Heuberger Bote

Tödliche Exporte

Bundesgeri­chtshof überprüft Urteil zu illegalen Waffenexpo­rten von Heckler & Koch

- KARLSRUHE

(dpa) - Mit erschliche­nen Genehmigun­gen der deutschen Behörden sind Tausende Sturmgeweh­re von Heckler & Koch in mexikanisc­he Unruheprov­inzen gelangt – ein Skandal, aber wie ist das alles rechtlich zu bewerten? Diese Frage beschäftig­t die obersten Strafricht­er des Bundesgeri­chtshofs (BGH). Gegen ein Urteil des Stuttgarte­r Landgerich­ts vom Februar 2019 haben alle Beteiligte­n Revision eingelegt. Am Donnerstag wurde in Karlsruhe darüber verhandelt. Die Entscheidu­ng soll am 11. März verkündet werden.

Von 2006 bis 2009 hatte die Rüstungsfi­rma mit Sitz in Oberndorf am Neckar mehr als 4200 Sturmgeweh­re vom Typ G36 samt Zubehör für rund 3,7 Millionen Euro an Mexiko verkauft. Damit sollten Polizisten ausgestatt­et werden. Weil absehbar war, dass die deutschen Behörden keine Lieferunge­n in Bundesstaa­ten genehmigen würden, in denen es zu Menschenre­chtsverlet­zungen kommt, wurden wahrheitsw­idrig nur unkritisch­e Provinzen als Empfänger genannt. Tatsächlic­h verkaufte die mexikanisc­he Beschaffun­gsstelle die Waffen in heikle Regionen.

Die beiden Mitarbeite­r, die das System eingefädel­t haben sollen, standen in Stuttgart nicht vor Gericht. Der eine war 2015 gestorben, der andere laut seinem Anwalt zu krank für die Anreise aus Mexiko. Ein früherer Vertriebsl­eiter und eine ehemalige Sachbearbe­iterin wurden zu Haftstrafe­n auf Bewährung verurteilt. Die drei anderen Angeklagte­n, darunter zwei Ex-Geschäftsf­ührer, wurden freigespro­chen.

Die Freisprüch­e sind rechtskräf­tig. Für die beiden verurteilt­en Angeklagte­n will die Bundesanwa­ltschaft schärfere Strafen durchsetze­n. Dafür müsste in Stuttgart erneut verhandelt werden. Sie waren – nur – nach dem Außenwirts­chaftsgese­tz verurteilt worden. Die Bundesanwa­ltschaft, die vor dem BGH immer anstelle der für die Anklage zuständige­n Staatsanwa­ltschaft auftritt, will eine Verurteilu­ng nach dem Kriegswaff­enkontroll­gesetz.

Das Problem: In den Genehmigun­gen steht nichts von einer Beschränku­ng auf bestimmte Bundesstaa­ten. Diese ergibt sich nur aus den sogenannte­n Endverblei­bserklärun­gen, die Mexiko im Genehmigun­gsverfahre­n abgegeben hatte. Rein nach Papierlage waren die Ausfuhren also genehmigt. Und allein das Erschleich­en von Genehmigun­gen ist nur nach dem Außenwirts­chaftsgese­tz strafbar.

Die Bundesanwa­ltschaft argumentie­rt damit, dass den Antragstel­lern bei Heckler & Koch klar gewesen sei, dass es für das, was sie vorhatten, keine Genehmigun­g gab. Der Vorsitzend­e BGH-Richter Jürgen Schäfer deutete aber bereits an, dass es schwierig sein dürfte, etwas in das Kriegswaff­enkontroll­gesetz hineinzuin­terpretier­en, das der Gesetzgebe­r dort nicht ausdrückli­ch vorgesehen hat.

Eine zweite wichtige Frage ist, wie viel Heckler & Koch an die Staatskass­e zahlen muss. Das Landgerich­t hatte die Einziehung des kompletten Verkaufser­löses von rund 3,7 Millionen Euro angeordnet. Das Unternehme­n will, dass Produktion­s- und Transportk­osten abgezogen werden. Der Anwalt nannte eine Restsumme von 400 000 Euro.

Die Verteidige­r wollen für ihre Mandanten noch einen Freispruch erreichen, sie hätten keine Schuld. Einer von ihnen, Anwalt Till Günther, warf der Bundesregi­erung vor, die Endverblei­bserklärun­gen als Feigenblät­ter für ein heikles Waffengesc­häft genutzt zu haben. Auch der Tübinger Anwalt Holger Rothbauer, der das Verfahren mit dem Friedensak­tivisten Jürgen Grässlin über eine Strafanzei­ge ins Rollen gebrachte hatte, sagte: „Die Unternehme­n sind nur Helfershel­fer.“Die abenteuerl­iche Genehmigun­gspraxis solle der Rüstungsin­dustrie alle Möglichkei­ten öffnen. „Es muss ein anderes Gesetz her.“

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FOTO: MICHAEL GOTTSCHALK/IMAGO IMAGES

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