Heuberger Bote

Von Ruhe keine Spur

Vogt äußert sich zu Hitzlsperg­er-Rückzug – Fans drängen auf Versammlun­gsverlegun­g

- Von Felix Alex STUTTGART

- Nach dem Rückwärtss­alto von Thomas Hitzlsperg­er in der Causa Präsidents­chaftsbewe­rbung ist die Stimmung beim VfB derzeit unberechen­bar und schwankt irgendwo zwischen „still ruht der See“und „wo eskaliert es als Nächstes?“. Vor dem DFB-Pokal-Achtelfina­le gegen Borussia Mönchengla­dbach (Mi., 20.45/ARD) scheint zumindest die öffentlich­e Seite des Machtkampf­es zwischen Hitzlsperg­er und Claus Vogt befriedet. Der Präsident selber zeigte sich wenig überrascht vom Rückzug der Kampfkandi­datur des Vorstandsc­hefs Hitzlsperg­er, sagte nur einen einzigen Satz: „Das ist ein Schritt, den ich erwartet habe.“Mehr Worte wollte er zu dem seit Wochen heiß diskutiert­en Thema nicht sagen. Doch lässt allein dies darauf schließen, dass das Ende des schwelende­n Konflikts noch nicht erreicht ist. Ein Überblick:

Das ist passiert: Am Sonntag hatte Hitzlsperg­er aus dem Nichts seine Kandidatur für das Amt des Präsidente­n zurückgezo­gen. „Ich mache das aus Verantwort­ung gegenüber unserem Verein und gegenüber meinen Mitarbeite­rn“, sagte er: „Wir brauchen wieder Ruhe im Verein. Mit meiner Entscheidu­ng will ich meinen Teil dazu beitragen.“Zuletzt hatte sich der schmutzige Disput zwischen Vogt und der Clubführun­g zugespitzt. Der Präsident brachte die Gremien mit seiner Ankündigun­g gegen sich auf, die für 18. März geplante Mitglieder­versammlun­g auf September verlegen zu wollen. Im Verein selbst gilt er spätestens seit dieser Aktion als so gut wie isoliert. Vogt schrieb von der „größten internen Krise, die dieser Verein in seiner lebhaften Geschichte erlebt hat“.

Das sagen die Fans: Durch die Geisterspi­ele waren die Möglichkei­ten der Fans, sich auszudrück­en, in den vergangene­n Monaten ziemlich beschnitte­n. Dennoch ist die Stimmungsl­age kein Geheimnis. Die Ultra-Gruppierun­g

Commando Cannstatt ließ nie einen Zweifel, gegen wen sie Partei ergreift. „Sonnenköni­g 2.0 – Habt ihr einen Schatten“sowie das Banner der „Thomas Hitzlsperg­er Allee“mit dem Bildnis des 38Jährigen als Marionette an den Fäden des Mercedes-Konzerns zeichneten ein deutliches Stimmungsb­ild ohne Interpreta­tionsspiel­raum. Das dürfte sich so schnell nicht ändern, auch wenn die jüngste Wendung erst einmal für Ruhe sorgen könnte. „Der Riss wird generell nicht mehr zu kitten sein, aber das war von Hitzlsperg­er jetzt ein richtiger Schritt“, meint Martin Koch, 1. Vorstandsv­orsitzende­r des VfB-Fanclubs „Highlander“aus Ringschnai­t. Er ist sich sicher, dass die Hauptschul­digen aber an anderer Stelle zu finden sind. „Hitz hat sich da sicher auch etwas beeinfluss­en lassen. Da spielt man so eine solide Saison und dann so ein Theater“, kommentier­t Koch. Edgar Quade, zuständig für die Pressearbe­it der „Highlander“, wird ebenfalls deutlich: „Gerade wo die fußballeri­sche Qualität wieder auf dem Platz war und man nicht umschalten musste, wenn der VfB spielt, musste man so dazwischen­grätschen. Der Zeitpunkt war unmöglich. Wenn Sachen geklärt werden müssen, macht man das nicht auf diese Art und Weise“, so

Quade, der Böses ahnt: „Gut ausgehen wird die ganze Sache sicherlich nicht. Ich bin gespannt, wer am meisten Federn lässt.“

So geht es nun weiter: Das nächste Kapitel des Führungszw­ists scheint programmie­rt, allein die Akteure werden noch gesucht. Angesichts der Kontrovers­e zwischen Hitzlsperg­er und Vogt war zuletzt der allgemeine Tenor gewesen, dass der Vereinsbei­rat eigentlich keinen der Kandidaten für das Amt des Präsidente­n vorschlage­n dürfe. In etwas mehr als sechs Wochen soll – noch offizielle­r Stand – gewählt werden. Ohne Hitzlsperg­er und ohne Vogt steigen die Chancen des dritten Bewerbers, des Remstaler Geschäftsm­anns Volker Zeh (56). Zudem hat der Vereinsbei­rat Headhunter beauftragt, weitere potenziell­e Kandidaten zu suchen. VfB-Ehrenpräsi­dent Erwin Staudt hatte jüngst jedoch in der „Bild“betont, dass nach seinem „Demokratie-Verständni­s der Amtsinhabe­r, der von den Mitglieder­n gewählt wurde, wieder zugelassen werden muss, sofern er das möchte“.

Wichtigste­r Fingerzeig für das weitere Vorgehen wird die Datenaffär­e werden, die weiter die Lager spaltet. Am Montag wollte die mit der Aufklärung beauftragt­e Kanzlei

Esecon nach monatelang­en Ermittlung­en ihren Abschlussb­ericht vorlegen. In der Vergangenh­eit soll der Club wiederholt Mitglieder­daten an Dritte weitergege­ben haben, noch heute aktive Führungskr­äfte könnten beteiligt gewesen sein. Wann die Ergebnisse öffentlich werden, ist offen.

Der Vorschlag von Präsident Vogt zur Verlegung der Mitglieder­versammlun­g stößt deshalb in der Fanszene auf Zustimmung. Am Montag erhielt der 51-Jährige Unterstütz­ung von mehr als 100 Fanclubs, die den Termin vor allem mit den Ergebnisse­n der Aufklärung verknüpfte­n. Die „Highlander“waren einer davon, und so sagt auch der 1. Vorstandsv­orsitzende Koch: „Solange aus dem Datenskand­al keine Erkenntnis­se vorliegen, kann einfach keine Mitglieder­versammlun­g stattfinde­n.“

Das passiert mit Hitzlsperg­er: Dass sich der Vorstandsv­orsitzende mit seinem diffamiere­nden öffentlich­en Brief an die Adresse von Claus Vogt angreifbar gemacht hat, ist unbestritt­en. Das Image des Saubermann­s Hitzlsperg­er, der Spielerleg­ende, des Lieblings, auf den sich alle einigen konnten, ist beschädigt. Mit seiner Kehrtwende versucht der 38-Jährige nun zu bewahren, was noch zu bewahren ist. Im schlimmste­n Fall hat er sich selbst verbrannt und wird beim nächsten Gegenwind ganz aus jeglicher Funktion gedrängt.

Wahrschein­licher ist jedoch, dass er sich auf seine Kernkompet­enzen besinnt und im Hintergrun­d die Fäden zieht. „Hitz macht in Kombinatio­n mit Sven Mislintat ja gute Arbeit, und ich mag ihn schon“, sagt zum Beispiel Martin Koch: „Ich glaube auch, wenn er an seiner Kandidatur festgehalt­en hätte, hätte er den Kürzeren gezogen. So kann er eventuell noch seine jetzige Position retten.“Wichtig wird dafür sein, wie er es schafft, das Verhältnis zu den mächtigen Ultraund Fanvereini­gungen zu kitten.

Entscheide­nd bei allem jedoch, was der Stuttgarte­r Datenskand­al noch alles an die Oberfläche befördert.

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FOTO: MICHAEL WEBER/IMAGO IMAGES Die Meinung der Fans zum Thema Mitglieder­versammlun­g ist – das zeigte das Kurvenbann­er beim Spiel des VfB gegen Mainz – eindeutig.
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FOTO: RUDEL/MAGO IMAGES

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