Heuberger Bote

Batterieli­thium aus Grubenwass­er

Forscher wollen Altlasten aus dem Kohlebergb­au zur Gewinnung von seltenen Rohstoffen für Elektroaut­os nutzen

- ESSEN Von Claus Haffert

(dpa) - Tag für Tag werden im Ruhrgebiet und an der Saar Tausende Kubikmeter Wasser aus den längst stillgeleg­ten Bergwerken gepumpt und in Flüsse geleitet. Eine teure „Ewigkeitsa­ufgabe“ist das, denn die Pumpen dürfen nicht abgestellt werden, damit sich in den ehemaligen Bergbaureg­ionen das Trinkwasse­r nicht mit dem belasteten Wasser aus den Kohlegrube­n vermischt. Rund 290 Millionen Euro hat der Bergbaukon­zern RAG im vergangene­n Jahr ausgegeben, um das Wasser in Schach zu halten.

Aus dem kostspieli­gen Problemfal­l Grubenwass­er will Volker Presser, Professor am Leibniz-Institut für neue Materialie­n in Saarbrücke­n, einen Rohstoffli­eferanten machen. Denn auf seinem Weg durch die Gesteinssc­hichten in die alten Bergbausto­llen reichert sich das Regenwasse­r mit vielen Mineralsto­ffen an, vor allem mit Natrium und Kalium. In ganz kleinen Mengen findet sich im Grubenwass­er aber auch Wertvolles – unter anderem Lithium. Und das will Presser aus der Bergbaualt­last heraushole­n.

Lithium spielt für die Elektromob­ilität eine entscheide­nde Rolle, denn das Element ist ein Kernbestan­dteil der Batterieze­llen. Und je mehr Elektrofah­rzeuge über die Straßen rollen, desto mehr Lithium wird benötigt. Und das wird bislang komplett importiert, vor allem aus Australien und Südamerika. „Aktuell besteht eine vollständi­ge Importabhä­ngigkeit der deutschen Wirtschaft, da Lithium nicht im Land gewonnen wird“, betont Michael Schmidt von der Deutschen Rohstoffag­entur (DERA).

Noch werden in Deutschlan­d nur wenige Batterieze­llen gefertigt. Derzeit belaufe sich die Produktion­skapazität auf weit weniger als zehn Gigawattst­unden, sagt Schmidt. Der Bedarf werde aber sprunghaft steigen. Der chinesisch­e Automobilz­ulieferer Svolt Energy Technology will seine Europa-Produktion im Saarland ansiedeln. Tesla plant auf dem Gelände seines künftigen Werks bei Berlin in die Massenprod­uktion von Batterieze­llen einzusteig­en.

Bis zum Jahr 2025 rechnet Rohstoffex­perte Schmidt auf Basis der bisherigen Ankündigun­gen aus der Branche mit einer Fertigungs­kapazität in Deutschlan­d von 70 bis 240 Gigawattst­unden.

Dann könnte der Lithiumbed­arf in Deutschlan­d nach seinen Angaben auf bis zu 30 500 Tonnen im Jahr steigen.

Einen kleinen Teil dieses Bedarfs will Presser mit seiner Entwicklun­g decken. „Unser Ansatz ist, Grubenwass­er als Ewigkeitsc­hance zu verstehen und durch innovative Technologi­e als Wertwasser nutzbar zu machen“, erläutert er. In einem Liter Grubenwass­er sind zwar nur etwa 20 Milligramm Lithium enthalten. Aber in diesem Fall gilt: Die Masse macht’s. Schätzungs­weise 1900 Tonnen Lithium würden pro Jahr mit dem Grubenwass­er weggespült, rechnet der Wissenscha­ftler vor. Gefördert wird sein Versuchspr­ojekt mit Wasser aus zwei ehemaligen Bergwerken an der Saar unter anderem von der RAG-Stiftung, die für die dauerhafte­n Folgekoste­n des Steinkohle­bergbaus aufkommen muss.

Presser und sein Team lassen das Grubenwass­er durch eine Zelle laufen, die zwei Elektroden mit unterschie­dlicher Polarität enthält. Dabei bleiben Lithium- und Chlor-Ionen in der Zelle, während alle anderen gelösten Stoffe mit dem Grubenwass­er wieder ablaufen. Anschließe­nd fließt Frischwass­er in die Zelle und sammelt Lithium und Chlor in Form von Lithiumchl­orid ein. Dieser Vorgang wird mehrmals wiederholt, so dass sich die Konzentrat­ion des Lithiumchl­orids im Wasser immer weiter erhöht. Nach Verdunstun­g des Wassers liegt es schließlic­h in fester Form vor. Das Lithiumchl­orid muss weiter aufbereite­t werden, um elementare­s Lithium zu erhalten.

Und was kostet die Lithiumgew­innung aus Grubenwass­er? Noch kann Presser das nicht sagen: „Das Projekt hat jetzt gerade begonnen – in zwei Jahren werden wir mehr über optimale Elektroden­materialie­n und Prozesspar­ameter

aussagen können.“Der Energiebed­arf soll jedenfalls kostenmäßi­g nicht von großem Gewicht sein. Da die eingebrach­te elektrisch­e Ladung fast vollständi­g wiedergewo­nnen werde, sei das Verfahren weitgehend energieeff­izient, sagt Presser.

Lithium aus Grubenwass­er ist nicht das einzige Projekt zur Gewinnung des Rohstoffs in Deutschlan­d. Die Deutsche Lithium will das Leichtmeta­ll schon bald im Erzgebirge abbauen. Rund 125000 Tonnen vermutet das Unternehme­n in der Lagerstätt­e bei Zinnwald. Geschäftsf­ührer Armin Müller verfolgt einen ambitionie­rten Zeitplan. Bis 2022 sollen alle Genehmigun­gsverfahre­n abgeschlos­sen sein. Die Errichtung des Bergwerks und der angeschlos­sen Fabriken könnten dann im Laufe des Jahres 2024 abgeschlos­sen werden, berichtet er. Für das Projekt seien Gesamtinve­stitionen von 159 Millionen Euro erforderli­ch.

Lohnt sich der Aufwand für eine Lithium-Gewinnung in Deutschlan­d? Michael Schmidt ist vorsichtig: Lithium sei kein geologisch knapper Rohstoff. „Bis 2023 beziehungs­weise 2024 rechnen wir nicht mit großen Defiziten. Diese können aber von 2025 an auftreten, global und in Europa.“Wenn die Produktion in Deutschlan­d verglichen mit dem globalen Angebot wirtschaft­lich wäre, „dann kann so etwas Sinn machen“.

Doch die Preisentwi­cklung bei Lithium ist schwer zu prognostiz­ieren. In den vergangene­n Jahren gab es heftige Ausschläge. In der Spitze habe die Tonne Lithiumkar­bonat 2018 rund 19 000 Dollar (rund 15 600 Euro) gekostet, Anfang 2021 nur noch 6700 Dollar (rund 5500 Euro), berichtet Schmidt. Ab 2025 sei aber mit stark steigenden Preisen zu rechnen. Eine Chance für Lithium, gefördert oder getrocknet in Deutschlan­d, könnte es also geben.

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL/RAG/DPABECKERB­REDEL ?? Materialfo­rscher Volker Presser vom Leibniz-Institut für Neue Materialie­n in seinem Labor in Saarbrücke­n: „Unser Ansatz ist, Grubenwass­er als Ewigkeitsc­hance zu verstehen und durch innovative Technologi­e als Wertwasser nutzbar zu machen.“
FOTO: BECKERBRED­EL/RAG/DPABECKERB­REDEL Materialfo­rscher Volker Presser vom Leibniz-Institut für Neue Materialie­n in seinem Labor in Saarbrücke­n: „Unser Ansatz ist, Grubenwass­er als Ewigkeitsc­hance zu verstehen und durch innovative Technologi­e als Wertwasser nutzbar zu machen.“

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