Kreative Arbeit hilft aus Lebensloch heraus
Vierter und letzter Teil der Serie über die Beera-Mühle in Egesheim
- Ist die Egesheimer Beera-Mühle eine Erfolgsgeschichte? Das fragt sich unser Autor Richard Moosbrucker in diesem vierten und letzten Teil der Serie über die BeeraMühle.
Im Grunde genommen haben die drei ersten Folgen dieser Serie dies eindrucksvoll bestätigt. Doch es gab auch dunkle Zeiten, die das Leben von Müllermeister Reinhold Schätzle maßgeblich beeinflussten und auch veränderten. Es gibt Dinge im Leben, die man unter der Rubrik Schicksal einordnen muss. Schicksal bedeutet für Reinhold Schätzle neben familiären Turbulenzen vor allen Dingen die nachlassende Gesundheit. Er erkrankt an Enzephalitis, verliert seinen Gleichgewichtssinn, wird arbeitsunfähig und antriebslos. Schlechte Voraussetzungen also, künftig dem harten Job in der Mühle gewachsen zu sein. Es gelingt ihm aber, aus diesem Tief wieder herauszukommen.
Eine im wahrsten Sinne des Wortes von ihm selbst erfundene „Rosskur“hilft ihm wieder etwas auf die Beine. Auf seinem Ross reitet er fast täglich durch den Wald, fällt herunter und steigt wieder auf. Aber er lernt dabei, sein Gleichgewicht wieder zu finden, und nach einer weiteren Kur sieht es so aus, als ob er die Krankheit überstanden hätte. Durch die familiäre Krise verfällt er in eine tiefe Depression, die ihn in eine manisch-depressive Phase stürzt, aus der er scheinbar von selbst nicht herauskommt. Er übergibt die Mühle 2006 an seinen Neffen Claus Reschke, der bei ihm das Müllerhandwerk gelernt hat.
Reinhold Schätzle ist am Boden zerstört und stellt die Sinnfrage: „Wozu bin ich noch da ?“Aus dieser existenziellen Notlage heraus erwächst aber eine neue Energie, aus der heraus eine unglaubliche Kreativität entsteht.
An drei Beispielen soll dies verdeutlicht werden: Reinhold Schätzle baut ganz allein ein Mühlrad an seine Werkstatt. „Das schaffst du nie“, sagten die Nachbarn. „Dene hon i d`Henna ni doa“, kommentiert Reinhold Schätzle diese Feststellung. Das kam so: Reinhold Schätzle entdeckt bei einer Wanderung in Denkingen eine Rosette der alten Mühle. Das ist praktisch das Stahlgerüst für ein Mühlrad. Zu einem Schnäppchenpreis ersteht er diese Rosette und nimmt sie mit nach Egesheim. In mühevoller Kleinarbeit entsteht ein großes Mühlrad. Er schenkt sich dieses Rad selbst zu seinem 60. Geburtstag und ist sich der Bewunderung vieler sicher.
Seither dreht es sich, angetrieben vom Anhauser Bach, gemächlich und stet. An seinem Haus steht der Spruch: „Jetzt ist`s eben so“. Wenn man diese Geschichte gelesen hat, versteht man ihn besser.
Ein anderes Projekt mündet in den Bau eines Planwagens, der durch eine Hubmechanik in der Höhe verstellbar ist und einer geselligen Runde stammtischgleich einen gemütlichen, fahrbaren Rückzugsort ermöglicht. Das mechanische Hubgestell, das elektrisch auf und abbewegt werden konnte, lag so lange hinterm Haus, bis die zündende Idee, einen Hubwagen zu bauen, in Reinhold Schätzles Hirn konkrete Formen angenommen hatte.
Schließlich baute er für seine Enkelkinder vom Vahinger Hof, wo seine Tochter Katrin eingeheiratet hat, ein fahrbares, von einem „Holder“gezogenes Spiel- und Gartenhaus, das die Enkelkinder mit Begeisterung entgegengenommen haben.
Viele Ideen schlummern noch in Reinhold Schätzles Dickschädel. Was da noch kommen wird, lässt er momentan noch nicht raus. Man darf aber gespannt sein, was da noch kommt. Hauptsache ist doch, dass es ihm durch diese kreative Arbeit gelungen ist, aus einem abgrundtiefen Lebensloch wieder herauszukommen.