Interesse an Wahlen schwankt
Auch in der Region zeigen sich über die letzten 25 Jahre deutliche Unterschiede
In der Region zeigen sich über die letzten 25 Jahre deutliche Unterschiede.
- Nicht nur in diesen Pandemiezeiten ist die Beteiligung an Landtagswahlen einige Prozentpunkte geringer als bei den Wahlen zum Bundestag. Für Menschen aus den vielen Ländern, in denen es bis heute keine freien Wahlen gibt, bleibt oft unverständlich, dass sich bei uns nur etwas mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten dazu aufrafft, an den Abstimmungen teilzunehmen. Dabei artikuliert sich nach dem Willen des Grundgesetzes der Volkswille ganz bewusst in Wahlen und Abstimmungen.
Es gibt aber gravierende Unterschiede in Punkto Wahlbeteiligung zwischen den Geschlechtern und Altersgruppen. Vergleicht man landesweit die Wahlbeteiligung von Männern und Frauen anhand der Daten der repräsentativen Statistik, wird deutlich, dass tendenziell mehr Männer als Frauen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Besonders in den höheren Altersgruppen beteiligen sich deutlich mehr Männer als Frauen an Wahlen. So gingen landesweit vor fünf Jahren 73,3 Prozent der über 70jährigen wahlberechtigten Männer im Gegensatz zu 62 Prozent der Frauen aus dieser Altersgruppe zur Wahl.
Als möglicher Grund wird vielfach die Tatsache angesehen, dass mehr Frauen als Männer ein besonders hohes Alter erreichen. Körperliche Einschränkungen, die die Teilnahme an Wahlen beeinträchtigen können, verhindern dann einen höheren Anteil an Wählerinnen in dieser Gruppe ab 70.
Auch in den jüngeren Altersgruppen gibt es Unterschiede in der Wahlbeteiligung. Allerdings sind diese nicht geschlechterspezifisch, sondern es zeigte sich, dass bei der letzten Wahl 2016 nur magere 56 Prozent der unter 20-Jährigen an der Wahl teilnahmen. Deshalb mag die Sorge um die Zukunftsfähigkeit der freiheitlichen Demokratie in den kommenden Generationen gerechtfertigt sein.
Letzte Rekordbeteiligung im Land war 1972 mit 80 Prozent
Vor knapp 50 Jahren gingen in BadenWürttemberg rund 80 Prozent an die Wahlurne, während im Jahr 2006 lediglich 53,4 Prozent registriert werden konnten.
Nach diesem Tiefpunkt schnellte das Interesse an der Politik vor fünf Jahren sprunghaft auf etwas über 70 Prozent nach oben. Viele Wahlbeobachter führten das jedoch nicht auf ein wieder erwachtes Demokratieinteresse, sondern auf eine Reaktion auf die Flüchtlingsaufnahmen zurück. Als Beweis für diesen Rückschluss kann man den Einzug der AfD in den Landtag unschwer heranziehen.
Wie war das Wahlverhalten im heimatlichen Bereich?
Die letzten 25 Jahre gab es auch, analog zum landesweiten Trend, im Einzugsgebiet des „Heuberger Bote“einige positive und negative Ausreißer zu verzeichnen. Dabei haben sich in den 16 Kommunen zwar überwiegend Korrelationen zwischen der gesteigerten Wahlbeteiligung und dem AfD-Prozentsatz bei der „Protestwahl 2016“offenbart, doch gibt es besonders bei kleineren Gemeinden gewisse Ausnahmen.
In den im Schaubild dargestellten 16 Kommunen nahm die Wahlbeteiligung von 2011 auf 2016 im Durchschnitt um 7,2 Punkte zu, wobei die Protestpartei AfD aus dem Stand heraus auf über 15 Prozent kam. Daraus kann abgeleitet werden, dass auch etwa die Hälfte der Wähler aus dem Spektrum der sogenannten „Altparteien“abgewandert sind.
Eine Sonderrolle spielten auch beim Vergleich des differenzierten Bevölkerungswachstums von 1996 bis 2016 einige Gemeinden wie Wehingen, Gosheim und Reichenbach, in denen die Prozentzahlen der AfD den Zuwachs bei den Wahlberechtigten jeweils über zehn Punkte überholten. Aber auch in der Stadt Spaichingen übertrafen die 15,2 AfD-Prozente das
Wachstum der Wahlberechtigten von 6,4 Prozent gravierend.
Dagegen ist ein deutlicher Zusammenhang zwischen der erhöhten Wahlbeteiligung 2016 und dem plötzlichen AfD-Aufstieg unverkennbar. Zum Beispiel ist in Balgheim zufällig das Plus der Wahlbeteiligung (17,8 Prozent) mit dem AfD-Prozentsatz von 17,9 Prozent identisch. Auch das Ergebnis in Böttingen liegt mit 14,4 Prozent zu 15,2 Prozent sehr eng beieinander.
Spitzenreiter in der Wahlbeteiligung 2021 war mit großem Abstand Egesheim mit 84,1 Prozent; Schlusslicht war Aldingen (57,5 Prozent) mit AfD-Anteil 17 Prozent, gefolgt von Bubsheim 58,8 Prozent – mit AfD-Anteil 20,2 Prozent. Bubsheim hat den zweitgrößten Zuwachs für die AfD im Land. Beide Gemeinden hatten einen großen Zuzug aus Osteuropa. Ob das der Grund ist, bleibt Spekulation.
Die 16 Vergleichsgemeinden liegen im Vergleich mit dem gesamten Wahlkreis 55 der letzten fünf Landtagswahlen sowohl bei der Wahlbeteiligung als auch beim Wahlverhalten 2016 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise mit einem AfD-Prozentanteil von rund 15 Prozent fast genau gleich. Ein durchgängiger Zusammenhang mit der Bevölkerungsstruktur kann kaum hergestellt werden.