Der besorgte Diktator
Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un warnt vor schwierigen Zeiten und lässt einen missliebigen Experten hinrichten
- Solche Signale kommen sehr selten aus Pjöngjang. Vor Parteikadern hat der Machthaber Kim Jong-un seine Genossen auf harte Zeiten eingeschworen. Alle Gremien – vom Zentralkomitee bis hinunter an die Basis – werden aufgefordert, „einen weiteren, noch schwierigeren und beschwerlichen Weg zu gehen, um unser Volk von den Problemen zu entlasten“. Zuvor hatte der Diktator in dieser Woche bereits davon gesprochen, dass sich sein Land in der „schlimmsten Situation“seiner Geschichte befinde und „beispiellos viele Herausforderungen“zu überwinden seien.
Das sind laute Alarmsignale. Aufhorchen lässt vor allem auch der Begriff „beschwerlicher Weg“. Mit diesem Euphemismus hatte das nordkoreanische Regime schon einmal in den 1990er-Jahren die große Hungersnot umschrieben, der Hunderttausende zum Opfer fielen. Ursprünglich hatte den Begriff der Staatsgründer und erste Diktator Kim Il-sung als Kampfslogan gegen die japanische Besatzung geprägt.
Damals halfen die Gesinnungsgenossen aus China. Darauf kann sich jetzt die Kim-Clique wohl nur noch um den Preis ihrer autarken Selbstbehauptung verlassen. Kim Jong-un sagte dazu: „Die Partei erwartet nie, dass uns andere den Weg ebnen. Es gibt nichts, auf das wir uns verlassen oder worauf wir hoffen können“. So immerhin zitieren die Staatsmedien am Freitag ihren Führer. Der Machthaber rief wie üblich gleichzeitig die Parteibasis auf, die ideologische Schulung der Jugend zu verstärken und gegen „antisozialistische Praktiken“energisch vorzugehen.
Unzufrieden ist Kim auch mit mangelnden Fortschritten bei der Schuldigitalisierung. Die amtlich verleugnete Corona-Pandemie zwang das Land schon im vergangenen September dazu, die meisten Bildungsstätten zu schließen. Aber kaum eine davon ist fit für den Fernunterricht. Kim ließ daher schon im Juni 2020 eine Kommission zur besseren Digitalisierung vor allem der Universitäten bilden.
Was dabei herauskam: wenig Bewegung, statt dessen Klagen über zu viel Arbeit und vor allem zu wenig Ressourcen. Wie die von Exilnordkoreanern in Seoul betriebene Website NK Daily berichtet, ist Kim nun offenbar der Geduldsfaden gerissen. Eine „ideologische Untersuchung“durch die mächtige Abteilung für Organisation und Führung innerhalb der herrschenden Einheitspartei befand, dass diese Kommission nicht ausreichend gearbeitet habe. Mehrere Mitglieder sollen zudem nicht auf der Parteilinie marschieren.
Die amtlichen Bildungsreformer trafen sich nur unregelmäßig zu Meetings. Wenn doch, dann beschwerten sich die meisten, dass die Universitäten bessere Ausrüstung benötigen würden, bevor ein Gesetz für Fernunterricht überhaupt in Betracht gezogen werden könne. Ihr Kommissionschef, ein Mitfünfziger namens Park (mehr ist über ihn nicht bekannt) soll geäußert haben: „Ich verstehe nicht, wieso die (gemeint sind die Oberen der Parteiführung) dieses Gremium ins Leben rufen und damit viel beschäftigte Professoren von ihrer Arbeit fernhalten, wenn sie uns keine Mittel zur Verfügung stellen.“
Park empfahl, stattdessen einfach mehr Lehrer auszubilden, um Klassen und Seminare aufzulockern. Allerdings stieß er mit dieser Forderung bei der Führung auf taube Ohren. Frustriert soll sich Park bei einer Kommissionssitzung beschwert haben: „Selbst wenn wir Vorschläge machen, sagen sie uns, wir sollten den Mund halten. Lasst uns einfach die Tagesordnung abarbeiten und dann nach Hause gehen.“
Das war wohl zu harter Tobak. Der Machthaber erklärte die Hochschulreform jetzt zur Chefsache, entließ die Kommission, befahl künftig Video-Konferenzen, statt unregelmäßiger Präsenzsitzungen. In einer Anweisung an das neu geformte Gremium teilte Kim Jong-un mit: „So wie ich Kommandeur im Kampf um die Wiederaufforstung unserer Wälder wurde, werde ich nun auch Kommandeur der weitsichtigen großen Politik für nationale Bildung.“
Was beides miteinander zu tun hat, erklärte der Führer zwar nicht, aber er gab einen weiteren Befehl. Der aufsässige Bildungspolitiker Park wurde exekutiert.