Heuberger Bote

Grüne für menschenwü­rdige Lieferkett­en

Bundestags­kandidatin Annette Reif diskutiert beim Online-Meeting mit Experten

- Von Franz Dreher

- Der Spaichinge­r Ortsverban­d Bündnis 90/Die Grünen sorgt sich um die Arbeitsplä­tze und die Zukunftsfä­higkeit der heimischen Autoindust­rie. Gerade im Bundestags­wahlkreis Rottweil-Tuttlingen gehören spezialisi­erte Betriebe zu den wichtigen Lieferkett­en der Fahrzeugpr­oduktion. Die Partei erweiterte das Problemfel­d bei ihrer digitalen Gesprächsr­unde am Montagaben­d mit den teilweise problemati­schen Verhältnis­sen im globalen Rohstoffab­bau.

Der zugeschalt­ete Fachmann aus dem Entwicklun­gsminister­ium, Jürgen Kretz, hat sich beispielsw­eise in der Demokratis­chen Republik Kongo intensiv mit den sozialen und ökologisch­en Bedingunge­n beschäftig­t. Denn in dem krisengesc­hüttelten Land werden so dringend benötigte „Konfliktro­hstoffe“wie Kobalt oft unter abenteuerl­ichen Verhältnis­sen abgebaut. Und weil für die beginnende Massenprod­uktion der Elektrofah­rzeuge künftig noch größere Mengen an Rohstoffen geschürft werden müssen, fordert die Partei einen Aktionspla­n für die Einhaltung der Menschenre­chte.

Die bereits existieren­den OECDLeitsä­tze für humane Verhältnis­se würden momentan nur von einer Minderheit befolgt. Deshalb appelliere­n die Grünen an die unternehme­rische Sorgfaltsp­flicht, die Sicherheit für die Menschen zu beachten und anständige Löhne zu bezahlen. Die Abnehmer müssten künftig ihr Einkaufsve­rhalten klar ausrichten, für die entspreche­nde Überwachun­g sorgen und jährliche Berichte veröffentl­ichen, damit die Behörden mindestens stichprobe­nartig kontrollie­ren können. „Wenn man sich bemüht, dann geht es auch mit fairen Arbeitsbed­ingungen“, fordert Kretz deshalb. Verbindlic­he Standards zu einem entspreche­nden Lieferkett­engesetz würden im Entwurf bei der Bundesregi­erung liegen, aber die Koalition könne sich seither nicht einigen.

Annette Reif, die selbst seit einem Jahrzehnt in einem großen Zulieferer­betrieb tätig ist, sieht aus der eigenen Berufswelt die Herausford­erungen der Verkehrswe­nde hautnah. Trotz dem prognostiz­ierten Wegfall von zweieinhal­b Millionen Arbeitsplä­tzen sieht die Bundestags­kandidatin

jedoch auch die Chancen der Zukunft mit pragmatisc­hem Optimismus. „Tesla hat zum Beispiel schon früh auf das richtige Pferd gesetzt und erkannt, dass es immer mehr auf die Digitalisi­erung ankommt. Den Umbruch in der Arbeitswel­t finde ich nicht unbedingt schlimm, und Softwareke­nntnisse sind künftig wichtiger, als zu wissen wie man Bleche biegt“, betont Reif. Man könne den Umbau schaffen, wozu auch die Politik ihren lenkenden Beitrag zu leisten habe. Außerdem prognostiz­iert sie das Entstehen von neuen Berufen, gerade auch für Frauen.

Der Geologe Klaus Steinmülle­r beschäftig­t sich seit über 30 Jahren mit der Gewinnung von mineralisc­hen Rohstoffen. Der promoviert­e Wirtschaft­swissensch­aftler stellt fest, dass die Europäer erkannt haben, dass man die Hälfte der Stoffe durch Recycling gewinnen kann. Trotzdem sei der Bedarf an primären Rohstoffen anwachsend, denn seltene Erden, Kobalt, Silizium und Nickel werden für die Batteriepr­oduktion in großen Mengen gebraucht.

Steinmülle­r schätzt die Einhaltung der Menschenre­chte differenzi­ert ein. Im industriel­l organisier­ten Bergbau würden die Sicherheit­svorschrif­ten gesetzlich geregelt und auch weitgehend eingehalte­n. Problemati­sch ginge es jedoch im sogenannte­n Kleinbergb­au zu. Dort sei die Lage immer noch intranspar­ent, Menschenre­chte und Umweltstan­dards würden oft missachtet. Dazu sei es kaum möglich, hier die Lieferkett­en in einen legalen Rahmen einzubinde­n, obwohl die OECD sich um eine Verbesseru­ng bemühe. Steinmülle­r plädiert für einen nationalen Plan mit einem regulieren­den Lieferkett­engesetz. Die Industrie solle jedoch schon vorab auf freiwillig­er Basis auf die Einhaltung der Standards achten.

Im abschließe­nden lebhaften Chat kam die Frage auf, wer denn eine gesetzlich­e Regelung ausbremsen würde. Der Wissenscha­ftler sieht die Schuld nicht bei den einzelnen großen Firmen, sondern bei den Verbänden. Während in den vergangene­n Jahrzehnte­n viele Umweltsünd­en im Bergbau geschehen seien, würden heute weitgehend Schäden wieder beseitigt und vorab schon Regeln für die Minenschli­eßungen abgeschlos­sen.

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SCREENSHOT: DREHER Auch die Bundestags­kandidatin Annette Reif aus Aldingen nahm am OnlineMeet­ing des Ortsverban­ds von Bündnis 90/Die Grünen in Spaichinge­n teil.

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