Filmschaffende kritisieren Bruch mit Helga Reichert
Prominente Unterzeichner eines Offenen Briefes fordern die Rückkehr zu den Wurzeln der Filmfestspiele Biberach
(gem/kawa) - Filmschaffende haben sich in einem Offenen Brief an Biberachs Oberbürgermeister und den Gemeinderat sowie an Mitglieder und Vorstand des Vereins der Biberacher Filmfestspiele gewandt. Der Grund ist ein sich zuspitzender Konflikt um die Intendanz der über die Region hinaus bekannten Festspiele. Denn Helga Reichert, die Ehefrau des Festivalgründers Adrian Kutter, steht nicht mehr als Intendantin zur Verfügung. Das hatte sie Mitte Januar mitgeteilt. Die Vorstandschaft des Vereins, der die Filmfestspiele organisiert, betonte nun in einer Reaktion auf den Brief, dass Reichert nicht auf Kompromissvorschläge eingegangen sei. Zudem bedeute das vom Verein angedachte Video-On-Demand-Angebot kein Verzicht auf die bei Publikum und Filmschaffenden so beliebten Präsenzveranstaltungen, sondern nur eine behutsame Modernisierung.
„Für uns ist der Slogan ,Familientreffen deutscher Filmemacher’ nicht nur Slogan, sondern eine über Jahrzehnte gewachsene Auszeichnung und Beschreibung der Biberacher Filmfestspiele“, heißt es in dem Offenen Brief, den 104 Produzenten, Regisseure und Schauspieler unterzeichnet haben. Darunter sind bekannte Namen wie die der Schauspieler Klaus-Maria Brandauer, Senta Berger, Eva Mattes, Anna Maria Mühe, Marianne Sägebrecht, Walter Sittler und Katharina Wackernagel sowie von Regisseuren wie Werner Herzog, Tom Tykwer, Michael Verhoeven oder die in Biberach aufgewachsenen Christoph Schrewe und Julian Cohn. Starke Geschütze also werden von den Initiatoren des Briefs, dem Produzent Daniel Reich, den Regisseuren Annette Ernst und Douglas Wolfsperger sowie Dieter Krauß, ehemals Mitglied der Geschäftsleitung der MFG Medienund Filmgesellschaft BadenWürttemberg, aufgefahren. Sie alle sehen Helga Reichert als kompetente Nachfolgerin von Adrian Kutter, der vor zwei Jahren das Zepter an sie abgegeben hat.
Der Punkt, der letztlich neben anderen Differenzen zum Bruch zwischen Helga Reichert und dem ehrenamtlichen Vorstand der Filmfestspiele geführt hat, war ein Video-OnDemand-Angebot, das der Verein geplant hat. Reichert lehnte ein solches Angebot ab. Auch in dem Offenen Brief ist davon die Rede, dass vor allem die Begegnungen zwischen Publikum und Filmschaffenden die Biberacher Filmfestspiele so einzigartig machten.
Biberachers Oberbürgermeister Norbert Zeidler, der die Stadt im Vereinsvorstand vertritt, bedauerte auf
Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“, dass Helga Reichert seinem Kompromissvorschlag nicht zugestimmt habe. Demzufolge sollte die Mitgliederversammlung am 30. März über das Video-On-DemandAngebot entscheiden, was Reichert aber ablehnte. Zudem wies Zeidler darauf hin, dass das Filmfestival von Adrian Kutter initiiert und aufgebaut worden sei, heute aber von einem Team getragen werde.
Der Vereinsvorstand der Filmfestspiele äußerte sich auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“am Montagabend noch zu dem Offenen Brief. In der Stellungnahme betont die fünfköpfige Vorstandschaft, dass Helga Reichert im September 2020 auf eigenen Wunsch aus der Vorstandschaft ausgeschieden sei. Dennoch sei ihr ein Einjahresvertrag als Intendantin angetragen worden, den sie aber „trotz vielen Zugeständnissen und reichlich Entscheidungsspielraum“nicht angenommen habe. Die künstlerische Gestaltung, also die Auswahl der Filme und der einzuladenden Filmschaffenden, sei ausschließliche Aufgabe der Intendanz. Der Vorstand hätte sich hierbei nicht eingemischt.
Das geplante Video-On-DemandAngebot habe man als Ergänzung zu den Präsenzveranstaltungen geplant, sofern diese Pandemie-bedingt stattfinden könnten. Damit erreiche man „neue Nutzergruppen, auch überregional“. Niemals sei eine reine Online-Version des Festivals das Ziel. Dennoch betont die Vorstandschaft: „Tradition ist gut, aber wir sehen eine Weiterentwicklung und moderate Anpassung an gesellschaftliche, kulturelle oder technische Veränderungen als unverzichtbar und Ziel einer erfolgreichen Vereinsarbeit an.“