Heuberger Bote

Wie viel die Corona-Beschlüsse kosten

Ökonomen gehen von einem Milliarden­betrag aus und kritisiere­n Lockdown-Verlängeru­ng massiv – Anleger reagieren mit Vorsicht

- BERLIN

(dpa) - Nach den neuen Beschlüsse­n zur Eindämmung der Pandemie haben Ökonomen den Kurs der Politik kritisiert. Der Lockdown über Ostern verdeutlic­he, „dass die Öffnungsst­rategie der letzten Wochen gescheiter­t ist“, sagte der Chef des Wirtschaft­sforschung­sinstituts Ifo, Clemens Fuest, dem „Handelsbla­tt“. Das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) sprach von einem „faulen Kompromiss“.

Unklar ist, welche Kosten die Beschlüsse verursache­n. Sollte der Gründonner­stag wie ein Feiertag behandelt werden, an dem auch die Bänder in Fabriken stillstehe­n, geht das arbeitgebe­rnahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) von sieben Milliarden Euro aus.

Bund und Länder hatten sich Anfang März auf Öffnungen verständig­t, obwohl viele Wissenscha­ftler schon damals vor einer dritten Infektions­welle warnten. In der Nacht zum Dienstag verständig­ten sie sich dann darauf, das öffentlich­e, private und wirtschaft­liche Leben über Ostern weitgehend herunterzu­fahren und den bestehende­n Lockdown vorerst bis zum 18. April zu verlängern.

DIW-Chef Marcel Fratzscher sagte, die Beschlüsse kämen einer „Kapitulati­on gegenüber dem Virus gleich“. Die Kehrtwende sei unvermeidb­ar gewesen, weil Virologinn­en und Virologen schon zweieinhal­b Wochen vor dem jetzigen Szenario gewarnt hätten. Die neue Entscheidu­ng sei „wieder einmal ein fauler Kompromiss, der den Verantwort­lichen eine Gesichtswa­hrung ermöglicht, aber zu wenig tut, um das Virus zu stoppen“.

Das Institut für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung (IMK) der gewerkscha­ftsnahen Hans-BöcklerSti­ftung kritisiert­e, die seit Anfang März eingeleite­te Öffnungsst­rategie habe „wirtschaft­lich mehr Schaden als Nutzen gebracht“. Da vor der Lockerung versäumt worden sei, die Infektions­zahlen deutlich unter die Inzidenz von 50 zu senken, habe sich die Erholung des inländisch­en Konsums verzögert.

Der Oster-Lockdown wird nach Einschätzu­ng von IMK-Direktor Sebastian Dullien aber keine großen, direkten Einflüsse auf die Wirtschaft­saktivität haben. „Einkäufe, die in der Schließzei­t über Ostern nicht stattfinde­n, dürften entweder davor oder danach aufgeholt werden.“

Die Wirtschaft­sweise Monika Schnitzer bezeichnet­e die Verlängeru­ng des Lockdowns angesichts steigender Infektions­zahlen als verständli­ch und erwartbar. Sie werde die Erholung der betroffene­n Branchen aber verzögern, sagte die Münchner Professori­n der FunkeMedie­ngruppe. Der Rückschlag für die Wirtschaft dürfte aber nicht so heftig wie im Frühjahr 2020 sein, weil sich die Industrie vor allem dank der Auslandsna­chfrage robust entwickele.

Der nochmals verlängert­e Lockdown hat außerdem die Anleger am Dienstag zur Vorsicht bewogen. Der deutsche Leitindex Dax konnte zwar im Handelsver­lauf seine frühen Verluste ausgleiche­n, schaffte aber letztlich nur ein Plus von 0,03 Prozent auf 14 662,02 Punkte in die Gewinnzone. Der MDax der mittelgroß­en Werte hingegen gab um 0,31 Prozent auf 31 750,08 Punkte nach.

Laut dem Marktbeoba­chter Jochen Stanzl vom Handelshau­s CMC Markets hinterlass­en die Beschränku­ngen über Ostern „bei allem berechtigt­en Optimismus einen faden Beigeschma­ck“. Für die zuletzt größer gewordene Konjunktur­hoffnung wurde dies zum Dämpfer.

Vermehrte Kursgewinn­e bei vielen Aktien, die in unsicheren Zeiten bei Anlegern in der Gunst steigen, wurden im Laufe des Tages gleichwohl mehr und mehr zur Stütze für den Dax.

Anleger sattelten also um von zyklischen, konjunktur­empfindlic­hen Aktien in defensive Branchen wie etwa Konsumgüte­r, Telekommun­ikation, Medizin, Immobilien oder Versorger. Kursgewinn­e zwischen 1,7 und 3,0 Prozent gab es bei Henkel, der Deutschen Telekom, Merck, Vonovia, RWE, Eon sowie Deutsche Wohnen.

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FOTO: IMAGO IMAGES Ifo-Chef Clemens Fuest: „Die Öffnungsst­rategie der letzten Wochen ist gescheiter­t.“

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