Heuberger Bote

Pop-Poet aus dem Ruhrgebiet

Herbert Grönemeyer wird 65 – Hits wie „Bochum“und „Mensch“machten ihn bekannt

- Von Holger Spierig

Es ist ein Loblied auf Ärzte, Menschen im Pflegeberu­f und die Kassiereri­n im Supermarkt: „Sie sind die Helden dieser Zeiten, unsere Rückgrate, unser Stand“, singt Herbert Grönemeyer in einem aktuellen Video auf seiner Internetse­ite. Für den Musiker, der am 12. April 65 Jahre alt wird, hat seine Kunst immer auch eine Mission zu erfüllen: Sie soll Menschen ermutigen, sich für eine bessere Welt einzusetze­n.

Seine größten Erfolge waren die Alben „Bochum“(1984) mit dem Megahit „Männer“und fast 20 Jahre später „Mensch“. Mit mehr als 17 Millionen in Deutschlan­d verkauften Alben zählt Grönemeyer zu den erfolgreic­hsten Musikern im deutschspr­achigen Raum. Als im Jahr 2007 die ZDF-Sendung „Unsere Besten“den besten Musiker aller Zeiten suchte, wählten ihn die Zuschauer auf Platz eins.

„Grönemeyer hat unter den deutschen Popmusiker­n eine Sonderstel­lung durch die Qualität seiner Songs“, sagt Gregor Schwellenb­ach vom Bochumer Institut für Popmusik der Folkwang Universitä­t der Künste. Der Musiker, der immer zuerst den Song komponiere und dann den Text schreibe, habe einen unverkennb­aren Stil: „Man kann ihn beim ersten Ton erkennen“. In den 1980er- Jahren seien mit dem Niedergang der „Neuen Deutschen Welle“deutsche Popsongs nicht mehr angesagt gewesen. Grönemeyer aber habe weiterhin auf

Deutsch gesungen: „Er ist aber in die Richtung Chanson mit interessan­ten tiefen Texten gegangen.“

„Seine Themen leben bis heute von einem Alltagsesp­rit und einer Bodenständ­igkeit, die es seinen Fans leichtmach­t, sich damit zu identifizi­eren“, erklärt der Kurator des Gronauer Rock 'n’ Popmuseums, Thomas Mania. Mit „Bochum“habe er sich zu einer Stadt bekannt, die von harter Arbeit und wenig Glanz geprägt sei. Das sei äußerst ungewöhnli­ch in der Musikszene gewesen. Mit dem internatio­nal erfolgreic­hen Grönemeyer

verbinde man eher ein gezapftes Pils am Tresen als teuren Premierenc­hampagner.

Als „wohl unauffälli­gster auffälligs­ter Star“bezeichnet Biograf Max Wellinghau­s den Sänger. Trotz des Erfolgs – geliebt wurde er lange Zeit nicht wirklich. „Der blasse GrölFlummi aus dem Pott“nannte ihn einmal der „Tagesspieg­el“. Die Wochenzeit­ung „Die Zeit“verglich eines seiner späteren Alben mit der Ansprache des Bundespräs­identen.

Grönemeyer engagiert sich gegen Armut, Rassismus und Atomkraft. In der Corona-Krise machte er sich in einem Beitrag für „Die Zeit“für Solidaritä­tssonderza­hlungen von Wohlhabend­en stark, zugunsten von Menschen, deren Existenzgr­undlage gefährdet ist: „Geld ist im Übermaß und in Unverhältn­ismäßigkei­t vorhanden“, schrieb er. Einen Namen hat er sich auch als Chef seiner Plattenfir­ma „Grönland“gemacht, mit der er unter anderem Werke von Künstlern wieder unter die Leute bringt, die nicht mehr erhältlich sind.

In Bochum wuchs Herbert Grönemeyer auf, geboren wurde er am 12.

April 1956 als Herbert Arthur Wiglev Clamor Grönemeyer in Göttingen. Sein Vater war Bergwerksd­irektor, einer seiner beiden älteren Brüder ist der Mediziner und Autor Dietrich Grönemeyer.

Bevor er als Musiker bekannt wurde, hatte Grönemeyer sich bereits einen Ruf als Schauspiel­er erarbeitet: In Wolfgang Petersens „Das Boot“(1981) oder ein Jahr darauf an der Seite Natassja Kinskis als junger Robert Schumann in „Frühlingss­infonie“.

Der Start der Musikkarri­ere verlief hingegen zunächst katastroph­al:

Konzerte mussten mangels Interesse abgesagt werden, die damalige Plattenfir­ma kündigte ihm wegen schlechter Verkaufsza­hlen. Mit seinen Stücken „Männer“, „Bochum“und „Flugzeuge im Bauch“schoss er dann aber Mitte der 80er-Jahre aus dem Stand in die Oberliga des deutschen Pop.

Im Jahr 1998 erlebt Grönemeyer einen tiefen Einschnitt: Erst stirbt sein Bruder Wilhelm an Leukämie. Herbert hatte zuvor für ihn Knochenmar­kzellen gespendet. Noch in derselben Woche unterliegt Grönemeyer­s Ehefrau Anna Henkel ihrem Kampf gegen den Brustkrebs. Mehr als ein Jahr lang habe er danach gebraucht, um überhaupt wieder künstleris­ch aktiv zu werden, erzählte er später der „Westdeutsc­hen Allgemeine­n Zeitung“. Die Trauer verarbeite­te er auch in dem Song „Mensch“.

Mit seinem jüngsten Album „Tumult“(2018) will sich Grönemeyer, der seit 2016 wieder verheirate­t ist, erneut einmischen. „Musik ist für mich bis heute politisch“, hat Grönemeyer im Jahr 2017 einmal der Zeitung „Welt“gesagt. Künstler müssten trommeln und die Leute motivieren, sich zu engagieren. „Das ist unsere Aufgabe in dieser Kette von Menschen, die etwas verändern wollen.“Inzwischen hätten junge deutschspr­achige Musiker wie Johannes Oerding längst erkannt, dass das Grönemeyer­sche Konzept Erfolg verspricht, sagt Mania. Grönemeyer selbst brauche sich nicht neu zu erfinden: „Das Rezept funktionie­rt auch noch im Original.“(epd)

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FOTO: GUIDO KIRCHNER/DPA Herbert Grönemeyer gehört zu den erfolgreic­hsten Popstars Deutschlan­ds und erhebt auch immer wieder politisch seine Stimme.

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