Tuttlingen rechnet mit Impfandrang
Ab Montag sind über 60-Jährige berechtigt – Regelung für Jüngere mit Astrazeneca-Erstimpfung
Ab Montag dürfen sich auch Menschen über 60 Jahre impfen lassen.
- Wer am Mittwoch versucht hat, auf der Buchungsplattform für Corona-Impfungen in Baden-Württemberg einen Termin für Tuttlingen zu vereinbaren, hat nicht selten diese Meldung bekommen: „Aufgrund der hohen Nachfrage kommt es bei der Vergabe von Impfterminen im Moment zu Wartezeiten.“Das System überlastet, nur einen Tag, nachdem bekanntgegeben wurde, dass sich ab Montag auch die über 60-Jährigen gegen das Coronavirus impfen lassen und einen Termin buchen dürfen.
Bislang war diese Altersgruppe nur bei bestimmten Vorerkrankungen oder aufgrund des Berufs impfberechtigt. Das wird sich nun ändern. Und zwar deshalb, weil inzwischen bereits deutlich mehr als 70 Prozent der über 80-Jährigen eine Erstimpfung erhalten haben, wie Gesundheitsminister Manne Lucha in einer Pressemitteilung zitiert wird. Weitere Gründe für die Öffnung sind laut dieser Mitteilung die seit vergangener Woche „stark angewachsenen Impfstofflieferungen“sowie die Änderung der Altersempfehlung für den Impfstoff Astrazeneca. Lucha rät daher Menschen über 70, noch in dieser Woche einen Termin zu vereinbaren, da ab Montag „wieder mit einem starken Andrang über die Website und bei der Hotline zu rechnen“sei. Diesen Appell nehmen sich in Tuttlingen offenbar einige zu Herzen.
Bernhard Flad, Leiter des Kreisimpfzentrums Tuttlingen (KIZ), begrüßt es, dass ab Montag einer weiteren Bevölkerungsgruppe der Zugang zum Impfen ermöglicht wird. Doch er weiß auch: „Wenn Millionen Menschen über ein Terminvergabesystem versuchen, Termine für eine Impfung zu bekommen und deutlich weniger Impfstoff zur Verfügung steht, um diese Anfragen zu bedienen, sind Probleme und Enttäuschungen unausweichlich.“Allerdings könne er aus seinen bisherigen Erfahrungen sagen, dass das System „im Großen und Ganzen funktioniert“.
Das Impfen war auch Thema im Ausschuss für Technik und Umwelt des Kreistags, der am Mittwochnachmittag tagte. Dem Landratsamt liegt eine Anfrage des Landes vor, ob das Tuttlinger KIZ in der Kreissporthalle bis 30. September betrieben werden könne – bislang war nur bis 30. Juni geplant gewesen. Dem werde das Landratsamt wohl entgegenkommen, hieß es in der Sitzung, wobei nicht sicher sei, ob eine Verlängerung bis Ende September tatsächlich notwendig sei.
Erster Landesbeamter Stefan Helbig kündigte an, dass das Tuttlinger KIZ im Mai deutlich mehr Impfstoff erhalten soll. Gleichzeitig sagte er aber auch, „dass ich keiner Ansage mehr vertraue, was geliefert wird“. Neben den Hausärzten sollen ab kommender Woche auch die Fachärzte in den eigenen Praxen impfen dürfen. Ebenso sei vorgesehen, dass Betriebsärzte eingebunden werden, die bislang noch nicht berechtigt sind. Die größeren Firmen im Landkreis Tuttlingen hätten Interesse daran gezeigt, dass vor Ort in ihren Unternehmen geimpft werde.
Derzeit bekommt das KIZ mehr Astrazeneca-Impfstoff als Biontech, so Flad, auch, wenn sich das wöchentlich ändert. Astrazeneca ist ein nach wie vor umstrittenes Vakzin. „Wir haben auch im KIZ viele Anfragen bezüglich der Verträglichkeit von Astrazeneca. Wir merken die Unsicherheit der Menschen, wenn es um diesen Impfstoff geht“, sagt Flad auf Nachfrage. Viele Impfwillige seien im Moment zurückhaltend und sähen eine Impfung mit Astrazeneca kritisch, so Flad weiter. Die Ärzte im KIZ würden zwar immer aufklären, „aber eine Restskepsis bei den Impfwilligen bleibt manchmal doch zurück“.
Und das ist nicht nur in Tuttlingen so. „In einzelnen Zentren bleiben aktuell Astrazeneca-Termine frei. Das ist zwar verständlich, aber in der Sache unbegründet. Der Impfstoff ist hochwirksam und ungefährlich“, sagt Gesundheitsminister Lucha. Weil dieser von der Ständigen Impfkommission vor Kurzem nur für Menschen über 60 Jahre alt empfohlen wurde, befanden sich die rund 2,2 Millionen Bürger, die jünger sind, aber schon eine erste Impfung mit Astrazeneca bekommen haben, bislang in einer ungewissen Situation, weil sie nicht wussten, wie es weitergeht. Doch das ist nun vorbei.
In Tuttlingen warte man zwar noch auf Informationen über sogenannte Kreuzimpfungen, so Flad. Doch vonseiten des Gesundheitsministerium gibt es seit Mittwochnachmittag eine klare Aussage: „Menschen unter 60 Jahren, die aufgrund ihrer Impfberechtigung bereits eine Erstimpfung mit Astrazeneca erhalten haben, können nach der neuen Empfehlung der Ständigen Impfkommission die Zweitimpfung nach neun oder zwölf Wochen mit einem so genannten mRNA-Impfstoff erhalten“, heißt es in einer Pressemitteilung. Damit blieben alle bereits gebuchten Astrazeneca-Zweitimpftermine gültig. Unter 60-Jährige würden im KIZ bei der Zweitimpfung auf einen vorhandenen mRNA-Impfstoff umgebucht, so Lucha.