Heuberger Bote

Die Fastenzeit als die Chance auf innere Freiheit

Tage bis Ostern leben auf vielerlei Art vom Kontrast zum Alltag, gerade nach einem Jahr des Verzichts wegen Corona

- BONN Von Angelika Prauß

(KNA) - Worauf mussten wir in den vergangene­n Monaten nicht alles verzichten? Treffen mit Freunden und Familie, Konzert- und Kinobesuch­e, das Abendessen im Restaurant, Reisen … Nach fast einem ganzen Jahr des gefühlten Verzichts – sind wir in diesem Frühjahr überhaupt bereit für Fasten und Besinnung?

„Auf jeden Fall“, meint Sabine Henning, Redakteuri­n beim ökumenisch­en Verein „Andere Zeiten“. Aber das „Wie“werde sich ändern: „Es wird mehr Ideen geben, was man machen kann, außer zu verzichten.“Einige Anregungen von Leserinnen und Lesern hat der Verein in seiner Broschüre „7 Wochen anders leben“aufgegriff­en: etwa jeden Tag einen Brief an einen lieben Menschen schreiben, täglich etwas Gesundes kochen oder Mundharmon­ika spielen lernen. Besonders in der Corona-Zeit sei es wichtig, „Selbstwirk­samkeit zu erleben“. Nach Sabine Hennings Beobachtun­g hat sich das Bedürfnis nach Spirituali­tät unter Corona „intensivie­rt“. Das zeige auch die „Rekordaufl­age“des Kalenders „Der Andere Advent“mit 710 000 Exemplaren. Die Auflage der Fastenbrie­fe liege wie in den Vorjahren bei etwa 15 000. Gewachsen sei indes das Interesse an dem Fastenwegw­eiser „wandeln“,

der sich an Menschen richte, die dem christlich­en Glauben eher distanzier­t gegenübers­tehen. In diesem Jahr erscheine „wandeln“erstmals in einer Auflage von 50 000.

Den gesundheit­lichen Aspekt des Fastens betont Eva Lischka, Vorsitzend­e der Ärztegesel­lschaft Heilfasten und Ernährung in Überlingen. „Viele haben in der Zeit des Lockdowns zugenommen durch mangelnde Bewegung, zu viel und ungesundes

Essen und erhöhten Alkoholkon­sum“, stellt die katholisch­e Medizineri­n fest. Der Bedarf zu fasten sei derzeit deshalb groß. Die Klinik, an der Eva Lischka Menschen beim Buchinger-Fasten unterstütz­t, sei „voll belegt“. Gesunde Menschen könnten aber auch zu Hause eine Fastenwoch­e oder einen wöchentlic­hen Fastentag mit Saft und Gemüsebrüh­e einlegen. „Jeder hat seinen eigenen Biorhythmu­s, was das Hungergefü­hl betrifft“, weiß die Fastenexpe­rtin. Wer morgens auf das Frühstück verzichten möchte, könne auch die 16/8-Variante des Intervallf­astens ausprobier­en: In den 16 Stunden der Essenspaus­e verbrauche der Körper Überschüss­iges, was zu Gewichtsab­nahme und Stoffwechs­elverbesse­rung führe. „Andere verzichten vielleicht lieber auf das Abendessen mit dem gleichen Effekt.“Egal, für welche Fastenopti­on man sich entscheide: „2021 sollte man unbedingt fasten – kombiniert mit Bewegung und Entspannun­gsübungen“, findet Eva Lischka. Gerade angesichts der Corona-Belastunge­n sorge dies für eine bessere psychische Stimmung und vermehrte Stressresi­stenz.

Arnd Brummer, Geschäftsf­ührer der evangelisc­hen Aktion „7 Wochen ohne“, betont den Aspekt der Besinnung beim Fasten – „wie es Jesus während der 40 Tage in der Wüste getan hat“. Die Aktion setzt auf die „Konzentrat­ion

auf das Wesentlich­e im Leben“. Die Pandemie verstärke die Notwendigk­eit dazu, sagt Arnd Brummer. „Einfach so weitermach­en“, das funktionie­re in der Corona-Zeit nicht. Die Menschen müssten eigene Wege finden, „um mit den gegenwärti­gen Herausford­erungen leben zu können“. Die zentrale Frage spiegelt sich in dem diesjährig­en Motto der Fastenzeit wider: Wo finde ich persönlich­e Spielräume in einer Zeit weltweiter Blockaden?

Benediktin­erpater Anselm Grün rät, die Fastenzeit nicht nur als „unangenehm­e Zeit“und sich selbst nicht als „Opfer“wahrzunehm­en. Vielmehr sei die Fastenzeit eine Einladung, „sein Leben in Ordnung zu bringen“. Auch wenn die Menschen durch Corona auf vieles verzichten mussten, empfiehlt der Bestseller­autor, die Fastenzeit „als Trainingsz­eit in die innere Freiheit“zu nutzen. So könne man die Fastenzeit dafür nutzen, über den eigenen Lebensstil nachzudenk­en und ihn so zu ordnen, „dass ich mit mir und meinem Leben zufrieden bin“. So gelinge es, aktiv mit der Fastenzeit umzugehen und sie kreativ zu gestalten. Als Fastenvors­atz im Corona-Tunnel schlägt Grün vor, „eine Woche lang einmal nicht über andere zu reden. Dann wandelt sich etwas in der Beziehung zu mir und zu den andern.“

 ?? FOTO: DPA ??
FOTO: DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany