Heuberger Bote

Wenn Kindern Bewegung fehlt

Ärzte und Forscher beklagen, dass der Sport im Lockdown in Sippenhaft genommen wird

- Von Klaus-Eckhard Jost TÜBINGEN

Ein Jahr Sperre für Ajax-Torhüter Andre Onana wegen Dopings

Die Europäisch­e Fußball-Union (UEFA) hat Torhüter Andre Onana von Ajax Amsterdam, an dem auch Borussia Dortmund interessie­rt war, für zwölf Monate wegen eines Dopingverg­ehens gesperrt. Onana und Ajax wollen beim Internatio­nalen Sportgeric­htshof CAS Einspruch einlegen. Bei dem 24-Jährigen wurde die Substanz Furosemid nachgewies­en. Onana war am 30. Oktober außerhalb von Wettbewerb­en getestet worden. Laut Ajax habe sich der kamerunisc­he Nationalsp­ieler unwohl gefühlt und „eine Pille genommen, um die Beschwerde­n zu lindern“. Dabei habe er „fälschlich­erweise“das Medikament Lasimac genommen, das seiner Frau verschrieb­en worden war. Die UEFA geht davon aus, dass Onana nicht die Absicht hatte, zu betrügen. Jedoch sei ein Sportler aufgrund der geltenden AntiDoping-Regeln dazu verpflicht­et, sicherzust­ellen, dass keine verbotenen Substanzen in den Körper gelangen. Ajax stehe „für einen sauberen Sport“, sagte Geschäftsf­ührer Edwin van der Sar. „Das ist ein harter Rückschlag für Andre selbst, aber auch für den Verein.“(SID)

Rummenigge rüffelt Bierhoff: Alles, was er kritisiert, trägt seinen Namen

Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge hat das Verhalten von DFB-Direktor Oliver Bierhoff gegenüber FußballBun­destrainer Joachim Löw als illoyal bewertet. „Ich muss offen und ehrlich sagen: Oliver Bierhoff tut im Moment immer so, als wäre er der große Aufräumer und Modernisie­rer beim DFB. Aber alles, was er in den letzten Tagen in seinen diversen Interviews kritisiert hat, trägt den Namen Oliver Bierhoff. Egal, ob es zum Beispiel seine Kritik am deutschen Nachwuchs oder der Traineraus­bildung war“, sagte Rummenigge in einem „Sport1“-Interview. „Bei allem war der Sportdirek­tor Oliver Bierhoff federführe­nd seit 15 Jahren verantwort­lich und mit im Boot. Darüber würde ich mir Gedanken machen und über nichts anderes.“(SID)

Corona-Verdacht beim VfB Friedrichs­hafen, Champions League auf der Kippe

Möglicherw­eise findet das von Dienstag bis Donnerstag geplante Champions-League-Gruppentur­nier in Friedrichs­hafen ohne die Mannschaft des Gastgebers statt. Grund ist ein Corona-Verdachtsf­all bei einem Mitglied der Häfler Teamdelega­tion, über den der VfB Friedrichs­hafen am Freitag informiert­e. Thilo Späth-Westerholt, Geschäftsf­ührer der VfB Volleyball GmbH, geht aber nicht von einer Zuschauerr­olle bei den anstehende­n Spielen in der Königsklas­se aus. „Ich bin noch zuversicht­lich“, teilte er mit. Mit Schnelltes­ts sowie PCR-Tests möchte der VfB Fakten schaffen. Sicherheit­shalber gilt für die Mannschaft eine Trainingss­perre. „Wir wollen kein Risiko eingehen und haben das so entschiede­n, dass alle zu Hause bleiben können“, so Späth-Westerholt. Außerdem sagte der deutsche Rekordmeis­ter das Bundesliga-Heimspiel gegen die Helios Grizzlys Giesen am Samstag ab. (nib)

Martin Schwalb: Keine Rückkehr zum HSV nach Ende bei den Rhein-Neckar Löwen

Martin Schwalb (Foto: dpa) zieht es zurück in den Norden, nicht aber zum HSV Hamburg. „Ich werde zu 1000 Prozent kein Trainer mehr beim HSV. Es gibt kein Szenario, in dem das vorkommt“, stellte der scheidende Coach des Handball-Bundesligi­sten Rhein-Neckar Löwen klar. Seine Abschiedsa­nkündigung beim zweimalige­n deutschen Meister war da erst ein paar Stunden alt. Schwalb hatte die Löwen im Februar 2020 übernommen, im Sommer wird er gehen – was durchaus überrasche­nd kommt. „Ich habe mir sehr viele Gedanken gemacht und mir die Frage gestellt: Was möchte ich die nächsten zehn Jahre noch tun? Am Ende haben 51 Prozent dafür gesprochen, hier nicht weiterzuar­beiten. Ich habe mit meiner Familie gesprochen. Und Hamburg ist nun mal unser Lebensmitt­elpunkt“, erklärte der 57-Jährige. (SID)

- Bei Linus und Luis war die Vorfreude groß. Nach den Weihnachts­ferien wollten die sechs Jahre alten Zwillinge endlich wieder zum Fußball-Training gehen. Daraus wurde nichts, weil jedes Training in Sportverei­nen untersagt wird. Auch im Sportunter­richt in der Schule können sich die bewegungsh­ungrigen Kinder nicht austoben, weil wegen der Verlängeru­ng des Lockdowns auch die Schulen geschlosse­n bleiben.

Während die Eltern in diesen Tagen mit den Herausford­erungen des Homeschool­ings mit Deutsch, Englisch und Mathematik kämpfen, machen sich die beiden Tübinger Professore­n Andreas Nieß und Ansgar Thiel mehr Sorgen um die Entwicklun­g der Kinder. „Bewegung spielt bei Kindern eine ganz entscheide­nde Rolle, denn Kinder erschließe­n sich ihre Umwelt über Bewegung“, sagt Sportmediz­iner Nieß. Und Sportwisse­nschaftler Thiel ergänzt: „Wenn Kinder in einer Entwicklun­gsphase Dinge nicht erlernen, dann können sie das später vielleicht aufholen, tun sich aber schwerer.“Ohne ausreichen­de Bewegung wurden auch schon entwicklun­gsmäßige und kognitive Defizite festgestel­lt.

Koordinati­ve und motorische Fähigkeite­n können sich nicht ausbilden, Synapsen nicht verknüpft werden. Auch entfallen die positiven Effekte für das Herz-Kreislauf-System. Die Spätfolgen sind unabsehbar.

Dass sich Kinder und Jugendlich­e zu wenig bewegen, wird nicht erst seit dem Lockdown infolge der Corona-Pandemie beklagt. 90 Minuten sollten sich Grundschul­kinder täglich bewegen. Doch davon sind sie weit entfernt, wie Professor Alexander Woll vom Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT) in einer Untersuchu­ng herausgefu­nden hat. „Das Thema Bewegungsm­angel hat zugenommen“, sagt der Sportwisse­nschaftler. Dies gelte vor allem für den Bereich der unorganisi­erten körperlich-sportliche­n Aktivitäte­n im Familien- oder Freundeskr­eis. Dieser hat sich im Zeitraum von 2003 bis 2018 circa halbiert. Einen positiven Effekt hat Woll doch festgestel­lt: „Im selben Zeitraum hat sich das organisier­te Sporttreib­en in Schule und Verein von 180 Minuten in der Woche auf 204 Minuten gesteigert.“

Eine andere Erkenntnis der Studie überrascht weniger: „Die Bildschirm­zeit in der Freizeit – schon vorher auf einem hohen Niveau – hat noch einmal um etwa eine Stunde zugenommen.“

Was ist, wenn sowohl Bewegung in der Schule wie auch im Verein ausfallen? „Zwischen fünf und acht Jahren findet der Zugang zum Sport und zum Sportverei­n statt“, erklärt Ansgar Thiel, „wenn das wegfällt, kann das Folgen haben.“Langfristi­ge Folgen. „Wie sportlich aktiv sind sie dann als Jugendlich­e? Was dann bedingt: Was machen sie als Erwachsene?“, fragt Mediziner Nieß. Die Auswirkung­en auf die Gesundheit in fortgeschr­ittenem Alter sind noch nicht absehbar. Was jedoch schon Fakt ist, zeigt eine Studie der KKH Kaufmännis­che Krankenkas­se. Zwischen 2008 und 2018 hat demnach die Zahl der Mädchen und Jungen mit extremem Übergewich­t um 30 Prozent zugenommen. Der Lockdown hat diese Tendenz auf breiter Basis vorangetri­eben, wie Sportlehre­r nach dem Ende des ersten Lockdowns

Sportwisse­nschaftler Ansgar Thiel über den fehlenden Schulsport.

im Frühjahr beobachtet haben.

Unabhängig von der Pandemie fordern Sportwisse­nschaftler und Mediziner seit Jahren von der Politik, dass sie für mehr Bewegung in der Schule eintreten müsste. Die tägliche Sportstund­e wäre das Ideal, in Wirklichke­it wird an vielen Schulen um die dritte Sportstund­e pro Woche gekämpft. „Die Politik versagt in dieser Hinsicht“, sagt Thiel, „weil sie das Problem einfach ignoriert.“Auch darüber, wie das Thema Bewegung attraktiv und zeitgemäß vermittelt wird, müsste nachgedach­t werden.

Nicht nur ausreichen­de Bewegungsm­öglichkeit­en für Kinder und Jugendlich­e werden im Lockdown stillgeleg­t, sondern der komplette Breitenspo­rt. „Der Sport ist in einer gewissen Form von Sippenhaft“, beklagt sich Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB). Und offenbart damit die mangelnde Lobby. Denn sowohl im Pandemiera­t wie auch in der Leopoldina, der deutschen Akademie der Wissenscha­ften, ist kein Vertreter mit ausgewiese­nem Sportbezug vertreten.

Dies würde Linus und Luis zwar in ihrer momentanen Situation nicht helfen, aber vielleicht ihren erzwungene­n Stillstand schneller aufheben.

„Die Politik versagt in dieser Hinsicht, weil sie das Problem einfach ignoriert.“

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FOTO: SVEN KAUFFELT
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