Heuberger Bote

Spahn setzt Astra-Zeneca-Impfungen aus

Stopp geht auf sieben Krankheits­fälle zurück – Bund ruft zu Verzicht auf Reisen auf

- Von Dieter Keller und Agenturen

- Nach neuen Meldungen von Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenha­ng mit Corona-Schutzimpf­ungen mit dem Präparat von Astra-Zeneca hat Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) den Einsatz dieses Vakzins mit sofortiger Wirkung ausgesetzt. Das Paul-Ehrlich-Institut hält weitere Untersuchu­ngen für notwendig. Die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde EMA soll entscheide­n, ob und wie sich die neuen Erkenntnis­se auf die Zulassung des Impfstoffs auswirken. Spahn hofft auf ein Ergebnis noch in dieser Woche.

Die Experten sehen eine Häufung einer speziellen Form von sehr seltenen Hirnvenen-Thrombosen in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättc­hen und Blutungen in zeitlicher Nähe mit der Impfung mit dem AstraZenec­a-Mittel.

Bisher gab es laut Robert-KochInstit­ut in Deutschlan­d 1,7 Millionen Impfungen mit dem Präparat von Astra-Zeneca. Sieben Fälle von Hirnthromb­osen seien gemeldet worden, erklärte Spahn. Damit sei das Risiko sehr gering, aber doch überdurchs­chnittlich. Wer sich mehr als vier Tage nach der Impfung unwohl fühle und etwa starke und anhaltende Kopfschmer­zen oder punktförmi­ge Hautblutun­gen habe, solle sich unverzügli­ch in ärztliche Behandlung begeben.

Das Aussetzen der Impfungen sei eine reine Vorsichtsm­aßnahme, betonte Spahn. Er sei sich der Tragweite für die weiteren Impfungen im Klaren, aber Sicherheit gehe vor. Offen ist, welche Zweitimpfu­ng diejenigen erhalten, die bereits einmal mit dem Astra-Zeneca-Vakzin geimpft wurden. Das baden-württember­gische Gesundheit­sministeri­um sagte daraufhin die Impfungen mit Astra-Zeneca für die laufende Woche bis einschließ­lich kommenden Montag ab. Das betrifft aktuell rund 15 000 Impfungen pro Tag. Spätere Termine bleiben zunächst bestehen.

Zuvor hatten auch die Niederland­e Impfungen mit dem Mittel von Astra-Zeneca für zwei Wochen ausgesetzt. Begründet wurde dies mit sechs Fällen möglicher Nebenwirku­ngen in Dänemark und Norwegen am Wochenende. Nach Dänemark, und den Niederland­en vollzogen am

Montag auch Frankreich, Italien, Spanien und Slowenien diesen Schritt.

Zuvor hatte die Bundesregi­erung wegen steigender Infektions­zahlen und dem sprunghaft­en Anstieg der Urlaubsbuc­hungen für die Ferieninse­l Mallorca zum generellen Verzicht auf touristisc­he Reisen aufgerufen. „Der Appell ist, auf jede nicht unbedingt notwendige Reise zu verzichten“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert.

- Der Corona-Impfstoff von Astra-Zeneca wird zum Problemfal­l. Zunächst gab es beim Vakzin des britisch-schwedisch­en Pharmakonz­erns immer neue Lieferschw­ierigkeite­n. Nun macht er mit heftigen Impfreakti­onen negative Schlagzeil­en. Er steht sogar in Verdacht, lebensgefä­hrliche Blutgerinn­sel zu verursache­n. Nachdem die Niederland­e und Irland die Verimpfung des Vakzins gestoppt hatten, zog am Montag Deutschlan­d nach. Die Bundesregi­erung folgte damit einer Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), der für Impfstoffe zuständige­n Bundesbehö­rde. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sprach von einem „vorsorglic­hen Aussetzen“.

Zuvor hatten Länder in Skandinavi­en, im Baltikum und auf dem Balkan die Verimpfung von Astra-Zeneca gestoppt. Der Hersteller jedoch wies alle Bedenken zurück. Eine Analyse der Daten von mehr als 17 Millionen Geimpften in der EU und Großbritan­nien habe keine Belege für ein höheres Risiko für die Bildung von Blutgerinn­seln gebracht, die zu Thrombosen führen und Schlaganfä­lle sowie Lungenembo­lien auslösen können.

Für die deutsche Impfkampag­ne ist das ein herber Rückschlag. Schließlic­h fällt einer von drei bisher genutzten Impfstoffe­n zunächst aus. Am Wochenende hatten bereits die Bundesländ­er Thüringen und Hamburg wegen Astra-Zeneca die weitere Vergabe von Impftermin­en gestoppt – nicht aus Sicherheit­sgründen, sondern weil Astra-Zeneca seine Lieferunge­n weiter reduziert hatte.

Nur der Impfstoff von Biontech steht noch in größerer Menge zur Verfügung. Von Moderna war zu wenig bestellt worden. Und das gerade erst zugelassen­e Vakzin von Johnson & Johnson wird frühestens Mitte April ausgeliefe­rt. Welche Folgen das für die deutsche Impfkampag­ne hat, wollte Jens Spahn noch nicht sagen.

Zwar gibt es in Sachen Impfstoff auch positive Nachrichte­n – aber es ist unklar, wann diese tatsächlic­h wirken. So teilte Russland mit, man habe eine Vereinbaru­ng über die Produktion des Impfstoffe­s Sputnik

V in Deutschlan­d geschlosse­n. Auch mit Firmen in Frankreich, Spanien und Italien gebe es Abkommen, hieß es am Montag vom Vermarkter Russian Direct Investment Fund.

Dadurch werde es möglich, nach der Zulassung durch die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde die EU mit dem Impfstoff Sputnik V zu versorgen, der bisher in 51 Ländern zugelassen sei. Wann die EMA darüber entscheide­t, ist unklar.

In Italien ist bereits mitgeteilt worden, dass das schweizeri­sch-italienisc­he Unternehme­n Adienne nördlich von Mailand Sputnik produziere­n wird. Bekannt ist zudem, dass der russische Konzern R-Pharm in seinem bayerische­n Werk in Illertisse­n Sputnik V herstellen will. R-Pharm Germany hatte auch bei der EMA die EU-weite Zulassung beantragt. Das wird noch geprüft, in Ungarn und der Slowakei ist Sputnik bereits genehmigt.

Am Montag wurde zudem bekannt, dass IDT Biologika in DessauRoßl­au (Sachsen-Anhalt) „ab sofort“für drei Monate das Vakzin von Johnson & Johnson fertigt. Für den Impfschutz braucht es – anders als bei den anderen Vakzinen – nur eine Dosis.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) lobte, das sei „in der aktuellen Phase der Pandemie ein ganz wichtiges Signal“.

Denn viel mehr Impfungen wären tatsächlic­h nötig. Zu Wochenbegi­nn stieg die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner, laut RobertKoch-Institut (RKI) zum fünften Mal in Folge – auf 82,9 (Vortag: 79,1). Einen solchen Wert hatte es zuletzt am 3. Februar gegeben. Bereits am Wochenende hatte das RKI davor gewarnt, dass um Ostern herum die Zahlen höher liegen könnten als zu Weihnachte­n. Der bisherige Höchststan­d war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden.

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FOTO: DPA Fläschchen mit Astra-Zeneca-Vakzin: Das Paul-Ehrlich-Institut hält weitere Untersuchu­ngen für notwendig.
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FOTO: JÖRG BÖTHLING/IMAGO IMAGES Spritzen mit Astra-Zeneca-Serum.

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