Heuberger Bote

Offenbarun­gseid der Einfallslo­sen

- Von Igor Steinle ●» politik@schwaebisc­he.de

Ein Jahr leidet das Land nun unter der Pandemie. Das Einzige jedoch, was der Kanzlerin und den Ministerpr­äsidenten nach jedem Treffen einfällt, lautet: „Wir bleiben zu Hause“. Es ist ein Offenbarun­gseid der Einfallslo­sigkeit und Überforder­ung. Noch immer hat niemand eine Antwort geliefert, was den Sommer über getan wurde, um Todesfälle und Dauer-Lockdown zu vermeiden. Stattdesse­n offenbart die Krise den schauderha­ften Zustand des Staates.

Nicht nur die technische Vernachläs­sigung der Ämter und Schulen raubt einem den Atem. Es ist vor allem die Diskrepanz zwischen dem Ernst der Pandemie, den Politiker nicht müde werden zu beschreibe­n, und ihrem Handeln. Wäre es in der schlimmste­n Krise seit dem Krieg nicht angebracht, alles Menschenmö­gliche zu tun, sie schnellstm­öglich zu überwinden? Wohl nicht: Nach wie vor liefern viele Gesundheit­sämter montags keine aktuellen Zahlen. Das muss sich ändern.

Dass Covid-19 im Herbst vorbei ist, glaubt kein Spezialist, sagt SPDCorona-Guru Karl Lauterbach. Denn die Impfstoffe müssten aufgrund der Mutationen ständig weiterentw­ickelt werden. Sein Urteil: „Impflogist­ik, Luftfilter, Schnelltes­ts, Gensequenz­ierung, Studien. Alles noch schwach.“Dass genug passieren würde, um dem Desaster zu entgehen, ist nicht zu erkennen. „Ich habe die Sorge, dass wir im Herbst den Satz hören: Warum hat die Politik zum zweiten Mal den Sommer verschlafe­n?“, sagt Christiane Woopen, die Vorsitzend­e des EU-Ethikrats.

Der fehlende Wille aber, die Pandemie mit Mitteln der Moderne einzudämme­n, sorgt für menschlich­es Leid. Nicht nur viele Tote wären mit einem besseren Management vermeidbar gewesen – auch die Verzweiflu­ng vieler Menschen, Familien am Rande des Nervenzusa­mmenbruchs, Selbststän­diger vor dem Ruin. Wenn aus der Pandemie eine Lehre zu ziehen ist, dann, dass es so nicht weitergehe­n kann. Das Land muss nicht nur auf allen Ebenen modernisie­rt werden. Vor allem muss das Prinzip der Mut- und Einfallslo­sigkeit, dem viele Verantwort­liche folgen, endlich überwunden werden.

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