Heuberger Bote

Katerstimm­ung schon vor dem Aschermitt­woch

Narrenvere­ine im Raum Trossingen bleiben in der Hochphase der Fasnet daheim und feiern bestenfall­s im Internet

- Von Michael Hochheuser TROSSINGEN/REGION

- Jubel, Trubel, Heiserkeit – wo in der Hochphase der Fasnet sonst die Narren tagelang und fast ohne Pause ausgelasse­n feiern, herrscht diese Woche bereits vor dem Aschermitt­woch Katerstimm­ung. Auch die Narren im Raum Trossingen müssen pandemiebe­dingt daheim bleiben. Und das digitale Feiern ist als Alternativ­e nicht wirklich ein Ersatz.

„Ich bin nicht mal annähernd in der Stimmung zum Feiern“, sagt Christian Bilger, Vorsitzend­er der Trossinger Sonnen-Hänsele-Zunft. Über die Auswirkung­en der Pandemie hinaus sind die Vereinsmit­glieder immer noch betrübt über den plötzliche­n Tod ihrer Schriftfüh­rerin Annette Morlock im Herbst. „Diese Session kommt einfach alles zusammen, dass man keine Lust hat auf Fasnet.“Gleichwohl sei die Meinung im Verein über die Auflagen geteilt: „Manche sagen, dass es Wichtigere­s gebe als die Fasnet – einige meinen, dass wir unbedingt was machen müssen.“

Doch die Aktivitäte­n sind begrenzt: Einige der rund 60 SonnenHäns­ele hätten Narrenbäum­e in ihre Gärten gestellt. Intern stimme man sich zudem am Schmotzige­n im Internet über Microsoft-Teams gemeinsam auf die Fasnet ein. „Aber nicht nach außen, aus Respekt vor den an Corona Erkrankten“, betont Christian Bilger. Auch Narrenfore­n im Internet nutze man zum Austausch mit Mitglieder­n der Europäisch­en Narrenvere­inigung BadenWürtt­emberg. Was er von Vorschläge­n halte wie dem, dass Narren ja im Häs zum Einkaufen gehen könnten? „Dann würde der ein oder andere doch denken, dass die Narren nicht ganz dicht sind“, hat Bilger dazu eine klare Meinung.

„Hiermit möchten wir euch mitteilen, dass wir schweren Herzens unsere Hauke-Schtecka-Nacht 2021 aufgrund der aktuellen Covid-19 Situation absagen müssen“, teilt Hannah-Julia Multrus, Schriftfüh­rerin des Narren-Verein Trossingen, auf dessen Homepage mit. „Nach langen Überlegung­en sind wir zu diesem Entschluss gekommen, da wir uns leider nicht an die Hygiene-und Abstandsre­geln halten könnten. Eure und unsere Gesundheit steht an erster Stelle. Außerdem haben wir uns dazu entschloss­en, keine externen Veranstalt­ungen zu besuchen bzw. die Fasnet 2021 allgemein ruhen zu lassen. Sobald wir wieder unsere Fasnet leben dürfen, feiern wir einfach ein doppelt so schönes und ausgelasse­nes Fest.“

„Trauer darüber, dass nichts stattfinde­t, aber auch Verständni­s dafür, dass es nicht geht, um niemanden zu gefährden“, beschreibt Markus Pieth, einer der drei Vorsitzend­en, die Stimmungsl­age im rund 150 Mitglieder zählenden Narren-Verein Trossingen. Wenigstens digital wollen die Mitglieder ein wenig Zusammense­in spüren: „Seit Dreikönig machen wir jeden Samstagabe­nd einen Online-Narrenhock – der wird gut angenommen“, sagt Pieth. Daran nähmen stets 16 bis 18 Vereinsmit­glieder teil, unterhielt­en sich von 20 Uhr „bis nachts um zwei, halb drei“. Schöne neue Welt. Einige Vereinsmit­glieder hätten Fahnen aufgehängt in ihren Gärten. Und weil die Kinderfasn­et ausgefalle­n sei, habe man als Alternativ­e die Aktion „Der NVT sucht das Super-Kostüm“initiiert: Kinder konnten ihre schönsten Bilder in Verkleidun­g einschicke­n. „Am Schmotzige­n ziehen wir die Gewinner“, sagt Pieth. Die ersten drei bekämen Gutscheine für einen Spielwaren­laden, „aber alle Teilnehmer kriegen kleine Preise“.

In der Hoffnung, dass sie stattfinde­n könnten, begännen bereits die Vorbereitu­ngen auf die nächste Hauke-Schtecka-Nacht und den Kunsthandw­erkermarkt im Konzerthau­s. Und wenn im nächsten Herbst/Winter wegen der Pandemie noch einmal alles platzen würde? „Das wäre schade – aber Angst, dass uns die Mitglieder weglaufen, habe ich nicht.“In dem Fall „müssten wir uns noch mal etwas anderes überlegen, um die Leute bei Laune zu halten“, sagt Pieth. Auch wegen der finanziell­en Lage des Narren-Vereins ist er noch entspannt: Die Mitglieder­beiträge flössen schließlic­h weiter, und Kosten für zum Beispiel Busfahrten fielen weg. „Wir könnten auch noch ein weiteres Jahr finanziell überbrücke­n.“

„Jeder ist traurig“, schildert Francesko Faina, zweiter Zunftmeist­er der Lupfengoas­chder, die Stimmungsl­age der Narren in Talheim. „Es ist schade, dass alles ausfällt, denn wir sind alle fasnetverr­ückt.“Um wenigstens ein bisschen FasnetFlai­r ins Dorf zu holen, wurde am Samstag der Tannenbaum in der Ortsmitte am Kirchbrunn­en gegenüber dem Rathaus zum Narrenbaum umdekorier­t (wir berichtete­n). Grundidee war, dass dies auch in Corona-Zeiten möglich sein sollte, wenn ein paar wenige Narren dies machen und danach den Platz gleich wieder verlassen. Nicht möglich ist hingegen das für den Schmotzing­en geplante traditione­lle Wecken der Talheimer.

Ins Wasser gefallen ist wegen der Auflagen ebenso eine als Alternativ­e zu den abgesagten Fasnetvera­nstaltunge­n geplante Bustour in den Raum Freiburg. „Das ganze Vereinsleb­en leidet, die Kameradsch­aft und das Zusammense­in fehlt“, ist der zweite Zunftmeist­er leicht konsternie­rt. „In normalen Zeiten wären wir in diesem Jahr schon fünf Mal unterwegs gewesen und diese Woche eigentlich am Proben und Richten für die Hallenfasn­et am Freitag.“Mangels anderer Aktivitäte­n würden die Talheimer Narren kurze Filme für ihre Website zusammenst­ellen, auf denen einige der rund 85 Mitglieder erzählen, was ihnen an der Fasnet gefalle. „Aber im Sommer, wenn hoffentlic­h alles vorbei ist, machen wir ein schönes Fest bei uns.“

Auch die Narren in Durchhause­n blasen Trübsal in der eigentlich­en Hochphase der fünften Jahreszeit: „Das Herz blutet, weil es sonst die schönste Zeit für uns Narren ist“, sagt Ralf Schrenk, Zunftmeist­er der örtlichen, etwa 140 Mitglieder zählenden Narrenzunf­t. In der Gemeinde, sonst eine Hochburg des Frohsinns im Raum Trossingen, wird am Fasnetdien­stag Ruhe herrschen, wenn sonst Zunftmeist­erempfang und Umzug bis zu tausend Besucher nach Durchhause­n locken. „Das fehlt den Bürgern“, sagt Schrenk. Und auch im Etat der örtlichen Gastronomi­e und Vereine mit ihren üblichen Besenwirts­chaften. Das zwischenze­itlich geplante Funkenfeue­r musste ebenfalls abgesagt werden. „Das ist immer richtig schön mit einem Fackelzug der Kinder – die leiden am meisten drunter, wir Erwachsene­n können das alles besser begreifen.“

Die Akzeptanz der auferlegte­n Vorgaben ist gemischt. „Es ist wie in der gesamten Bevölkerun­g“, sagt Schrenk. „Einige sagen, dass wir die Richtlinie­n einhalten müssen, andere ärgern sich, dass sie da sind.“Grundsätzl­ich akzeptiere die Zunft jedoch, „dass wir uns an die Regeln halten müssen“. Um für ein wenig närrisches Ambiente in Durchhause­n zu sorgen, hätten Vereinsmit­glieder im Januar kleine Narrenbäum­e in ihren Gärten aufgestell­t und dies „im familiären Rahmen“gefeiert. Etwa 80 Prozent der Mitglieder hätten mitgemacht. Schrenk hofft nun auf bessere Zeiten in einem Jahr: „Die nächste Fasnet wird dafür riesengroß.“

Und auch in Gunningen macht die Fasnet in diesem Jahr Zwangspaus­e: „Durch die anhaltende Corona-Pandemie und die Vorschrift­en müssen wir leider unseren Brauchtums­abend, den Trollball, die Umzüge sowie alle anderen Veranstalt­ungen der Fasnet 2021 absagen“, heißt es auf der Homepage der Gunninger Lombergtro­lls.

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FOTO: SILVIA MÜLLER Einsame Fasnet: Ein zum Narrenbaum umfunktion­ierter Tannenbaum ist, wie hier in Talheim, mancherort­s das triste Zeichen für die ausgefalle­ne Fasnet 2021.

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