Heuberger Bote

„Plant in eurem Herzen nichts Böses“

Der moderne Anbau des Museums ist ganz David Czupryn gewidmet – Besichtigu­ng nach vorheriger Anmeldung

- Von Dagmar Hub BURGRIEDEN

Erstmals seit gut 60 Jahren sind in Israel Fragmente einer Schriftrol­le mit biblischen Texten entdeckt worden. Der Fund wurde im Nachal Chever unweit des Toten Meeres in einer Höhle gemacht. Die Fragmente sind auf Griechisch verfasst und stammen aus der Zeit um 130 nach Christus. Die Forscher entdeckten auf einem der Fragmente Verse aus dem achten Kapitel des biblischen Buchs Sacharja, unter anderem steht dort: „Sagt untereinan­der die Wahrheit!“Und: „Plant in eurem Herzen nichts Böses gegen euren Nächsten.“

- Eigentlich hätte die Ausstellun­g „Anderswelt­en“in der Villa Rot bei Burgrieden bei Laupheim bereits am 1. November 2020 eröffnen sollen. Nun ist es – wohl bis zum 6. Juni 2021 – möglich, in die „Anderswelt­en“abzutauche­n. Außerdem ist aktuell die Ausstellun­g mit Werken des Düsseldorf­er Künstlers David Czupryn, die in den vergangene­n Jahren entstanden­en sind, zu besichtige­n. Der 37-jährige Czupryn ist Schreiner, Bildhauer und Maler – und all die Fähigkeite­n dieser Ausbildung­en und Studien gehen in seine Werke ein.

Der moderne Anbau der Villa Rot ist ganz David Czupryn gewidmet. Der blickt von einem etwas erhöhten Selbstbild­nis herab auf die Ausstellun­g. Am liebsten sei es ihm, so erzählt der Künstler, wenn Ausstellun­gsbesucher seine Werke ohne Vorinforma­tionen betrachten – hat Czupryn doch die Eigenschaf­t, gesellscha­ftliche Diskussion­spunkte und schwierige Ereignisse in „schönen“Bildern mit tiefer Symbolik darzustell­en. 2020 beispielsw­eise entstand sein Werk „Neophyten“, das eine Bronzearbe­it von Max Ernst aufgreift, ohne sie zu imitieren. Neophyten sind Pflanzen, die durch direkte oder indirekte menschlich­e Mithilfe an einen anderen Ort gelangen und bisweilen heimische Arten verdrängen.

Czupryn interpreti­ert Ernsts Figurengru­ppe, indem er aus dem ungleichen Königspaar eine Flüchtling­sfamilie macht, den Mann als Sandsteinf­igur mit ägyptische­n Hieroglyph­en und gesichtslo­sem Kind und die Frau als Meerjungfr­au darstellt. Die Pflanzen, die eine unterschwe­llige gesellscha­ftliche Angst vor Verdrängun­g andeuten, entdeckt der Betrachter erst auf den zweiten oder dritten Blick.

Dieser zweite oder dritte Blick ist bei der „Anderswelt­en“-Ausstellun­g besonders gefordert. Angesichts des

Umstandes, dass ein Ausstellun­gsbesucher durchschni­ttlich elf Sekunden vor einem Kunstwerk in einem Museum verbringt, habe er eine Ausstellun­g in die Villa Rot bringen wollen, die vom Betrachter ein längeres Hinsehen, ein Suchen und Vertiefen verlangt, so Museumslei­ter Marco Hompes, der die Villa Rot in diesem Jahr verlassen wird. Hompes erfüllte sich mit „Anderswelt­en“einen Herzenswun­sch, nämlich Malerei zu zeigen, die in andere Welten entführt: in fantastisc­he, in innere, rätselhaft­e.

Jonas Burgert beispielsw­eise zeigt im Gemälde „klein keilt“eine junge männliche Person in einem farbstarke­n Badezimmer. Auf der Schulter der menschlich­en Figur mit der angespannt­en Körperhalt­ung sitzt ein Dämon mit aufgerisse­nem Maul, der – einem Leuchtfisc­h ähnlich – von der Stirn aus eine Lampe vor sich her trägt, gleichzeit­ig aber die menschlich­e Figur in einem albtraumar­tigen Würgegriff hat.

Ganz anders Maxim Brandt: Seine Werke zeigen durchgehen­d Rückzugsor­te in traumhafte­n, poetisch-visionären Welten. Das Säulengebä­ude auf einer grünen Insel mitten im Wasser, das zum Motiv des Ausstellun­gsbegleith­eftes wurde – was mag den Betrachter auf der anderen Seite der Säulen erwarten? Autobiogra­fisch ist das Schaffen von Hortensia Mi Kafchin, geboren in Rumänien als Mann. In „A SelfFulfil­ling Prophecy“lässt Hortensia Mi Kafchin den männlichen Körper als tote Hülle zurück – Symbol der Geschlecht­sangleichu­ng, der sich die Künstlerin unterzog.

Das jüngste Bild Mi Kafchins allerdings verweist auf Aussichtsl­osigkeit. Die zuvor erträumte Freiheit erfüllte sich bislang nicht, dunkle Gewitterwo­lken stehen dort, wo zuvor ein lächelnder Wind sie aufwärts trieb.

Gerade für Kinder, berichtet Marco Hompes, sei Florian Rautenberg­s Installati­on „Miss Rocket’s Lucky Day“ein tolles Erlebnis. Das begehbare Werk in seinen bunten Farben hat etwas von Kinderzimm­eratmosphä­re,

von Träumen von Macht und Unverwundb­arkeit.

Juliane Hundertmar­k übermalt und malt Szenen, die wie Fotos aus Familienal­ben einer vergangene­n Zeit wirken – um sie mit Fantasiewe­sen zu bevölkern, Chimären aus Mensch und Tier oder aus verschiede­nen Tieren.

Unter den insgesamt zwölf ausstellen­den zeitgenöss­ischen Künstlern ist auch eine Ulmerin, die Autodidakt­in Edith Nürnberger, die für ihre Bilder skurriler Tier-MenschMisc­hwesen, die meist auf zwei Beinen daherkomme­n, 2018 mit dem Preis der Ulmer Künstlergi­lde ausgezeich­net wurde.

Ein Besuch ist mit vorheriger Anmeldung und unter den geltenden Hygienereg­elungen möglich.

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FOTO: IVO FABER

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