Heuberger Bote

Union vor Zerreißpro­be

Duell um Kanzlerkan­didatur belastet CDU und CSU

- SEITE 4/LEITARTIKE­L

BERLIN (dpa/clak) – Der bis zum späten Sonntagabe­nd ungelöste Machtkampf zwischen dem CDUVorsitz­enden Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder um die Kanzlerkan­didatur der Union belastet das Verhältnis der Schwesterp­arteien zunehmend. Die frühere CDUVorsitz­ende Annegret Kramp-Karrenbaue­r beklagte, Söder stelle den gegenseiti­gen Respekt zwischen den Schwesterp­arteien infrage. „Das Bild, dass die Union derzeit insgesamt abgebe, sei kein Gutes. „Es macht mich als ganz normales Mitglied der CDU traurig“, sagte die Verteidigu­ngsministe­rin.

Der nordrhein-westfälisc­he EUAbgeordn­ete Dennis Radtke drohte sogar damit, in Bayern einen CDULandesv­erband zu gründen: „Wenn Söder die Kanzlerkan­didatur erzwingen will, wenn er die CDU zerstören will, dann darf die Gründung der CDU in Bayern kein Tabu mehr sein.“

BERLIN - Es ist schon vertrackt: Da leidet die Welt global unter einer Pandemie mit inzwischen mehr als drei Millionen Corona-Toten. Und was machen mächtige Staatenlen­ker wie der russische Präsident Wladimir Putin oder Chinas Staatschef Xi Jinping: Sie versuchen noch mächtiger zu werden, indem sie ihren Einflussbe­reich ausbauen, militärisc­he Stärke zeigen und andere Staaten einschücht­ern. Da lässt Putin mehr als 100 000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine stationier­en, China übt sich derweil im Schiffe-Versenden ins südchinesi­sche Meer, um dort seinen Anspruch zu festigen. Und Europa denkt darüber nach, wie eine neue Partnersch­aft mit den USA unter USPräsiden­t Joe Biden in Gang gebracht werden könnte.

Wie wichtig in Anbetracht der vielfältig­en Bedrohunge­n ein starker Zusammenha­lt dies- und jenseits des Atlantiks ist, betonte Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r bei den Königsbron­ner Gesprächen der Konrad-Adenauer-Stiftung, die in diesem Jahr digital übertragen wurden. „Wir brauchen die Stärke und das Engagement Amerikas hier in Europa, auch weil Europa nicht stark geeint genug ist, um die militärisc­hen Herausford­erungen durch Russland allein zu bewältigen“, sagte die CDU-Politikeri­n. „Russland bedroht Europas Sicherheit dabei konkret und unmittelba­r.“Russland habe mit seiner Hochrüstun­g und seiner Kriegsführ­ung mitten in Europa reale Bedrohunge­n geschaffen, so die frühere CDU-Vorsitzend­e.

Vier Tage in Folge diskutiert­en bei den Königsbron­ner Gesprächen Politiker

wie Roderich Kiesewette­r (CDU), Schirmherr der Veranstalt­ung, Peter Beyer, Koordinato­r für die transatlan­tische Zusammenar­beit der Bundesregi­erung, frühere Botschafte­r wie Wolfgang Ischinger und John Kornblum, der aus den USA zugeschalt­et wurde, sowie André Wüstner, Bundesvors­itzender des Deutschen Bundeswehr­verbands, Fragen der Außen- und Sicherheit­spolitik. Selbstrede­nd ging es dabei auch um Chancen, die sich aus der neuen US-Regierung unter Joe Biden in Washington ergeben, und um das deutsche und europäisch­e Engagement zur Verteidigu­ng westlicher Werte und Demokratie­vorstellun­gen. Doch immer wieder führten alle Gespräche nach Moskau, das neben China als größte Gefahr für Europa und die gesamte westlich orientiert­e Welt genannt wurde. Russland sei ein „illiberale­r, antidemokr­atischer Gegenpol zum Westen“, sagte Kramp-Karrenbaue­r.

Was die Lage für Deutschlan­d in dieser Hinsicht besonders verzwickt macht: das Pipeline-Projekt Nord Stream 2, von dem sich die Bundesregi­erung trotz harscher Kritik anderer europäisch­er Staaten und der USRegierun­g nicht trennen will. Beim Besuch ihres US-Amtskolleg­en Lloyd Austin in Deutschlan­d hatte sich Kramp-Karrenbaue­r offen für ein Moratorium des Baus der fast fertigen Pipeline gezeigt. „Diese Frage kann man sich stellen“, hatte sie dazu am Montag gesagt. Auch der CDUPolitik­er Beyer fordert einen Aufschub der Pipeline-Bauarbeite­n. „Wir brauchen ein Baumorator­ium, um ein Fenster zu eröffnen für Verhandlun­gen zum Neustart der transatlan­tischen Beziehunge­n“, sagte er. US-Präsident Biden hatte sich erst am Freitag erneut gegen das deutschrus­sische Erdgas-Projekt ausgesproc­hen und es als „komplizier­tes Thema“bezeichnet. Vor allem die Republikan­er in den USA machen Druck auf den Präsidente­n, Sanktionen gegen die Nord Stream 2 AG zu verhängen. Der außenpolit­ische Sprecher der SPD-Bundestags­fraktion, Nils Schmid, sprach sich dagegen bei den Königsbron­ner Gesprächen dafür aus, „das Ding zu Ende zu bauen“und dann darüber zu reden, wie eine Nutzung aussehen könnte.

Doch Nord Stream 2 ist zwar derzeit der größte, aber nicht der einzige Streitpunk­t im deutsch-amerikanis­chen Verhältnis. Seit Jahren beklagen die USA, dass Deutschlan­d zu wenig für die Verteidigu­ng ausgebe – der frühere US-Präsident Donald Trump wollte deshalb hierzuland­e sogar seine Truppen abziehen. Mit dem Einzug Bidens ins Weiße Haus hat sich zwar der Ton in der Debatte verändert, dennoch steht die Bundesregi­erung nach wie vor unter Druck, die Zusage, zwei Prozent der Wirtschaft­sleistung für Verteidigu­ng auszugeben, zu erfüllen. Derzeit liegen diese Ausgaben bei 1,56 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s.

Kramp-Karrenbaue­r sprach sich dafür aus, trotz der wirtschaft­lich schwierige­n Situation infolge der Corona-Pandemie, von diesem Ziel nicht abzurücken. „Die Frage ist doch, können wir es uns leisten, nicht in unsere Sicherheit zu investiere­n“, sagte die Verteidigu­ngsministe­rin. Die Folgen für die Wirtschaft wären dramatisch, wenn es eine Weltordnun­g gäbe, in der Staaten aufgrund ihrer „schieren Präsenz und ihrer schieren Macht die Möglichkei­t hätten, auch innenpolit­ische Entscheidu­ngen hierzuland­e zu beeinfluss­en“.

 ?? FOTO: DPA ?? Russland bedrohe Europas Sicherheit „konkret und unmittelba­r“, sagt Verteidigu­ngsministe­rin Kramp-Karrenbaue­r bei den Königsbron­ner Gesprächen.
FOTO: DPA Russland bedrohe Europas Sicherheit „konkret und unmittelba­r“, sagt Verteidigu­ngsministe­rin Kramp-Karrenbaue­r bei den Königsbron­ner Gesprächen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany