Das große Aufräumen
US-Präsident Biden bricht mit der Außenpolitik seines Vorgängers – Sanktionsdrohungen in Richtung Russland
(dpa) - Der neue USPräsident Joe Biden bricht mit der Außenpolitik seines Vorgängers Donald Trump und setzt wieder auf internationale Zusammenarbeit statt nationale Alleingänge. „Amerika ist zurück. Die Diplomatie ist zurück“, sagte Biden in seiner ersten außenpolitischen Rede seit dem Amtsantritt. Globale Herausforderungen wie Corona, Klimawandel und den Kampf gegen die Verbreitung von Atomwaffen könnten Staaten nur gemeinsam angehen. Er wolle die Beziehungen zu den engsten Verbündeten – darunter Deutschland – nach „Jahren der Vernachlässigung“wiederbeleben.
Für Deutschland, das von Trump vier Jahre lang nicht wie ein Partner, sondern wie ein Gegner behandelt wurde, hatte Biden gleich eine gute Nachricht parat: Der von seinem Vorgänger geplante Abzug von 12 000 US-Soldaten aus Bayern, Baden-Württemberg und RheinlandPfalz wird auf Eis gelegt. Die Bundesregierung begrüßte das. Die Stationierung amerikanischer Truppen in Deutschland diene der europäischen und der transatlantischen Sicherheit und sei in beiderseitigem Interesse, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Trump hatte den Truppenabzug im Juni 2020 ohne vorherige Absprache mit der Bundesregierung angekündigt, um Deutschland für aus seiner Sicht mangelnde Verteidigungsausgaben zu bestrafen. Bei einer vollständigen Umsetzung der Pläne wäre die Truppenstärke um ein Drittel verringert worden. Deutschland ist mit fast 35 000 Soldaten nach Japan der größte Standort der USStreitkräfte im Ausland.
Biden will nun die Truppenstationierungen weltweit überprüfen. Das bedeutet, dass ein Abzug von USSoldaten aus Deutschland noch nicht ganz vom Tisch ist. In dem von Trump geplanten Umfang wird er aber wahrscheinlich nicht erfolgen.
In Richtung Moskau fand der USPräsident deutliche Worte. Unter seiner Führung werde die Regierung in Washington angesichts der Menschenrechtsverletzungen und des aggressiven Handelns Russlands nicht „kuschen“, sagte er. Er werde auch nicht zögern, die „Kosten“für Russlands Handeln zu erhöhen – eine kaum versteckte Drohung mit neuen Sanktionen.
Die russische Regierung reagierte prompt. Bidens Rede sei von einer „sehr aggressiven und nicht konstruktiven Rhetorik“geprägt gewesen, hieß es aus dem Kreml. Trotz „sehr vieler Meinungsverschiedenheiten und unterschiedlicher Ansätze in Schlüsselfragen“hoffe Moskau aber, dass es „eine Grundlage für Gespräche“geben werde.
Als größten Konkurrenten bezeichnete Biden China. Die USA seien bereit, mit Peking zusammenzuarbeiten. Man werde der chinesischen Regierung aber aus einer „Position der Stärke“gegenübertreten.
Biden betonte, Diplomatie, starke Bündnisse und der Einsatz für Menschenrechte und Demokratie in der ganzen Welt seien im „ureigenen Interesse“Amerikas. „Wir investieren nicht nur in Diplomatie, weil es richtig ist, das für die Welt zu tun. Wir tun es, um in Frieden, Sicherheit und Wohlstand zu leben“, sagte Biden. Das bedeutet eine 180-Grad-Wende zu Trump, der in den vier Jahren seiner Amtszeit eher auf Alleingänge gesetzt und damit viele Verbündete verprellt hatte. Auch das Verhältnis zu Deutschland wurde frostig. Biden sagte nun, er wolle „wieder die Gewohnheit der Zusammenarbeit bilden und die Muskeln der demokratischen Bündnisse wieder aufbauen, die durch Jahre der Vernachlässigung und, ich würde sagen, Misshandlung verkümmert sind“.
Erste Schritte in diese Richtung kündigte Biden bereits an. So wollen die USA im Bürgerkriegsland Jemen keine Kampfhandlungen mehr unterstützen. Im ärmsten arabischen Land kämpft ein von Saudi-Arabien angeführtes Militärbündnis seit 2015 gegen die Huthi-Rebellen, die von Iran unterstützt werden. Das US-Militär half den Regierungstruppen mit Geheimdienstinformationen und logistischer Unterstützung. Zudem wurden Waffenverkäufe an Riad in Milliardenhöhe genehmigt.
Biden versprach außerdem, dass die USA künftig wieder mehr Flüchtlinge aufnehmen werden. Die jährliche Obergrenze solle im kommenden Haushaltsjahr auf 125 000 angehoben werden. Unter Trump war die Grenze zuletzt auf höchstens 15 000 Menschen in einem Haushaltsjahr gesenkt worden.