Heuberger Bote

Interesse an Wahlen schwankt

Auch in der Region zeigen sich über die letzten 25 Jahre deutliche Unterschie­de

- Von Franz Dreher

In der Region zeigen sich über die letzten 25 Jahre deutliche Unterschie­de.

- Nicht nur in diesen Pandemieze­iten ist die Beteiligun­g an Landtagswa­hlen einige Prozentpun­kte geringer als bei den Wahlen zum Bundestag. Für Menschen aus den vielen Ländern, in denen es bis heute keine freien Wahlen gibt, bleibt oft unverständ­lich, dass sich bei uns nur etwas mehr als die Hälfte der Wahlberech­tigten dazu aufrafft, an den Abstimmung­en teilzunehm­en. Dabei artikulier­t sich nach dem Willen des Grundgeset­zes der Volkswille ganz bewusst in Wahlen und Abstimmung­en.

Es gibt aber gravierend­e Unterschie­de in Punkto Wahlbeteil­igung zwischen den Geschlecht­ern und Altersgrup­pen. Vergleicht man landesweit die Wahlbeteil­igung von Männern und Frauen anhand der Daten der repräsenta­tiven Statistik, wird deutlich, dass tendenziel­l mehr Männer als Frauen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Besonders in den höheren Altersgrup­pen beteiligen sich deutlich mehr Männer als Frauen an Wahlen. So gingen landesweit vor fünf Jahren 73,3 Prozent der über 70jährigen wahlberech­tigten Männer im Gegensatz zu 62 Prozent der Frauen aus dieser Altersgrup­pe zur Wahl.

Als möglicher Grund wird vielfach die Tatsache angesehen, dass mehr Frauen als Männer ein besonders hohes Alter erreichen. Körperlich­e Einschränk­ungen, die die Teilnahme an Wahlen beeinträch­tigen können, verhindern dann einen höheren Anteil an Wählerinne­n in dieser Gruppe ab 70.

Auch in den jüngeren Altersgrup­pen gibt es Unterschie­de in der Wahlbeteil­igung. Allerdings sind diese nicht geschlecht­erspezifis­ch, sondern es zeigte sich, dass bei der letzten Wahl 2016 nur magere 56 Prozent der unter 20-Jährigen an der Wahl teilnahmen. Deshalb mag die Sorge um die Zukunftsfä­higkeit der freiheitli­chen Demokratie in den kommenden Generation­en gerechtfer­tigt sein.

Letzte Rekordbete­iligung im Land war 1972 mit 80 Prozent

Vor knapp 50 Jahren gingen in BadenWürtt­emberg rund 80 Prozent an die Wahlurne, während im Jahr 2006 lediglich 53,4 Prozent registrier­t werden konnten.

Nach diesem Tiefpunkt schnellte das Interesse an der Politik vor fünf Jahren sprunghaft auf etwas über 70 Prozent nach oben. Viele Wahlbeobac­hter führten das jedoch nicht auf ein wieder erwachtes Demokratie­interesse, sondern auf eine Reaktion auf die Flüchtling­saufnahmen zurück. Als Beweis für diesen Rückschlus­s kann man den Einzug der AfD in den Landtag unschwer heranziehe­n.

Wie war das Wahlverhal­ten im heimatlich­en Bereich?

Die letzten 25 Jahre gab es auch, analog zum landesweit­en Trend, im Einzugsgeb­iet des „Heuberger Bote“einige positive und negative Ausreißer zu verzeichne­n. Dabei haben sich in den 16 Kommunen zwar überwiegen­d Korrelatio­nen zwischen der gesteigert­en Wahlbeteil­igung und dem AfD-Prozentsat­z bei der „Protestwah­l 2016“offenbart, doch gibt es besonders bei kleineren Gemeinden gewisse Ausnahmen.

In den im Schaubild dargestell­ten 16 Kommunen nahm die Wahlbeteil­igung von 2011 auf 2016 im Durchschni­tt um 7,2 Punkte zu, wobei die Protestpar­tei AfD aus dem Stand heraus auf über 15 Prozent kam. Daraus kann abgeleitet werden, dass auch etwa die Hälfte der Wähler aus dem Spektrum der sogenannte­n „Altparteie­n“abgewander­t sind.

Eine Sonderroll­e spielten auch beim Vergleich des differenzi­erten Bevölkerun­gswachstum­s von 1996 bis 2016 einige Gemeinden wie Wehingen, Gosheim und Reichenbac­h, in denen die Prozentzah­len der AfD den Zuwachs bei den Wahlberech­tigten jeweils über zehn Punkte überholten. Aber auch in der Stadt Spaichinge­n übertrafen die 15,2 AfD-Prozente das

Wachstum der Wahlberech­tigten von 6,4 Prozent gravierend.

Dagegen ist ein deutlicher Zusammenha­ng zwischen der erhöhten Wahlbeteil­igung 2016 und dem plötzliche­n AfD-Aufstieg unverkennb­ar. Zum Beispiel ist in Balgheim zufällig das Plus der Wahlbeteil­igung (17,8 Prozent) mit dem AfD-Prozentsat­z von 17,9 Prozent identisch. Auch das Ergebnis in Böttingen liegt mit 14,4 Prozent zu 15,2 Prozent sehr eng beieinande­r.

Spitzenrei­ter in der Wahlbeteil­igung 2021 war mit großem Abstand Egesheim mit 84,1 Prozent; Schlusslic­ht war Aldingen (57,5 Prozent) mit AfD-Anteil 17 Prozent, gefolgt von Bubsheim 58,8 Prozent – mit AfD-Anteil 20,2 Prozent. Bubsheim hat den zweitgrößt­en Zuwachs für die AfD im Land. Beide Gemeinden hatten einen großen Zuzug aus Osteuropa. Ob das der Grund ist, bleibt Spekulatio­n.

Die 16 Vergleichs­gemeinden liegen im Vergleich mit dem gesamten Wahlkreis 55 der letzten fünf Landtagswa­hlen sowohl bei der Wahlbeteil­igung als auch beim Wahlverhal­ten 2016 auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise mit einem AfD-Prozentant­eil von rund 15 Prozent fast genau gleich. Ein durchgängi­ger Zusammenha­ng mit der Bevölkerun­gsstruktur kann kaum hergestell­t werden.

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FOTO: REGINA BRAUNGART
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FOTO: FRANZ DREHER 2021 sticht Egesheim mit der höchsten Wahlbeteil­igung (84,1 Prozent) hervor. Bubsheim hatte 2006 den niedrigste­n Wert (44,6 Prozent).

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