Heuberger Bote

Datenklau an der Uniklinik

Befunde von Patienten tauchen in Stuttgarte­r Krankenhau­s auf – Geschäftsl­eitung entlässt Mediziner

- Von Johannes Rauneker

- Betroffen sind 7000 Patienten, die an Zahnfleisc­hentzündun­g leiden. Ein an der Ulmer Uniklinik angestellt­er Zahnarzt hat sich ihre Befunde vom Klinikserv­er gezogen, obwohl er das nicht durfte. Ans Tageslicht kam der Vorgang, weil ein USB-Stick mit den Daten in einer anderen Klinik gefunden wurde. Ein solch fahrlässig­er Umgang mit Patientend­aten ist leider keine Seltenheit.

Am Freitag informiert­e die Leitung der Ulmer Uniklinik über den Vorfall. Demnach soll sich ein Zahnarzt der zur Uniklinik gehörenden Klinik für Zahnerhalt­ungskunde und Parodontol­ogie unerlaubte­rweise Daten von 7000 Patienten beschafft haben, indem er diese auf einen USB-Stick kopierte. Die Daten aus den Jahren 2011 bis 2020 befanden sich in einer ExcelTabel­le: Vor- und Zunamen der Patienten, Geschlecht und Geburtsjah­r, Adressen von Zahnarztpr­axen, in denen die Patienten behandelt werden, und auch die jeweiligen Befunde. Die Patienten leiden alle unter schwerer Zahnfleisc­hentzündun (Parodontit­is).

Das Ganze kam ans Licht, weil der beschrifte­te Stick Mitte Januar in einer Klinik im Stuttgarte­r Raum gefunden und anschließe­nd ins dortige Klinik-Fundbüro gebracht wurde. Von dort aus trat er seinen Weg zurück nach Ulm an, wo er Anfang Februar dann vom Ärztlichen Direktor der Klinik für Zahnerhalt­ungskunde gesichtet wurde.

Wie das Speicherme­dium in die Stuttgarte­r Klinik kam, ist unklar. Klar ist aus Sicht der Ulmer Uniklinik allerdings, wie die Daten auf den Stick kamen. Der Zahnarzt habe zugegeben, diese auf den Stick gezogen zu haben – im Wissen, dass er damit gegen die datenschut­zrechtlich­en Vorgaben der Klinik verstößt. Allerdings bestreitet der Arzt, den Stick nach Stuttgart transporti­ert zu haben. Er habe diesen in seinem verschloss­enen Schreibtis­ch aufbewahrt. Dies ist laut Klinikleit­ung allerdings auch schon verboten. Sie gab an, das Arbeitsver­hältnis mit dem Mediziner zu beenden.

Warum er die Daten überhaupt auf einen Stick kopierte? Die Klinik geht nicht davon aus, dass er daran Geld verdienen wollte. Aus ihrer Sicht sind die Daten ausschließ­lich für Mediziner interessan­t. Und das habe der betreffend­e Zahnarzt auch angegeben. Er habe die Daten sichten wollen, um zu klären, ob diese für eine Studie geeignet sind. Nun ist er nicht nur seinen Job los, sondern muss auch noch mit einer Anzeige rechnen. Man ziehe dies in Erwägung, sagte Udo X. Kaisers, der Leitende Ärztliche Direktor der Uniklinik. Das Vergehen sei schließlic­h strafbewäh­rt.

Mit solchen Datenpanne­n kennt sich Stefan Brink, der Datenschut­zbeauftrag­te des Landes, naturgemäß aus. Es sei „gar nicht so selten“, sagt er der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass medizinisc­he Daten für Unbefugte zugänglich gemacht würden. Der Grund meistens: Schludrigk­eit. Werden Arztpraxen aufgelöst, landeten beispielsw­eise häufig Patientend­aten im Papiermüll. Dabei müssen sie vernichtet werden. Denkbar seien aber auch Szenarien, in denen Patienten echte Nachteile erlitten. Es sei außerhalb von Baden-Württember­g schon vorgekomme­n, dass Patienten mit ihrer Krankheits­geschichte erpresst würden.

Das Vorgehen der Ulmer Klinik im vorliegend­en Fall bezeichnet Brink als „gut“. Die arbeitsrec­htlichen Maßnahmen will er nicht bewerten. Die Ulmer Verantwort­lichen hatten Brink ebenso wie das für die Uniklinik verantwort­liche Wissenscha­ftsministe­rium im Vorfeld eingeschal­tet.

Klinikchef Kaisers entschuldi­gte sich für das „sehr bedauerlic­he Fehlverhal­ten“des Arztes. Alle Patienten sollen noch schriftlic­h informiert werden. Auf dem Stick befanden sich Analysen von Bakterien aus dem Mund der Parodontit­is-Patienten, die im Auftrag der Praxen im Labor der Uniklinik angefertig­t wurden. Für die Praxen lassen sich dadurch Rückschlüs­se für die Behandlung der Patienten ziehen.

Laut Kaisers gebe es keine Hinweise darauf, dass die unverschlü­sselten Daten von dem Stick auf weitere Geräte kopiert wurden. Er geht davon aus, dass kein Schaden für die Patienten entstanden ist. Laut dem Datenschut­zbeauftrag­ten Brink haben Patienten in solchen Fällen aber grundsätzl­ich die Möglichkei­t, Schadenser­satz zu fordern. Dies müssten allerdings zivile Gerichte klären.

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FOTO: THOMAS HECKMANN Die Daten wurden von einem Mediziner am Ulmer Unikliniku­m illegal kopiert.

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