um Hilfe gerufen. Die beiden liefen dann zum BMW von Ö., den sie auf einem Waldweg versteckt hatten, die Box mit dem Essen nahmen sie mit ebenso wie das Handy des Opfers. Man habe dann das Auto vollgetankt und bei Ö. zuhause das Geld geteilt – mehr, als sie erwartet hatten, über 5000 Euro fanden sie darin.
Beide betonten, wie sehr sie die Tat bereuten, Ö. habe Alpträume gehabt, und dass sie ihr Leben in den Griff bekommen hätten. Bei S., der ein recht umfangreiches Vorstrafenregister hat, sorgten wohl Frau und die nach der Tat geborene Tochter für Besserung. Seine Frau habe ihn schwanger verlassen, als sie von dem Überfall erfuhr, er habe bei der Geburt nicht dabei sein dürfen. Inzwischen hätten sie sich wieder angenähert und planten, zusammenzuziehen, falls er Bewährung bekomme.
Gute Perspektiven diagnostizierte ihm auch seine Bewährungshelferin: Er bemühe sich sehr und habe auch selbstständig einen Job gesucht, was bei ihren Klienten in dem Alter selten vorkomme. Ö. wiederum hat den dritten Anlauf auf seine Ausbildung gemacht, steht kurz vor dem Abschluss und soll übernommen werden. Sein Ausbilder habe ihm gesagt, er habe das Zeug, schnell Abteilungsleiter zu werden, erzählte er. Auch seine Schwester betonte im Zeugenstand, dass er sich gut entwickelt habe, hilfsbereit sei, man gut im Haus zusammenlebe.
Beiden droht eine Gefängnisstrafe, das Urteil wird am Freitag verkündet.