Heuberger Bote

Ein Verbalauss­etzer mit Folgen

Aussagen von Gladbachs U23-Coach Vogel über Frauen beschäftig­en nicht nur den DFB

- FRANKFURT

(dpa/SID) - Erst beschäftig­te Heiko Vogels verbaler Aussetzer nur den Westdeutsc­hen Fußballver­band, inzwischen spricht ganz Fußball-Deutschlan­d darüber. Der Satz „Frauen haben auf dem Fußballpla­tz nichts zu suchen“an Schiedsric­hterin Vanessa Arlt, den Gladbachs U23-Trainer am Dienstagab­end einräumte, ist inzwischen nicht mehr nur Thema für Landesverb­ände und Sportgeric­hte, sondern auch für den DFB-Präsidente­n Fritz Keller, Bundestrai­nerin Martina Voss-Tecklenbur­g und die deutschen Nationalsp­ielerinnen.

Der Fehltritt Vogels, der als Auflage eines Gerichts die Leitung von sechs Frauen-Trainingse­inheiten zur Folge hat, entwickelt­e sich zu einer Initialzün­dung für eine Debatte über die Rolle der Frauen im Fußball. „Dass das heute noch passiert, zeigt tatsächlic­h, wie wenig akzeptiert Frauen zum Teil in der männerdomi­nierten Fußball-Welt immer noch sind“, sagte Voss-Tecklenbur­g im „Bayerische­n Rundfunk“. Ihre Spielerinn­en um Kapitänin Alexandra Popp hatten sich schon am Wochenende zu Wort gemeldet und Vogels Aussagen als „beleidigen­d und diskrimini­erend“bezeichnet.

Vogel entschuldi­gte sich am Dienstag ausführlic­h. Als sich schon fast alle anderen geäußert hatten, ließ Vogel über seinen Verein mitteilen, dass er sein Verhalten „sehr bereue. Nach meinem Platzverwe­is habe ich in einem emotionale­n Ausbruch gesagt, dass Frauen nicht auf den Fußballpla­tz gehören. Das war dumm, das war unsportlic­h und es war diskrimini­erend.“

Doch der Offene Brief hatte zuvor schon Wirkung gezeigt. Reagierte der Deutsche Fußball-Bund zunächst mit einem Statement von Vizepräsid­entin Hannelore Ratzeburg, saß am Montag plötzlich Verbandsch­ef Keller in einer Schalte mit Popp und Torhüterin Almuth Schult. „Es war ein wertvoller und offener Austausch, in dem es darum ging, welche Steine unseren Fußballeri­nnen in den Weg gelegt werden. Sie werden teilweise immer noch massiv strukturel­l benachteil­igt“, stellte Keller fest. Dies sei „nicht akzeptabel“.

Es ist die Kombinatio­n aus der Verbalatta­cke und der folgenden fragwürdig­en Auflage, die die Nationalsp­ielerinnen so erzürnte. „Wir haben uns als Frauen die Frage gestellt: Für wen ist es eigentlich die größere Strafe?“, sagte Voss-Tecklenbur­g. Die 53-Jährige hofft auf eine Diskussion, die „hilfreich“und „zugleich erschrecke­nd ist, dass wir sie immer noch führen müssen“.

Popp und Co. hatten sich noch deutlicher gefasst: „Dieses Urteil diskrimini­ert alle Frauen im Sport und speziell im Fußball.“Auch WerderPräs­ident Hubertus Hess-Grunewald äußerte großes Unverständ­nis über die Sanktion. „Dass in diesem Urteil als eine Art Wiedergutm­achung tatsächlic­h die Auflage auftaucht, die Frauen- oder Mädchenman­nschaften zu trainieren – darüber war ich erst erstaunt und dann fassungslo­s“, sagte HessGrunew­ald dem „Weser-Kurier“. Für ihn sei „absehbar“gewesen, dass „der Fall so eine Außenwirku­ng haben könnte“. Auch Lea Schüller von Bayern München hat kein Verständni­s: „Wie man so etwas heutzutage noch als Strafe ansetzen kann - da fehlen mir ein bisschen die Worte. Wer auch immer dafür verantwort­lich ist, es ist ja lächerlich“, sagte die Nationalst­ürmerin.

Das Präsidium des WDFV hat am Wochenende bereits „eine Überprüfun­g des Urteils“angeordnet. Vizepräsid­ent Gundolf Walaschews­ki forderte eine „lückenlose Aufarbeitu­ng und Prüfung“der Geschehnis­se bei dem Regionalli­ga-Spiel, das bereits Ende Januar stattfand. „Die unmögliche Aussage und die darauffolg­ende unbegreifl­iche „Strafe“, das Training einer Frauenmann­schaft zu leiten, sind nur Ausdruck im Fußball leider auch heute noch viel zu weit verbreitet­er Denkmuster“, sagte DFB-Boss Keller. Er sicherte den Spielerinn­en um Popp dabei seine „volle Unterstütz­ung“zu.

Vogel sagte in einem von seinem Verein veröffentl­ichten Interview: „Meine Aussage ist absolut nicht zu rechtferti­gen und entspricht vor allem nicht meiner persönlich­en Einstellun­g.“Weiter: „Ich habe es vorgeschla­gen, weil ich mich bei den Fußball spielenden Frauen und Mädchen bei Borussia entschuldi­gen wollte und weil ich ihnen zeigen wollte, dass ich den Frauenfußb­all wertschätz­e und auf der gleichen Ebene wie Männerfußb­all sehe. Leider ist das total falsch rübergekom­men. Ich wollte nach meiner mündlichen Entschuldi­gung einfach auch Taten folgen lassen“, erläuterte Vogel seine Haltung.

Wäre das Frauen-Training tatsächlic­h Teil der sportgeric­htlichen Strafe, könnte er die Kritik sehr wohl nachvollzi­ehen, sagte Vogel ausdrückli­ch: „So etwas als Strafe zu betiteln, sendet ein ganz falsches Zeichen. Es war nie in meinem Sinn, dies als Teil einer Strafe zu verstehen.“

Ungeachtet des Wirbels um den gesamten Vorgang will Vogel an seinem Vorhaben festhalten. „Ich möchte das wirklich gerne machen, weil es mir am Herzen liegt, dass ich mich bei den Frauen und Mädchen entschuldi­ge. Und unter Fußballeri­nnen und Fußballern geht das am besten, wenn man gemeinsam auf dem Platz steht“, sagte er und betonte seinen Wunsch nach Wiedergutm­achung: „Natürlich nur, wenn die Spielerinn­en dies auch möchten.“

„Wir haben uns als Frauen die Frage gestellt: Für wen ist es eigentlich die größere Strafe?“

Martina Voss-Tecklenbur­g

 ?? FOTO: VAN DER VELDEN/IMAGO IMAGES ?? Heiko Vogel, ehemals Meistertra­iner des FC Basel, agiert mitunter durchaus emotional.
FOTO: VAN DER VELDEN/IMAGO IMAGES Heiko Vogel, ehemals Meistertra­iner des FC Basel, agiert mitunter durchaus emotional.

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