Corona trifft Flüchtlinge gleich mehrfach
Hohes Erkrankungsrisiko, Rückschritt bei Integration und Probleme beim Homeschooling
- Die Corona-Pandemie trifft alle hart. Doch besonders belastet sind Flüchtlinge und Asylbewerber. Die Fortschritte bei der Integration drohen, durch die Pandemie und den Lockdown teilweise wieder zunichte gemacht zu werden. Und was machen Kinder in Gemeinschaftsunterkünften, die kein WLAN haben, aber am Homeschooling teilnehmen müssen?
Das Risiko, an Corona zu erkranken, sei für Flüchtlinge zwei- bis dreimal höher als bei anderen Bevölkerungsgruppen. Darauf weist der Sozialdezernent des Kreises, Bernd Mager, hin. Er benannte die Ursachen für diese Situation: Flüchtlingsfamilien sind eher von Armut bedroht und leben häufiger auf engem Raum zusammen. Auch am Arbeitsplatz herrschen häufig prekäre Situationen, sodass es schlechter möglich sei, Abstände einzuhalten.
„Bislang sind wir von größeren Corona-Ausbrüchen in unseren Gemeinschaftsunterkünften verschont geblieben“, führte Mager im Sozialund Gesundheitsausschuss des Kreistags aus. Das heißt aber nicht, dass es bislang keine Fälle gab. In der
Gemeinschaftsunterkunft in Seitingen-Oberflacht traten vier CoronaFälle auf. Durch die Einzelzimmersituation und der getrennten Zufluchtswege sei es gut möglich gewesen, die Familien dort gut zu isolieren. Den größten Ausbruch gab es in der Unterkunft in Trossingen. Dort gab es sechs Corona-Fälle. In Absprache mit dem Gesundheitsamt wurde die ganze Unterkunft mit insgesamt 78 Plätzen unter Quarantäne gestellt. Mitarbeiter des Amts für Aufenthalt und Integration übernahmen die Versorgung, durch Einzelgespräche, Security und mit Unterstützung der Ordnungsdienste samt Polizei sei die Quarantäne eingehalten worden.
Momentan leben noch rund 260 Personen in acht Gemeinschaftsunterkünften im Kreis. Insgesamt sind rund 2000 Flüchtlinge im Landkreis Tuttlingen untergebracht, die meisten in Anschlussunterkünften.
Nun rüstet der Landkreis die Gemeinschaftsunterkünfte sukzessive mit WLAN aus, um vor allem den Kindern die Möglichkeit zum Homeschooling und digitalen Lernplattformen zu geben. Zudem soll jedem Schulkind ein digitales Endgerät zur Verfügung gestellt werden. Die Finanzierung
erfolge über den Bund. Die GU in Trossingen startet mit WLAN, weitere Unterkünfte sollen folgen. Ziel sei es, mit ehrenamtlichen Helfern eine praktikable Umsetzung zu finden und den Geflüchteten damit auch Zugang zu Fortund Weiterbildungsformaten und Online-Terminvergaben bei Behörden zu ermöglichen.
Kreisrat Michael Seiberlich (CDU) sorgte sich um die Kinder, die sich laut Vorlage der Kreisverwaltung in der Pandemie „teilweise vom Schulsystem lösen“würden. „Diese Kinder beziehungsweise ihre Familien entziehen sich der Integration. Sie schaden damit der Gesellschaft, aber vor allem, sich selbst“, sagte Seiberlich. Er fragte, was der Landkreis dagegen unternehme. „Ich persönlich kann mir Zwangsmaßnahmen vorstellen, so wie wir auch einheimische Kinder, die sich der Schulpflicht entziehen, mit der Polizei holen“, führte Seiberlich aus. Ihm gehe es nicht um Strafen, sondern darum, dass diese Kinder Zukunftschancen haben.
Landrat Bär unterstützte diese Zielführung, ging aber auch darauf ein, dass die Präsenzpflicht der Schüler derzeit Pandemie-bedingt ausgesetzt sei. „Dennoch: Wir versuchen, wenn jemand verschwindet, mit Sozialarbeitern nachzuforschen.“Bernd Mager ergänzte, dass die Erfolgschancen dabei stark vom Alter der Schüler abhängen würden: „Bei Grundschülern kann man immer noch mit den Eltern reden. Bei älteren Kindern wird es schwierig, Druckmittel anzusetzen.“Allerdings handle es sich dabei nur um wenige Einzelfälle, rund eine Handvoll im Kreis, so Mager.
Kreisrat Leo Grimm (FDP) wünschte sich in einer der nächsten Sitzungen einen Bericht über die Auswirkungen der Pandemie auf das Thema Familien in Not und Gewalt in Familien. Und Hermann Polzer (OGL) fragte nach, ob der Kreis für die Bewohner der Gemeinschaftsunterkünfte mobile Impfungen anbieten könnte.
Der Erste Landesbeamte Stefan Helbig wies darauf hin, dass die Priorisierung beim Impfen nach Berufsund Bevölkerungsgruppen laufe und sich auch nach Alter und Erkrankungen richte. Momentan seien die mobilen Teams noch bei der Eingliederungshilfe unterwegs. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach wie vor nur wenig Impfstoff zur Verfügung stehe.