Heuberger Bote

AfD zerstritte­n und orientieru­ngslos

- Von Daniel Hadrys, Ravensburg

Sie ist mit der CDU der große Verlierer des Wahlabends: die AfD. In Baden-Württember­g büßte sie ein Drittel ihrer Stimmen ein. 2016 holten die Rechten mit 15,1 Prozent hier noch das beste Ergebnis in einem westdeutsc­hen Bundesland. Die einstige Opposition­sführerin ist mit 9,7 Prozent nun auf die kleinste Fraktion im Stuttgarte­r Landtag geschrumpf­t. Die einzigen Direktmand­ate Mannheim und Pforzheim hat sie an die Grünen verloren. Und auch in Rheinland-Pfalz fällt die AfD um mehr als vier Punkte von 12,6 auf 8,3 Prozent.

2016 zogen die einst erfolgsver­wöhnten Rechten in der Bundespres­sekonferen­z noch triumphier­end vor die Journalist­en. Ihre Chefin hieß damals Frauke Petry, die selbstbewu­sst über die Siege in Baden-Württember­g, Rheinland-Pfalz und SachsenAnh­alt sprach. Im ostdeutsch­en Bundesland wählte damals gar fast ein Viertel der Bürger (24,1 Prozent) die AfD. Dort hat sie bei der kommenden Landtagswa­hl im Juni Chancen, das Ergebnis von 2016 zu wiederhole­n.

Petry ist mittlerwei­le gegangen, weil sie den einflussre­ichen Rechten nicht rechts genug war. Im Jahr 2021 heißt die stellvertr­etende Bundeschef­in und Südwest-Landesvors­itzende Alice Weidel. Sie hat keinen Grund zum Jubeln, sieht ihre Partei als Opfer des Verfassung­sschutzes, der ihr rechtswidr­ig „auf den Hals gehetzt“worden sei. Südwest-Spitzenkan­didat und -Fraktionsc­hef Bernd Gögel gibt sich selbstkrit­ischer. Zu dem Minus habe „auch die eigene Performanc­e beigetrage­n, sagte er dem Sender „Phoenix“.

Zwar schreckte die mögliche Beobachtun­g der Partei durch den Verfassung­sschutz bügerliche Wähler ab – doch Gögels Fehlersuch­e in den eigenen Reihen wird einiges zutage fördern. Grabenkämp­fe gehören seit ihrer Gründung zwar zum Naturell der AfD. In den vergangene­n Monaten aber beschäftig­te sie sich hauptsächl­ich mit sich selbst – das war jedenfalls das Bild, das sich bei vielen Wählern verfing. Der Streit zwischen den vermeintli­ch gemäßigten und den radikalen Kräften wird auf allen Ebenen der Partei geführt. Anhänger des formell aufgelöste­n „Flügel“um den Thüringer Landeschef Björn Höcke stehen gegen mutmaßlich moderatere Mitglieder. Es ist ein Kampf zwischen denen, die sich einen bürgerlich-konservati­ven Anstrich geben wollen und jenen, die unverhohle­n extrem rechte Positionen vertreten. Das zeigte sich auf dem letzten Bundespart­eitag im November. Jeweils rund die Hälfte der Delegierte­n stand für oder wider Parteichef Jörg Meuthen, der in seiner Rede zur Mäßigung aufgerufen hatte.

Das zeigt sich aber vor allem in Baden-Württember­g. Der Landesverb­and bildet wie kein zweiter den Richtungss­treit ab. Die Stuttgarte­r AfD-Fraktion schrumpfte seit 2016 von 23 auf zuletzt 15. Abgeordnet­e traten aus oder wurden ausgeschlo­ssen. Eine Kandidatur Gögels in einer Doppelspit­ze mit seinem völkischna­tionalen Vize Emil Sänze scheiterte am Votum der Mitglieder. Der eher moderate Gögel brauchte vier Anläufe, bis er zum Spitzenkan­didaten gekürt wurde. Doch Gründe für das Abschneide­n der AfD sind nicht nur im Inneren zu suchen. Ihr Leibund-Magen-Thema Migration ist in den politische­n und gesellscha­ftlichen Debatten spätestens von der Corona-Pandemie übertönt worden.

Die AfD hat es nicht geschafft, sich den Zorn der Straße gegen die Maßnahmen – der im Südwesten groß ist – zu eigen zu machen. In der Corona-Krise wirkt sie orientieru­ngslos. Zwar hatte sie versucht, die

Unzufriede­nheit über die CoronaMaßn­ahmen zu vereinnahm­en und in Zustimmung­swerte umzumünzen. Doch Initiative­n wie „Querdenken 711“waren dabei erfolgreic­her. Die AfD konnte nur mäßig gewinnbrin­gend im Becken der CoronaSkep­tiker fischen – und die sind glückliche­rweise bloß eine laute Minderheit. Jene, die sich um die Zukunft ihrer Betriebe sorgen und bei den Regierungs­parteien eine tragfähige Öffnungsst­rategie vermissen, dürften sich bei der FDP besser aufgehoben fühlen. Etwa 50 000 Wähler hat die AfD an die FDP verloren.

Zudem hat die AfD es nicht geschafft, die Gruppe der Nichtwähle­r zu halten. Vor fünf Jahren konnte keine Partei so viele Nichtwähle­r für sich gewinnen, 2021 verlor keine Partei so viele Menschen – 135 000 – wieder an diese Gruppe.

Auch wenn die AfD ihren Zenit in den beiden Bundesländ­ern überschrit­ten hat, hat sie sich mit diesen Wahlen konsolidie­rt, wie der Kasseler Politologe Wolfgang Schroeder sagt. „Der Außenseite­r ist bei den Altparteie­n angekommen.“Er glaubt, dass die Strömungen der AfD bis zur Bundestags­wahl am 26. September die Waffen schweigen lassen. „Ab dem 27. September werden sie aber wieder in den Ring steigen“, so Schroeder, der die Bundes-AfD zwischen sieben und zehn Prozent sieht. 2016 waren es noch 12,6 Prozent.

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