Von Ruhe keine Spur
Vogt äußert sich zu Hitzlsperger-Rückzug – Fans drängen auf Versammlungsverlegung
- Nach dem Rückwärtssalto von Thomas Hitzlsperger in der Causa Präsidentschaftsbewerbung ist die Stimmung beim VfB derzeit unberechenbar und schwankt irgendwo zwischen „still ruht der See“und „wo eskaliert es als Nächstes?“. Vor dem DFB-Pokal-Achtelfinale gegen Borussia Mönchengladbach (Mi., 20.45/ARD) scheint zumindest die öffentliche Seite des Machtkampfes zwischen Hitzlsperger und Claus Vogt befriedet. Der Präsident selber zeigte sich wenig überrascht vom Rückzug der Kampfkandidatur des Vorstandschefs Hitzlsperger, sagte nur einen einzigen Satz: „Das ist ein Schritt, den ich erwartet habe.“Mehr Worte wollte er zu dem seit Wochen heiß diskutierten Thema nicht sagen. Doch lässt allein dies darauf schließen, dass das Ende des schwelenden Konflikts noch nicht erreicht ist. Ein Überblick:
Das ist passiert: Am Sonntag hatte Hitzlsperger aus dem Nichts seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten zurückgezogen. „Ich mache das aus Verantwortung gegenüber unserem Verein und gegenüber meinen Mitarbeitern“, sagte er: „Wir brauchen wieder Ruhe im Verein. Mit meiner Entscheidung will ich meinen Teil dazu beitragen.“Zuletzt hatte sich der schmutzige Disput zwischen Vogt und der Clubführung zugespitzt. Der Präsident brachte die Gremien mit seiner Ankündigung gegen sich auf, die für 18. März geplante Mitgliederversammlung auf September verlegen zu wollen. Im Verein selbst gilt er spätestens seit dieser Aktion als so gut wie isoliert. Vogt schrieb von der „größten internen Krise, die dieser Verein in seiner lebhaften Geschichte erlebt hat“.
Das sagen die Fans: Durch die Geisterspiele waren die Möglichkeiten der Fans, sich auszudrücken, in den vergangenen Monaten ziemlich beschnitten. Dennoch ist die Stimmungslage kein Geheimnis. Die Ultra-Gruppierung
Commando Cannstatt ließ nie einen Zweifel, gegen wen sie Partei ergreift. „Sonnenkönig 2.0 – Habt ihr einen Schatten“sowie das Banner der „Thomas Hitzlsperger Allee“mit dem Bildnis des 38Jährigen als Marionette an den Fäden des Mercedes-Konzerns zeichneten ein deutliches Stimmungsbild ohne Interpretationsspielraum. Das dürfte sich so schnell nicht ändern, auch wenn die jüngste Wendung erst einmal für Ruhe sorgen könnte. „Der Riss wird generell nicht mehr zu kitten sein, aber das war von Hitzlsperger jetzt ein richtiger Schritt“, meint Martin Koch, 1. Vorstandsvorsitzender des VfB-Fanclubs „Highlander“aus Ringschnait. Er ist sich sicher, dass die Hauptschuldigen aber an anderer Stelle zu finden sind. „Hitz hat sich da sicher auch etwas beeinflussen lassen. Da spielt man so eine solide Saison und dann so ein Theater“, kommentiert Koch. Edgar Quade, zuständig für die Pressearbeit der „Highlander“, wird ebenfalls deutlich: „Gerade wo die fußballerische Qualität wieder auf dem Platz war und man nicht umschalten musste, wenn der VfB spielt, musste man so dazwischengrätschen. Der Zeitpunkt war unmöglich. Wenn Sachen geklärt werden müssen, macht man das nicht auf diese Art und Weise“, so
Quade, der Böses ahnt: „Gut ausgehen wird die ganze Sache sicherlich nicht. Ich bin gespannt, wer am meisten Federn lässt.“
So geht es nun weiter: Das nächste Kapitel des Führungszwists scheint programmiert, allein die Akteure werden noch gesucht. Angesichts der Kontroverse zwischen Hitzlsperger und Vogt war zuletzt der allgemeine Tenor gewesen, dass der Vereinsbeirat eigentlich keinen der Kandidaten für das Amt des Präsidenten vorschlagen dürfe. In etwas mehr als sechs Wochen soll – noch offizieller Stand – gewählt werden. Ohne Hitzlsperger und ohne Vogt steigen die Chancen des dritten Bewerbers, des Remstaler Geschäftsmanns Volker Zeh (56). Zudem hat der Vereinsbeirat Headhunter beauftragt, weitere potenzielle Kandidaten zu suchen. VfB-Ehrenpräsident Erwin Staudt hatte jüngst jedoch in der „Bild“betont, dass nach seinem „Demokratie-Verständnis der Amtsinhaber, der von den Mitgliedern gewählt wurde, wieder zugelassen werden muss, sofern er das möchte“.
Wichtigster Fingerzeig für das weitere Vorgehen wird die Datenaffäre werden, die weiter die Lager spaltet. Am Montag wollte die mit der Aufklärung beauftragte Kanzlei
Esecon nach monatelangen Ermittlungen ihren Abschlussbericht vorlegen. In der Vergangenheit soll der Club wiederholt Mitgliederdaten an Dritte weitergegeben haben, noch heute aktive Führungskräfte könnten beteiligt gewesen sein. Wann die Ergebnisse öffentlich werden, ist offen.
Der Vorschlag von Präsident Vogt zur Verlegung der Mitgliederversammlung stößt deshalb in der Fanszene auf Zustimmung. Am Montag erhielt der 51-Jährige Unterstützung von mehr als 100 Fanclubs, die den Termin vor allem mit den Ergebnissen der Aufklärung verknüpften. Die „Highlander“waren einer davon, und so sagt auch der 1. Vorstandsvorsitzende Koch: „Solange aus dem Datenskandal keine Erkenntnisse vorliegen, kann einfach keine Mitgliederversammlung stattfinden.“
Das passiert mit Hitzlsperger: Dass sich der Vorstandsvorsitzende mit seinem diffamierenden öffentlichen Brief an die Adresse von Claus Vogt angreifbar gemacht hat, ist unbestritten. Das Image des Saubermanns Hitzlsperger, der Spielerlegende, des Lieblings, auf den sich alle einigen konnten, ist beschädigt. Mit seiner Kehrtwende versucht der 38-Jährige nun zu bewahren, was noch zu bewahren ist. Im schlimmsten Fall hat er sich selbst verbrannt und wird beim nächsten Gegenwind ganz aus jeglicher Funktion gedrängt.
Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er sich auf seine Kernkompetenzen besinnt und im Hintergrund die Fäden zieht. „Hitz macht in Kombination mit Sven Mislintat ja gute Arbeit, und ich mag ihn schon“, sagt zum Beispiel Martin Koch: „Ich glaube auch, wenn er an seiner Kandidatur festgehalten hätte, hätte er den Kürzeren gezogen. So kann er eventuell noch seine jetzige Position retten.“Wichtig wird dafür sein, wie er es schafft, das Verhältnis zu den mächtigen Ultraund Fanvereinigungen zu kitten.
Entscheidend bei allem jedoch, was der Stuttgarter Datenskandal noch alles an die Oberfläche befördert.