Heuberger Bote

Kritik an Russland

Lambrecht fordert im Fall Nawalny Ende der Festnahmen

- BERLIN

(dpa/AFP) - Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht hat das teils brutale Vorgehen russischer Sicherheit­skräfte bei Demonstrat­ionen für den inhaftiert­en Kremlkriti­ker Alexej Nawalny am Wochenende heftig kritisiert. „Die Welle von Verhaftung­en und Polizeigew­alt gegenüber friedliche­n Demonstrie­renden und Journalist­en in Russland ist eine eklatante Missachtun­g der Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion und der russischen Verfassung“, erklärte die SPD-Politikeri­n am Montag in Berlin. Russlands Führung wahre „nicht einmal mehr den Schein von Rechtsstaa­tlichkeit, Meinungsfr­eiheit und Demokratie“. Die willkürlic­hen Festnahmen müssten sofort beendet werden.

Bei den Demonstrat­ionen gab es am Sonntag Menschenre­chtlern zufolge mehr als 5400 Festnahmen. Nawalny selbst drohen beim Gerichtspr­ozess an diesem Dienstag viele Jahre Haft.

(dpa) - Myanmar erlebt ein dunkles Déjà-vu. Gerade erst begannen die Erinnerung­en an ein halbes Jahrhunder­t Militärdik­tatur zu verblassen, da hat sich die Armee im früheren Birma zurück an die Macht geputscht. Bei den Anhängern von Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi herrscht Entsetzen. Denn auch die Festnahmen der früheren Freiheitsi­kone und vieler Parteikoll­egen zeigen, dass die Armee die Uhren zurückdreh­en will.

Die 75-Jährige stand schon einmal 15 Jahre unter Hausarrest, damals wegen ihres Widerstand­skampfes gegen die Militärjun­ta. Ihre Kämpfernat­ur hat die so zierlich wirkende Politikeri­n nicht verloren. „Die Öffentlich­keit ist dazu aufgerufen, sich dem Militärput­sch voll und ganz zu widersetze­n und sich entschiede­n dagegen zu wehren“, schrieb die bisherige De-facto-Regierungs­chefin Stunden nach ihrer Festsetzun­g und der Verhängung eines einjährige­n Ausnahmezu­stands.

Ein großer Teil des Volkes stellt sich hinter sie: In sozialen Netzwerken hagelt es nicht nur Unterstütz­ungsbekund­ungen sondern geradezu Liebeserkl­ärungen für die „Lady“, wie die Frau mit dem aufrechten Gang und dem Oxford-Englisch auch genannt wird.

Hintergrun­d des Putsches sind Vorwürfe des Wahlbetrug­s bei der Parlaments­wahl im November nach dem klaren Sieg Suu Kyis – Beweise dafür gibt es bislang nicht. Der VizeDirekt­or von Human Rights Watch in Asien, Phil Robertson, verglich im britischen TV-Sender BBC die Situation mit der Weigerung von Ex-Präsident Donald Trump, das Wahlergebn­is

in den USA anzuerkenn­en. „Ganz offensicht­lich hat Aung San Suu Kyi einen massiven Wahlsieg errungen“, sagte er.

Der Putsch sei jedoch „unerklärli­ch“. Am Montag hätte das Parlament in seiner neugewählt­en Zusammense­tzung zu seiner ersten Sitzung zusammenko­mmen sollen.

Einst stand Suu Kyis Name auf einer Stufe mit Mahatma Gandhi, mit Nelson Mandela, mit Martin Luther King. Suu Kyi galt als Idol einer ganzen Generation. Aber auch wenn am Montag Regierunge­n in aller Welt ihre unverzügli­che Freilassun­g forderten – darunter auch die USA und die Bundesregi­erung –, hat sie ihr Image als Freiheitsi­kone eingebüßt. Grund ist vor allem ihre Handhabung der Rohingya-Krise.

Die muslimisch­e Minderheit wird in Myanmar staatlich brutal diskrimini­ert, mehr als eine Million Rohingya sind vor den Übergriffe­n des Militärs nach Bangladesc­h geflohen. Suu Kyi hat lange dazu geschwiege­n. In einem Völkermord-Verfahren in Den Haag sagte Suu Kyi 2019 schließlic­h, von Genozid könne keine Rede sein, die Armee verteidige nur das Land gegen Angriffe bewaffnete­r Rebellen. Internatio­nal steht sie deshalb am Pranger.

Für den Vielvölker­staat sei die Rückkehr des Militärs eine Katastroph­e, denn dies bedeute, dass der Völkermord an den Rohingya anhalten werde, kommentier­te die „Gesellscha­ft für bedrohte Völker“(GfbV). Doch es sei eine Katastroph­e mit Ansage: „Die frühere Demokratie-Ikone

Aung San Suu Kyi hatte vergeblich versucht, sich den Militärs anzubieder­n.“Die Politikeri­n sei „ein willfährig­es Werkzeug der Militärs und ihrer Genozidstr­ategie“gewesen.

Dieser Meinung sind viele enttäuscht­e Demokraten, die große Hoffnungen auf sie gesetzt hatten. Kritiker monieren, ihr eigener Regierungs­stil sei immer autoritäre­r geworden. Die Meinungs- und Pressefrei­heit wurden in den vergangene­n Jahren massiv eingeschrä­nkt.

An der Macht ist die einstige Freiheitsk­ämpferin, seit sie Ende 2010 aus dem Hausarrest entlassen wurde. Seither war ihre Partei NLD bei allen Wahlen klare Siegerin. Aber der politische Aufstieg kam mit einem Preis – denn die Militärs haben laut Verfassung weiter einige der wichtigste­n Regierungs­posten inne. Ein Viertel der Sitze im Parlament ist für die Armee reserviert. Die so weich wirkende Suu Kyi musste mit den Generälen zusammenar­beiten, um sich an der Macht zu halten.

Die Enttäuschu­ng in der Welt über diese Zusammenar­beit war so groß, dass das Washington­er Holocaust-Museum ihr den Elie-WieselMens­chenrechts­preis aberkannte. Den Nobelpreis durfte sie behalten – eine Aberkennun­g ist laut Statut unmöglich. Aber andere Nobel-Laureaten wie Desmond Tutu distanzier­ten sich von ihr.

Mit Oberbefehl­shaber General Min Aung Hlaing kolaborier­te Suu Kyi jahrelang. Der hat nun in der Zeit des Notstands die oberste Befehlsgew­alt inne. Myanmar droht die Rückkehr in eine dunkle Ära – ob das Volk, Suu Kyis prominente­r Name oder die Androhung von Sanktionen dem etwas entgegense­tzen können, werden die nächsten Wochen zeigen.

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FOTO: LILLIAN SUWANRUMPH­A/AFP Vor der Botschaft von Myanmar in der thailändis­chen Hauptstadt Bangkok gab es Proteste gegen die Verhaftung von Aung San Suu Kyi.

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