AfD zerstritten und orientierungslos
Sie ist mit der CDU der große Verlierer des Wahlabends: die AfD. In Baden-Württemberg büßte sie ein Drittel ihrer Stimmen ein. 2016 holten die Rechten mit 15,1 Prozent hier noch das beste Ergebnis in einem westdeutschen Bundesland. Die einstige Oppositionsführerin ist mit 9,7 Prozent nun auf die kleinste Fraktion im Stuttgarter Landtag geschrumpft. Die einzigen Direktmandate Mannheim und Pforzheim hat sie an die Grünen verloren. Und auch in Rheinland-Pfalz fällt die AfD um mehr als vier Punkte von 12,6 auf 8,3 Prozent.
2016 zogen die einst erfolgsverwöhnten Rechten in der Bundespressekonferenz noch triumphierend vor die Journalisten. Ihre Chefin hieß damals Frauke Petry, die selbstbewusst über die Siege in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und SachsenAnhalt sprach. Im ostdeutschen Bundesland wählte damals gar fast ein Viertel der Bürger (24,1 Prozent) die AfD. Dort hat sie bei der kommenden Landtagswahl im Juni Chancen, das Ergebnis von 2016 zu wiederholen.
Petry ist mittlerweile gegangen, weil sie den einflussreichen Rechten nicht rechts genug war. Im Jahr 2021 heißt die stellvertretende Bundeschefin und Südwest-Landesvorsitzende Alice Weidel. Sie hat keinen Grund zum Jubeln, sieht ihre Partei als Opfer des Verfassungsschutzes, der ihr rechtswidrig „auf den Hals gehetzt“worden sei. Südwest-Spitzenkandidat und -Fraktionschef Bernd Gögel gibt sich selbstkritischer. Zu dem Minus habe „auch die eigene Performance beigetragen, sagte er dem Sender „Phoenix“.
Zwar schreckte die mögliche Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz bügerliche Wähler ab – doch Gögels Fehlersuche in den eigenen Reihen wird einiges zutage fördern. Grabenkämpfe gehören seit ihrer Gründung zwar zum Naturell der AfD. In den vergangenen Monaten aber beschäftigte sie sich hauptsächlich mit sich selbst – das war jedenfalls das Bild, das sich bei vielen Wählern verfing. Der Streit zwischen den vermeintlich gemäßigten und den radikalen Kräften wird auf allen Ebenen der Partei geführt. Anhänger des formell aufgelösten „Flügel“um den Thüringer Landeschef Björn Höcke stehen gegen mutmaßlich moderatere Mitglieder. Es ist ein Kampf zwischen denen, die sich einen bürgerlich-konservativen Anstrich geben wollen und jenen, die unverhohlen extrem rechte Positionen vertreten. Das zeigte sich auf dem letzten Bundesparteitag im November. Jeweils rund die Hälfte der Delegierten stand für oder wider Parteichef Jörg Meuthen, der in seiner Rede zur Mäßigung aufgerufen hatte.
Das zeigt sich aber vor allem in Baden-Württemberg. Der Landesverband bildet wie kein zweiter den Richtungsstreit ab. Die Stuttgarter AfD-Fraktion schrumpfte seit 2016 von 23 auf zuletzt 15. Abgeordnete traten aus oder wurden ausgeschlossen. Eine Kandidatur Gögels in einer Doppelspitze mit seinem völkischnationalen Vize Emil Sänze scheiterte am Votum der Mitglieder. Der eher moderate Gögel brauchte vier Anläufe, bis er zum Spitzenkandidaten gekürt wurde. Doch Gründe für das Abschneiden der AfD sind nicht nur im Inneren zu suchen. Ihr Leibund-Magen-Thema Migration ist in den politischen und gesellschaftlichen Debatten spätestens von der Corona-Pandemie übertönt worden.
Die AfD hat es nicht geschafft, sich den Zorn der Straße gegen die Maßnahmen – der im Südwesten groß ist – zu eigen zu machen. In der Corona-Krise wirkt sie orientierungslos. Zwar hatte sie versucht, die
Unzufriedenheit über die CoronaMaßnahmen zu vereinnahmen und in Zustimmungswerte umzumünzen. Doch Initiativen wie „Querdenken 711“waren dabei erfolgreicher. Die AfD konnte nur mäßig gewinnbringend im Becken der CoronaSkeptiker fischen – und die sind glücklicherweise bloß eine laute Minderheit. Jene, die sich um die Zukunft ihrer Betriebe sorgen und bei den Regierungsparteien eine tragfähige Öffnungsstrategie vermissen, dürften sich bei der FDP besser aufgehoben fühlen. Etwa 50 000 Wähler hat die AfD an die FDP verloren.
Zudem hat die AfD es nicht geschafft, die Gruppe der Nichtwähler zu halten. Vor fünf Jahren konnte keine Partei so viele Nichtwähler für sich gewinnen, 2021 verlor keine Partei so viele Menschen – 135 000 – wieder an diese Gruppe.
Auch wenn die AfD ihren Zenit in den beiden Bundesländern überschritten hat, hat sie sich mit diesen Wahlen konsolidiert, wie der Kasseler Politologe Wolfgang Schroeder sagt. „Der Außenseiter ist bei den Altparteien angekommen.“Er glaubt, dass die Strömungen der AfD bis zur Bundestagswahl am 26. September die Waffen schweigen lassen. „Ab dem 27. September werden sie aber wieder in den Ring steigen“, so Schroeder, der die Bundes-AfD zwischen sieben und zehn Prozent sieht. 2016 waren es noch 12,6 Prozent.