Katerstimmung schon vor dem Aschermittwoch
Narrenvereine im Raum Trossingen bleiben in der Hochphase der Fasnet daheim und feiern bestenfalls im Internet
- Jubel, Trubel, Heiserkeit – wo in der Hochphase der Fasnet sonst die Narren tagelang und fast ohne Pause ausgelassen feiern, herrscht diese Woche bereits vor dem Aschermittwoch Katerstimmung. Auch die Narren im Raum Trossingen müssen pandemiebedingt daheim bleiben. Und das digitale Feiern ist als Alternative nicht wirklich ein Ersatz.
„Ich bin nicht mal annähernd in der Stimmung zum Feiern“, sagt Christian Bilger, Vorsitzender der Trossinger Sonnen-Hänsele-Zunft. Über die Auswirkungen der Pandemie hinaus sind die Vereinsmitglieder immer noch betrübt über den plötzlichen Tod ihrer Schriftführerin Annette Morlock im Herbst. „Diese Session kommt einfach alles zusammen, dass man keine Lust hat auf Fasnet.“Gleichwohl sei die Meinung im Verein über die Auflagen geteilt: „Manche sagen, dass es Wichtigeres gebe als die Fasnet – einige meinen, dass wir unbedingt was machen müssen.“
Doch die Aktivitäten sind begrenzt: Einige der rund 60 SonnenHänsele hätten Narrenbäume in ihre Gärten gestellt. Intern stimme man sich zudem am Schmotzigen im Internet über Microsoft-Teams gemeinsam auf die Fasnet ein. „Aber nicht nach außen, aus Respekt vor den an Corona Erkrankten“, betont Christian Bilger. Auch Narrenforen im Internet nutze man zum Austausch mit Mitgliedern der Europäischen Narrenvereinigung BadenWürttemberg. Was er von Vorschlägen halte wie dem, dass Narren ja im Häs zum Einkaufen gehen könnten? „Dann würde der ein oder andere doch denken, dass die Narren nicht ganz dicht sind“, hat Bilger dazu eine klare Meinung.
„Hiermit möchten wir euch mitteilen, dass wir schweren Herzens unsere Hauke-Schtecka-Nacht 2021 aufgrund der aktuellen Covid-19 Situation absagen müssen“, teilt Hannah-Julia Multrus, Schriftführerin des Narren-Verein Trossingen, auf dessen Homepage mit. „Nach langen Überlegungen sind wir zu diesem Entschluss gekommen, da wir uns leider nicht an die Hygiene-und Abstandsregeln halten könnten. Eure und unsere Gesundheit steht an erster Stelle. Außerdem haben wir uns dazu entschlossen, keine externen Veranstaltungen zu besuchen bzw. die Fasnet 2021 allgemein ruhen zu lassen. Sobald wir wieder unsere Fasnet leben dürfen, feiern wir einfach ein doppelt so schönes und ausgelassenes Fest.“
„Trauer darüber, dass nichts stattfindet, aber auch Verständnis dafür, dass es nicht geht, um niemanden zu gefährden“, beschreibt Markus Pieth, einer der drei Vorsitzenden, die Stimmungslage im rund 150 Mitglieder zählenden Narren-Verein Trossingen. Wenigstens digital wollen die Mitglieder ein wenig Zusammensein spüren: „Seit Dreikönig machen wir jeden Samstagabend einen Online-Narrenhock – der wird gut angenommen“, sagt Pieth. Daran nähmen stets 16 bis 18 Vereinsmitglieder teil, unterhielten sich von 20 Uhr „bis nachts um zwei, halb drei“. Schöne neue Welt. Einige Vereinsmitglieder hätten Fahnen aufgehängt in ihren Gärten. Und weil die Kinderfasnet ausgefallen sei, habe man als Alternative die Aktion „Der NVT sucht das Super-Kostüm“initiiert: Kinder konnten ihre schönsten Bilder in Verkleidung einschicken. „Am Schmotzigen ziehen wir die Gewinner“, sagt Pieth. Die ersten drei bekämen Gutscheine für einen Spielwarenladen, „aber alle Teilnehmer kriegen kleine Preise“.
In der Hoffnung, dass sie stattfinden könnten, begännen bereits die Vorbereitungen auf die nächste Hauke-Schtecka-Nacht und den Kunsthandwerkermarkt im Konzerthaus. Und wenn im nächsten Herbst/Winter wegen der Pandemie noch einmal alles platzen würde? „Das wäre schade – aber Angst, dass uns die Mitglieder weglaufen, habe ich nicht.“In dem Fall „müssten wir uns noch mal etwas anderes überlegen, um die Leute bei Laune zu halten“, sagt Pieth. Auch wegen der finanziellen Lage des Narren-Vereins ist er noch entspannt: Die Mitgliederbeiträge flössen schließlich weiter, und Kosten für zum Beispiel Busfahrten fielen weg. „Wir könnten auch noch ein weiteres Jahr finanziell überbrücken.“
„Jeder ist traurig“, schildert Francesko Faina, zweiter Zunftmeister der Lupfengoaschder, die Stimmungslage der Narren in Talheim. „Es ist schade, dass alles ausfällt, denn wir sind alle fasnetverrückt.“Um wenigstens ein bisschen FasnetFlair ins Dorf zu holen, wurde am Samstag der Tannenbaum in der Ortsmitte am Kirchbrunnen gegenüber dem Rathaus zum Narrenbaum umdekoriert (wir berichteten). Grundidee war, dass dies auch in Corona-Zeiten möglich sein sollte, wenn ein paar wenige Narren dies machen und danach den Platz gleich wieder verlassen. Nicht möglich ist hingegen das für den Schmotzingen geplante traditionelle Wecken der Talheimer.
Ins Wasser gefallen ist wegen der Auflagen ebenso eine als Alternative zu den abgesagten Fasnetveranstaltungen geplante Bustour in den Raum Freiburg. „Das ganze Vereinsleben leidet, die Kameradschaft und das Zusammensein fehlt“, ist der zweite Zunftmeister leicht konsterniert. „In normalen Zeiten wären wir in diesem Jahr schon fünf Mal unterwegs gewesen und diese Woche eigentlich am Proben und Richten für die Hallenfasnet am Freitag.“Mangels anderer Aktivitäten würden die Talheimer Narren kurze Filme für ihre Website zusammenstellen, auf denen einige der rund 85 Mitglieder erzählen, was ihnen an der Fasnet gefalle. „Aber im Sommer, wenn hoffentlich alles vorbei ist, machen wir ein schönes Fest bei uns.“
Auch die Narren in Durchhausen blasen Trübsal in der eigentlichen Hochphase der fünften Jahreszeit: „Das Herz blutet, weil es sonst die schönste Zeit für uns Narren ist“, sagt Ralf Schrenk, Zunftmeister der örtlichen, etwa 140 Mitglieder zählenden Narrenzunft. In der Gemeinde, sonst eine Hochburg des Frohsinns im Raum Trossingen, wird am Fasnetdienstag Ruhe herrschen, wenn sonst Zunftmeisterempfang und Umzug bis zu tausend Besucher nach Durchhausen locken. „Das fehlt den Bürgern“, sagt Schrenk. Und auch im Etat der örtlichen Gastronomie und Vereine mit ihren üblichen Besenwirtschaften. Das zwischenzeitlich geplante Funkenfeuer musste ebenfalls abgesagt werden. „Das ist immer richtig schön mit einem Fackelzug der Kinder – die leiden am meisten drunter, wir Erwachsenen können das alles besser begreifen.“
Die Akzeptanz der auferlegten Vorgaben ist gemischt. „Es ist wie in der gesamten Bevölkerung“, sagt Schrenk. „Einige sagen, dass wir die Richtlinien einhalten müssen, andere ärgern sich, dass sie da sind.“Grundsätzlich akzeptiere die Zunft jedoch, „dass wir uns an die Regeln halten müssen“. Um für ein wenig närrisches Ambiente in Durchhausen zu sorgen, hätten Vereinsmitglieder im Januar kleine Narrenbäume in ihren Gärten aufgestellt und dies „im familiären Rahmen“gefeiert. Etwa 80 Prozent der Mitglieder hätten mitgemacht. Schrenk hofft nun auf bessere Zeiten in einem Jahr: „Die nächste Fasnet wird dafür riesengroß.“
Und auch in Gunningen macht die Fasnet in diesem Jahr Zwangspause: „Durch die anhaltende Corona-Pandemie und die Vorschriften müssen wir leider unseren Brauchtumsabend, den Trollball, die Umzüge sowie alle anderen Veranstaltungen der Fasnet 2021 absagen“, heißt es auf der Homepage der Gunninger Lombergtrolls.