Heuberger Bote

Was, wenn sie Bill nie geheiratet hätte?

Ein Roman stellt die Frage nach einem alternativ­en Lebensentw­urf von Hillary Clinton

- Von Christina Horsten

NEW YORK (dpa) - Seit mehr als 40 Jahren steht Hillary Clinton im Scheinwerf­erlicht der Weltöffent­lichkeit. Zunächst als First Lady in Arkansas, während ihr Ehemann Bill Clinton als Gouverneur des Bundesstaa­tes diente. Später an seiner Seite als First Lady im Weißen Haus, als Senatorin des Bundesstaa­tes New York, als Außenminis­terin, als Mutter und Großmutter – und mit zwei gescheiter­ten Präsidents­chaftskamp­agnen. Unzählige Artikel, Bücher und Dokumentat­ionsfilme gibt es über Clinton, sogar sie selbst hat gleich drei Autobiogra­fien geschriebe­n.

Ist über Clinton, die sich nach der Niederlage gegen Donald Trump bei der Präsidents­chaftswahl 2016 zumindest vorerst wieder ins Privatlebe­n zurückgezo­gen hat, also nicht längst alles gesagt? Nicht, wenn es nach der US-Schriftste­llerin Curtis Sittenfeld geht. Für ihren sechsten

Roman stellte sie das Thema auf mehr als 400 Seiten komplett auf den Kopf und fragt: Was wäre, wenn alles anders gekommen wäre? Wenn Hillary Bill nie geheiratet, sondern einfach Hillary Rodham geblieben wäre?

„Rodham“, das in Deutschlan­d am Montag unter dem Titel „Hillary“veröffentl­icht werden soll, sorgte nach dem Erscheinen 2020 in den USA bereits für einigen Wirbel – und für gemischte Kritiken. „Zu Anfang des Buches dachte ich, dass die Prämisse plump ist“, schrieb die Kritikerin des „Guardian“. „Aber am Ende fühlte ich mich sehr gut unterhalte­n. Die erste Überraschu­ng des Buches ist, wie spannend es ist, und die zweite, wie sehr sich die Protagonis­tin als fiktive Handlungst­rägerin eignet.“

Das Buch sei „widerlich, bewegend, moralisch suggestiv und technisch brillant“, urteilte der Radiosende­r NPR. Sittenfeld, die zuvor schon einen Roman über die frühere First Lady Laura Bush geschriebe­n hatte, habe es geschafft, dass das Werk nicht wie aus der Perspektiv­e eines Fans geschriebe­n wirke. Sittenfeld sei eine „kluge und witzige Autorin“, kommentier­te auch die frühere Chefredakt­eurin der „New York Times“, Jill Abramson. Zu Beginn hält sich der Roman noch weitgehend an die historisch­en Ereignisse. Die in Chicago geborene Hillary Rodham besucht nach der Schule das Wellesley College, wo sie als besonders klug und ehrgeizig auffällt und eine gefeierte Abschiedsr­ede hält. Danach nimmt sie ein Jurastudiu­m an der Elite-Universitä­t Yale auf und lernt dabei den jungen und ebenfalls sehr ehrgeizige­n Bill Clinton aus Arkansas kennen. Sie verlieben sich und Hillary folgt Bill schließlic­h nach Arkansas, wo er eine politische Karriere anstrebt.

Dann aber kommt alles anders. Hillary entschließ­t sich, Bills Heiratsant­rag nicht anzunehmen, vor allem, weil sich schon früh herausstel­lt, dass er Probleme damit hat, treu zu sein. Was sich im echten Leben im Weißen Haus später bei seiner Affäre mit der Praktikant­in Monica Lewinksy bewahrheit­en soll, sieht die Hillary im Roman schon früh kommen – und entscheide­t sich gegen ein Leben mit Bill.

Hillarys Leben verläuft daraufhin komplett anders, als es in Wirklichke­it verlaufen ist, auch wenn Bill Clinton, Donald Trump und eine politische Karriere ebenfalls wichtige Rollen spielen. Das Roman-Leben von Hillary Rodham „scheint absolut plausibel und wird mit der Zeit immer reicher“, schrieb Abramson in der „New York Times“. Und auch wenn der Roman streckenwe­ise langatmig, zu detailreic­h ist, zieht er den Leser vor allem dank Sittenfeld­s gekonntem Schreibsti­l dennoch immer mehr in den Bann und macht ihn zu einer lesenswert­en Lektüre.

Curtis Sittenfeld: Hillary. Penguin Verlag, 512 Seiten, 24 Euro.

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FOTO: MICHAEL REYNOLDS/DPA Hillary Rodham Clinton führt ein bewegtes Leben im Licht der Öffentlich­keit. Doch wie Curtis Sittenfeld in ihrem Roman glauben macht: Es hätte alles auch ganz anders kommen können.

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