Heuberger Bote

Freie Stimme der freien Welt

Der ehemalige „Rundfunk im amerikanis­chen Sektor“RIAS wäre 75 Jahre alt geworden

- Von Christof Bock

(dpa) - Der RIAS hat zu Westberlin gehört wie Flusspferd Knautschke und die Freiheitsg­locke. Der Rundfunk im amerikanis­chen Sektor strahlte tief in die DDR hinein und verbreitet­e die westliche Idee von Freiheit. An diesem Sonntag wäre der Radiosende­r 75 Jahre alt geworden. Als „Drahtfunk im amerikanis­chen Sektor“war die Welle erstmals am 7. Februar 1946 auf Langwellen-Frequenz zu hören gewesen. Der später in „Rundfunk im amerikanis­chen Sektor“umbenannte Sender spielte insbesonde­re während der Frühzeit der deutschen Teilung für Hörer in Ostdeutsch­land eine gewaltige Rolle. Für die Westberlin­er war er außerdem über Jahrzehnte hinweg ein wichtiges Stück Identität.

„Noch heute erzählen mir manchmal Menschen von ihren Erinnerung­en an bestimmte Sendungen“, sagt Deutschlan­dradio-Intendant Stefan Raue, dessen Anstalt den 1993 eingestell­ten RIAS beerbt hat. „Dann bin ich erstaunt, wie präsent dieser Sender noch immer ist, den es seit mehr als einem Vierteljah­rhundert nicht mehr gibt.“Der RIAS sei der vielleicht wirkmächti­gste Brückenbau­er zwischen Ost und West gewesen.

Die DDR-Oberen warfen dem Sender immer wieder Propaganda für die USA vor, die ihn 1946 ins Leben gerufen hatten. Der RIAS wurde wiederum nicht müde, Unrecht hinter dem Eisernen Vorhang anzuprange­rn. Die Welle hatte für die US-Politik eine enorme strategisc­he Bedeutung. Es ging darum, die westliche Idee von Freiheit zu verbreiten. Das konnten Störsender, die den Empfang verzerrten, nicht verhindern.

„Der RIAS Berlin war als freie Stimme der freien Welt stilprägen­d“, erläutert Florian Schütz, einer der beiden Kuratoren der Ausstellun­g „On Air. 100 Jahre Radio“im Museum für Kommunikat­ion Berlin. „Der RIAS spielt im Rundfunkko­ntext eine große Rolle als Gegengewic­ht

zur DDR.“Großes Gewicht hatten die Sendungen aus dem RIASFunkha­us in Berlin-Schöneberg beim Volksaufst­and in der DDR, der am 17. Juni 1953 niedergesc­hlagen wurde, wie Schütz sagt: „Letztendli­ch ist bei den Ostberline­r Hörern der Eindruck entstanden, dass ihre Protestbew­egung vom Westen, vom RIAS aktiv unterstütz­t wird.“

Viele prominente Namen der Nachkriegs­zeit sind eng mit diesem Sender verbunden. Chefredakt­eur Egon Bahr (1922-2015) stieg unter Kanzler Willy Brandt zum Architekte­n einer neuen Ostpolitik auf. Hans Rosenthal (1925-1987) wurde als RIAS-Abteilungs­leiter für Unterhaltu­ng und Moderator mit seiner stets herzlichen, offenen Art Publikumsl­iebling in Ost und West. Seine Formate „Allein gegen alle“und „Wer fragt, gewinnt“waren Meilenstei­ne des Radio-Entertainm­ents, noch bevor Rosenthal mit „Dalli Dalli“im Fernsehen durchstart­ete. Friedrich Luft (1911-1990), der in der Sendung

„Stimme der Kritik“von 1946 bis 1990 Aufführung­en Berliner Bühnen besprach, war einer der führenden Köpfe des westdeutsc­hen Feuilleton­s. „Gleiche Stelle, gleiche Welle, herzlich auf Wiederhöre­n“, sagte er jeden Sonntag zu seinen Hörern. Die Formel wurde zum geflügelte­n Wort. Die Liste hochkaräti­ger Reporter ließe sich lange fortsetzen.

Nach dem Fall der Mauer und der Wiedervere­inigung war in den 1990ern eine Hauptfunkt­ion des RIAS hinfällig geworden. In Ostdeutsch­land entstanden flächendec­kend neue öffentlich-rechtliche Anstalten. Die freie Stimme der freien Welt hatte sich selbst überlebt. 1994 wurde der RIAS mit dem ostdeutsch­en Deutschlan­dsender Kultur und dem Deutschlan­dfunk im neuen Deutschlan­dradio-Verbund zusammenge­fasst. Mit den Jahren folgten neue Strukturen und mehrfach neue Namen. Heute sendet im Funkhaus am Hans-Rosenthal-Platz Deutschlan­dfunk Kultur.

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Foto zeigt den bekannten RIAS-Schriftzug. Der 2015 verstorben­e Egon Bahr (Foto li.) war vor seiner Parteikarr­iere bei der SPD Kommentato­r bei RIAS, genauso wie Hans Rosenthal (Foto re.), der durch die TV-Sendung „Dalli Dalli“berühmt geworden ist. Das mittlere
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FOTOS: DPA

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