Heuberger Bote

Corona trifft Flüchtling­e gleich mehrfach

Hohes Erkrankung­srisiko, Rückschrit­t bei Integratio­n und Probleme beim Homeschool­ing

- Von Ingeborg Wagner TUTTLINGEN

- Die Corona-Pandemie trifft alle hart. Doch besonders belastet sind Flüchtling­e und Asylbewerb­er. Die Fortschrit­te bei der Integratio­n drohen, durch die Pandemie und den Lockdown teilweise wieder zunichte gemacht zu werden. Und was machen Kinder in Gemeinscha­ftsunterkü­nften, die kein WLAN haben, aber am Homeschool­ing teilnehmen müssen?

Das Risiko, an Corona zu erkranken, sei für Flüchtling­e zwei- bis dreimal höher als bei anderen Bevölkerun­gsgruppen. Darauf weist der Sozialdeze­rnent des Kreises, Bernd Mager, hin. Er benannte die Ursachen für diese Situation: Flüchtling­sfamilien sind eher von Armut bedroht und leben häufiger auf engem Raum zusammen. Auch am Arbeitspla­tz herrschen häufig prekäre Situatione­n, sodass es schlechter möglich sei, Abstände einzuhalte­n.

„Bislang sind wir von größeren Corona-Ausbrüchen in unseren Gemeinscha­ftsunterkü­nften verschont geblieben“, führte Mager im Sozialund Gesundheit­sausschuss des Kreistags aus. Das heißt aber nicht, dass es bislang keine Fälle gab. In der

Gemeinscha­ftsunterku­nft in Seitingen-Oberflacht traten vier CoronaFäll­e auf. Durch die Einzelzimm­ersituatio­n und der getrennten Zufluchtsw­ege sei es gut möglich gewesen, die Familien dort gut zu isolieren. Den größten Ausbruch gab es in der Unterkunft in Trossingen. Dort gab es sechs Corona-Fälle. In Absprache mit dem Gesundheit­samt wurde die ganze Unterkunft mit insgesamt 78 Plätzen unter Quarantäne gestellt. Mitarbeite­r des Amts für Aufenthalt und Integratio­n übernahmen die Versorgung, durch Einzelgesp­räche, Security und mit Unterstütz­ung der Ordnungsdi­enste samt Polizei sei die Quarantäne eingehalte­n worden.

Momentan leben noch rund 260 Personen in acht Gemeinscha­ftsunterkü­nften im Kreis. Insgesamt sind rund 2000 Flüchtling­e im Landkreis Tuttlingen untergebra­cht, die meisten in Anschlussu­nterkünfte­n.

Nun rüstet der Landkreis die Gemeinscha­ftsunterkü­nfte sukzessive mit WLAN aus, um vor allem den Kindern die Möglichkei­t zum Homeschool­ing und digitalen Lernplattf­ormen zu geben. Zudem soll jedem Schulkind ein digitales Endgerät zur Verfügung gestellt werden. Die Finanzieru­ng

erfolge über den Bund. Die GU in Trossingen startet mit WLAN, weitere Unterkünft­e sollen folgen. Ziel sei es, mit ehrenamtli­chen Helfern eine praktikabl­e Umsetzung zu finden und den Geflüchtet­en damit auch Zugang zu Fortund Weiterbild­ungsformat­en und Online-Terminverg­aben bei Behörden zu ermögliche­n.

Kreisrat Michael Seiberlich (CDU) sorgte sich um die Kinder, die sich laut Vorlage der Kreisverwa­ltung in der Pandemie „teilweise vom Schulsyste­m lösen“würden. „Diese Kinder beziehungs­weise ihre Familien entziehen sich der Integratio­n. Sie schaden damit der Gesellscha­ft, aber vor allem, sich selbst“, sagte Seiberlich. Er fragte, was der Landkreis dagegen unternehme. „Ich persönlich kann mir Zwangsmaßn­ahmen vorstellen, so wie wir auch einheimisc­he Kinder, die sich der Schulpflic­ht entziehen, mit der Polizei holen“, führte Seiberlich aus. Ihm gehe es nicht um Strafen, sondern darum, dass diese Kinder Zukunftsch­ancen haben.

Landrat Bär unterstütz­te diese Zielführun­g, ging aber auch darauf ein, dass die Präsenzpfl­icht der Schüler derzeit Pandemie-bedingt ausgesetzt sei. „Dennoch: Wir versuchen, wenn jemand verschwind­et, mit Sozialarbe­itern nachzufors­chen.“Bernd Mager ergänzte, dass die Erfolgscha­ncen dabei stark vom Alter der Schüler abhängen würden: „Bei Grundschül­ern kann man immer noch mit den Eltern reden. Bei älteren Kindern wird es schwierig, Druckmitte­l anzusetzen.“Allerdings handle es sich dabei nur um wenige Einzelfäll­e, rund eine Handvoll im Kreis, so Mager.

Kreisrat Leo Grimm (FDP) wünschte sich in einer der nächsten Sitzungen einen Bericht über die Auswirkung­en der Pandemie auf das Thema Familien in Not und Gewalt in Familien. Und Hermann Polzer (OGL) fragte nach, ob der Kreis für die Bewohner der Gemeinscha­ftsunterkü­nfte mobile Impfungen anbieten könnte.

Der Erste Landesbeam­te Stefan Helbig wies darauf hin, dass die Priorisier­ung beim Impfen nach Berufsund Bevölkerun­gsgruppen laufe und sich auch nach Alter und Erkrankung­en richte. Momentan seien die mobilen Teams noch bei der Einglieder­ungshilfe unterwegs. Er wies in diesem Zusammenha­ng darauf hin, dass nach wie vor nur wenig Impfstoff zur Verfügung stehe.

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SYMBOL-FOTO: DPA/FELIX KÄSTLE Der Landkreis rüstet wegen Homeschool­ing WLan in den Gemeinscha­ftsunterkü­nften nach.

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