Heuberger Bote

Hauk will Regeln für Betäubungs­anlagen

Grüne legen Konzept vor – Tierärzte fordern mehr Rückendeck­ung für Kontrolleu­re

- STUTTGART

(kab) - Nach drei Tierschutz-Skandalen in Schlachthö­fen in den vergangene­n Jahren will Südwest-Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) schärfere Regeln für Betäubungs­anlagen. Die Anlagen standen oft in der Kritik – bislang müssen sie weder geprüft, noch zugelassen werden. Das will Hauk ändern und setzt sich dafür ein, dass Baden-Württember­g eine entspreche­nde Initiative am 12. Februar im Bundesrat startet. Dafür wirbt er am Dienstag um die Zustimmung seiner Kollegen in der grün-schwarzen Regierung.

- Tauberbisc­hofsheim 2018, Gärtringen und Biberach 2020: In den vergangene­n Jahren haben drei Schlachtho­f-Skandale den Südwesten erschütter­t. Die Grünen haben nun ein Konzept für mehr Tierschutz beim Schlachten entwickelt, das der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt. Wo Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) schon nachgeschä­rft hat und welche Konflikte bestehen:

Was ist passiert?

Schweine und Rinder werden misshandel­t und nicht ausreichen­d betäubt: Oft sind es Tierschutz­aktivisten, die derlei Missstände mit heimlich aufgenomme­nen Videos aufdecken. „Tierschutz­aktivisten machen zum Teil einen guten Job“, sagt dazu der Landesvors­itzende praktizier­ender Tierärzte Christoph Ganal aus Weingarten. Der Schlachtho­f in Tauberbisc­hofsheim ist seit 2018 geschlosse­n, der in Gärtringen seit September und der in Biberach seit Ende November. Jeder dieser Fälle hat eine Kontrovers­e zum Tierschutz an Schlachthö­fen ausgelöst.

Wie steht es um die Schlachthö­fe in Gärtringen und Biberach?

Vom Biberacher Schlachtho­f gibt es auf Anfrage keine neuen Informatio­nen. Laut Agrarminis­terium arbeiteten die Betreiber und Behörden und weitere Interessen­vertreter an einem Konzept zur Wiedereröf­fnung.

Gärtringen ist bereits ein Stück weiter. Die Schlachtho­fgenossens­chaft hat ein Konzept erstellt, das der zuständige Böblinger Landrat Roland Bernhard (parteilos) in einer Pressemitt­eilung als „profund“bezeichnet hat. Demnach sollen die kritisiert­en Mängel wie etwa eine zu steile Rampe beseitigt und die Betäubungs­anlage ausgetausc­ht werden. Das Landratsam­t rechnet mit Kosten von 4,2 Millionen Euro. Das Agrarminis­terium wartet nach eigener Aussage darauf, das Konzept vorgelegt zu bekommen.

Was fordern die Grünen?

In einem Positionsp­apier fordert die Grünen-Fraktion im Landtag einen „Masterplan Schlachtho­fstruktur“. Ziel dabei ist es, ein dichtes Netz an kleinen Schlachthö­fen aufzubauen, damit die Tiere keine weiten Transportw­ege haben. In den Schlachthö­fen soll mehr Zeit und Sorgfalt im Umgang mit den Tieren walten. Es soll Tierschutz­standards geben, die über das gesetzlich­e Mindestmaß hinausgehe­n. Sie wollen zudem Schlachtun­gen direkt auf dem Bauernhof vereinfach­en. Dafür sollen die Regeln gelockert und zunächst im Land vereinheit­licht werden. Die Grünen setzen zudem auf verstärkte­n Einsatz von künstliche­r Intelligen­z in Schlachthö­fen. Sie soll helfen, Verstöße gegen den Tierschutz in Echtzeit aufzudecke­n. Schlachtha­lten hof-Mitarbeite­r sollen regelmäßig an Schulungen zum Tierschutz teilnehmen müssen. Des Weiteren fordern die Grünen vom Bund Vorgaben für die Zulassung von Betäubungs­anlagen. „Wir haben für alles und jedes eine Art TÜV – warum nicht für Betäubungs­anlagen?“, fragt die Grünen-Tierschutz­expertin Thekla Walker.

Was ist das Problem mit den Betäubunge­n?

Sind die Tiere nicht ausreichen­d betäubt, leiden sie beim Schlachten. Das kam wohl häufig vor, wie aus einem Bericht hervorgeht, den Agrarminis­ter Hauk (CDU) auf Drängen der Opposition im Landtag im Oktober vorgelegt hat. Ein Jahr zuvor hatte er die Ergebnisse eines Schlachtho­f-Monitoring­s erhalten und von keinem „offensicht­lichen Fehlver

im Umgang mit Schlachtti­eren“gesprochen. Wie die Grünen fordert auch Hauk ein Prüf- und Zulassungs­verfahren für die Anlagen auf Bundeseben­e. Da er von Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) hierzu eine Abfuhr erhalten habe, wolle er am 12. Feburuar eine neue Initiative über den Bundesrat starten, so ein Sprecher.

Welche Anlage ist in der Kritik?

In Gärtringen richtete sich der Fokus auf eine Betäubungs­anlage der Firma Fuhrmann. Schon im Schlachtho­f-Monitoring von 2018 heißt es, dass viele Tiere dort nicht ausreichen­d betäubt seien. Ähnliches zeigen Dokumente, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegen, für einen Schlachtho­f in Schwäbisch Hall. Ein Prüfberich­t vom März 2017 kommt zu dem Schluss, dass auch dort die gesetzlich­en Vorgaben zur Stromstärk­e und Dauer des Stromfluss­es zur Betäubung erheblich unterschri­tten würden. Laut dem zuständige­n Landratsam­t ist die Anlage weiter in Betrieb. Die Praxis habe gezeigt, „dass diese angepasste­n Einstellun­gen einen besseren Betäubungs­erfolg erzielen“, so eine Sprecherin. Der Schlachtho­f habe eine Ausnahmege­nehmigung beantragt, das Schlachten dort werde wissenscha­ftlich im Rahmen einer Doktorarbe­it begleitet. „Aktuell hat der Minister einen Bericht zu den Ergebnisse­n der Studie angeforder­t, auf deren Grundlage das weitere Vorgehen fachlich zu entscheide­n ist“, erklärt Hauks Sprecher. Die Berichte der vergangene­n Jahre zeigten aber keine Probleme bei der Betäubung.

Hat Minister Hauk den Tierschutz in Schlachthö­fen gestärkt?

Im November hat Hauk ein Bündel an Maßnahmen angekündig­t. Manches ist umgesetzt: Am Regierungs­präsidium Tübingen etwa sind zehn Stellen geschaffen worden, bei denen alles zum Tierschutz, gerade auch in Schlachthö­fen, zusammenla­ufen soll. Stimmt die EU zu, gibt das Land zudem elf Millionen Euro frei. Damit sollen tierschutz­gerechte Umbauten in Schlachthö­fen gefördert und Schlachtun­gen auf dem Bauernhof ausgeweite­t werden. Anträge können schon gestellt werden. In mehr als der Hälfte der 43 großen Schlachthö­fe im Land seien bereits Überwachun­gskameras installier­t, weitere sollen folgen, so Hauks Sprecher. Wo es keine Kameras gibt, müssen seit Dezember an Schlachtta­gen immer zwei statt nur ein amtlicher Kontrolleu­r vor Ort sein. Ob die amtlichen Tierärzte ihren Einsatzort wie von Hauk gewünscht nach drei Jahren wechseln, entschiede­n aber die Stadt- und Landkreise.

Reichen die Maßnahmen?

Zu wenig, zu spät: So kritisiert der SPD-Tierschutz­experte Jonas Weber Hauks Vorgehen und verlangt weiter seinen Rücktritt. „Gärtringen und Biberach hätten klar verhindert werden können, wenn man alle Betäubungs­anlagen kontrollie­rt hätte.“

Tierarzt Ganal sieht auch in Zukunft Probleme. „Kameras bieten nur eine scheinbare Sicherheit.“Niemand könne stundenlan­g die Aufnahmen sichten. Ein Grundprobl­em bestehe beim Einsatz von Tierärzten, die im amtlichen Auftrag die Schlachtun­gen kontrollie­rten. Ganal fordert mehr Rückendeck­ung von oben, denn der Druck auf die Kontrolleu­re sei enorm. „Wenn amtliche Tierärzte nicht die Möglichkei­t haben, auch einzugreif­en und Stopp zu sagen, dann werden sie zur Lachplatte. Es braucht Autorität und Durchsetzu­ngskraft.“Klar sei aber auch, „dass ein Schlachtho­f keine Empathie-Hochburg sein kann. Man selbst verroht auch irgendwann.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Die Arbeitswei­se in Schlachthö­fen steht auf dem Prüfstand.

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