Epochaler Einschnitt für die CDU
Die Landtagswahl 2021 bedeutet für die Christdemokraten einen epochalen Einschnitt
Erstmal seit Jahrzehnten verliert sie in Spaichingen ihren Platz an der Spitze.
- Es ist ein epochaler Einschnitt, das Ergebnis der Landtagswahl in Spaichingen: Erstmals seit 1906 sind nicht mehr das Zentrum beziehungsweise die Nachfolgepartei CDU stärkste politische Partei in Spaichingen.
Das sind die wichtigsten Etappen nach dem Krieg: 1952 lag die CDU bei 36,8 Prozent. Das wurde mehrfach in einer Spanne von etwa fünf Prozent über- oder unterschritten. Spitzenwert und Ausreißer war dann allerdings 1972 (66 Prozent) und 1976 mit Spitzenwert 68,8 Prozent. Danach gingen die Werte schleichend mit einzelnen kleineren Dellen nach unten. Der größte Sprung war zwischen 2001 und 2006 von 65,1 auf 48,3 Prozent. Das könnte auch mit kommunalpolitischen Besonderheiten zu tun haben: Während der Amtszeit des früheren Bürgermeisters zersplitterte sich die politische Landschaft. Fast zwölf Prozent verlieren die Christdemokraten dann noch einmal zwischen 2011 (44,9) und 2016 (33,1). Erstmals mit der Silbermedaille muss sich die CDU dann am Sonntag begnügen mit 28,7 Prozent.
Die Grünen treten seit 1980 in Spaichingen auf den Plan, überschreiten in der Wahl von 1984 die fünf Prozent (6,1) und bleiben im einstelligen Bereich mit dem höchsten Ergebnis 8,9 Prozent im Jahr 1996. Bis sie 2011 den Sprung von 8,7 auf 18,3 Prozent schaffen und damit mit zum Wahlsieg der Grünen im Land beitragen. Es blieb aber sozusagen in der Familie, immerhin ist Kretschmann in Spaichingen geboren und im Katholizismus verankert. 2016 legen die Grünen in Spaichingen nochmal nach auf 28,3 Prozent und holen nun am Sonntag die CDU erstmals ein mit 30,6 Prozent.
Es sind also Entwicklungen und keine saisonalen Phänomene. Allein mit dem schleichenden Bedeutungsverlust der Kirchen lässt sich das aber nicht begründen, denn in der Summe sind die sehr konservativen Grünen in Baden-Württemberg keineswegs kirchenfeindlich und schon gar nicht der Ministerpräsident.
Einer, für den die komfortable absolute Mehrheit, auch im Gemeinderat, eher die Normalität war, ist der frühere CDU-Vorsitzende (1972 bis 1998) Franz Schuhmacher. Für ihn ist diese Wahl – um mit Röttgen zu sprechen – ein Weckruf: „Eine Volkspartei
soll, will, muss nahe bei den Menschen sein“, sagt er. Die CDU solle sich, so empfinde er es, in Verantwortung vor Gott und den Menschen auf ihre Wurzeln beziehen. Dazu gehöre demokratisch, freiheitlich und liberal zu sein, Ehrlichkeit und Fleiß, Gemeinsinn und ein Menschenbild, das jeden nach seinen Talenten nimmt und fördert: „Und dass man sich um die Schwachen kümmert, um Bildung und ums Klima.“Dass die CDU bisher immer die Reform der Lobbyismusgesetzgebung blockiert hat, hält er für falsch. „Wir müssen uns immer fragen: Wie können wir zusammen voran kommen, so dass es allen recht geht, auch international? Wir wollen einander vertrauen können.“Gemeinsamkeit beginne für ihn damit, zum Telefon zu greifen, wenn jemand einsam ist, oder einen Kuchen vorbei zu bringen.
Allerdings schreibe er das Wahlergebnis vor allem auch Winfried Kretschmann zu. „Sie kennen mich“identifizierten die Leute mit Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit.