Kirche sucht Lösungen für Finanzsorgen
Alles kommt auf Prüfstand: Evangelische Gemeinde erarbeitet Immobilienkonzept
- Die evangelische Kirchengemeinde in Tuttlingen steht vor schwierigen Entscheidungen: Aus Kostengründen muss sie sich von einigen ihrer rund 30 Immobilien trennen. Eine dafür anberaumte Gemeindeversammlung am 17. November ist den Corona-Einschränkungen zum Opfer gefallen. Nun steht die persönliche Befragung und der Austausch unter den Gemeindemitgliedern am 15. Juni an.
Das ist mehr als ein halbes Jahr nach dem ursprünglichen Zeitplan. „Doch das Thema ist zu wichtig und zu emotional belegt, um das online abzuhandeln“, sagt der evangelische Dekan Sebastian Berghaus auf Nachfrage. Deshalb setzt er auf die persönliche Zusammenkunft und erhofft sich dadurch neue Sichtweisen und Ideen, um das Dilemma zu lösen, die die Verantwortlichen im Dekanat bislang nicht hatten. Er möchte die Gedanken der Gemeinde hören, auch ihre Befürchtungen. „Es gibt keine Denkverbote“, fügt er an und meint damit auch, dass grundsätzlich alles zur Debatte steht.
Auch das evangelische Gemeindehaus in der Gartenstraße. Dort ist der Sanierungsbedarf besonders hoch. Insgesamt beziffert der Dekan den Sanierungsstau bei allen Gebäuden auf eine Summe von mehr als zehn Millionen Euro. Die evangelische Kirchengemeinde wird deshalb nicht drumherum kommen, Gebäude abzustoßen. Der Druck dazu kommt auch aus der Landeskirche. Die Anzahl der Immobilien einer Kirchengemeinde muss im Verhältnis zur Anzahl der Mitglieder stehen, sonst gibt es keine Zuschüsse für die anstehenden Sanierungen.
Bis zur Versammlung am 15. Juni würden keinerlei Beschlüsse gefasst, so der Dekan. Das bringt aber auch mit sich, dass für den Leerstand im Gebäude Bahnhofstraße 11, das der evangelischen Kirche gehört, derzeit keine neue Nutzung angegangen wird. „Das ist fast schon beschämend“, findet Berghaus. Doch auch da gilt es, die Vorschläge abzuwarten, die in der Gemeindeversammlung vorgebracht werden.
Auf Grundlage dessen erarbeitet die Kirche dann ein Konzept, das bei einer nächsten Versammlung am 12. Oktober vorgestellt werden soll. Berghaus: „Da soll dann bereits die Beschlussempfehlung fallen, wie wir weitermachen können.“
Darüber wird der Kirchengemeinderat dann am 24. November entscheiden – fertig ist die Immobilienkonzeption.
Eine Vorgabe der Landeskirche, wie viele Gebäude die Tuttlinger Kirchengemeinde letztlich abstoßen muss, gebe es nicht. Aber eine genaue Aufstellung dessen, was es kostet, die Gebäude zu halten und zu unterhalten samt der Einnahmen, die in die Gemeinde fließen. All das wird in der Versammlung dargelegt werden – „es gibt keine Zahlen, die wir nicht offenlegen“.
Dazu gehören auch diese: Die Anzahl der Gemeindemitglieder geht seit Jahren zurück. 1990 gab es 11 400 Gläubige (ohne Möhringen). 2019 gehörten der evangelischen Kirchengemeinde 8400 Mitglieder an (einschließlich Möhringen). Laut Prognosen werden es im Jahr 2030 nur noch 7400 sein.
Anhand der Gemeindemitglieder bemessen sich aber die Gelder der Landeskirche, die nach Tuttlingen fließen. Angesichts von Kurzarbeit und Entlassungen gibt es auch einen Rückgang bei der Kirchensteuer. Von dem Geld, das Tuttlingen jährlich zur Verfügung hat, entfallen rund 80 Prozent auf die Personalkosten. Da bleibt nicht viel für anderes übrig.
Alle Gemeindeversammlungen finden in der Stadtkirche statt, mit genügend Möglichkeiten zum Abstand halten. Sie wird nicht auf der Veräußerungsliste stehen, ebenso wenig wie die Kirchen in den Ortsteilen Nendingen, Wurmlingen und Möhringen. Behalten werden zudem die Gebäude der vier evangelischen Kindergärten sowie vier Pfarrhäuser für die vier Pfarrstellen plus dem Dekanatsamt.
Der Mitgliederschwund der Kirchen werde anhalten, „da gibt es nichts schönzureden“, fasst Berghaus die Situation zusammen. Er versteht diese Tatsache auch als Aufgabe, die Strukturen anzupassen. Gebäude würden Heimat, Schutz, Gemeinschaft und Geborgenheit darstellen. Doch der eigentliche Schatz der Kirche seien die Menschen, nicht die Steine, fügt er an.
Die evangelische Kirchengemeinde wird ihre Mitglieder im Gemeindebrief rechtzeitig über die Versammlungen informieren.