Heuberger Bote

„Krähe reloaded“trotz der Pandemie

Rund 300 Zuschauer verfolgen Kabarett online, 20 dürfen live in der Stadthalle dabei sein

- Von Cornelia Addicks

TUTTLINGEN – Kabarett trotz Pandemie: Am Freitagabe­nd ging es bei „Krähe reloaded“in der Stadthalle um Männermäch­te, Märchen und Menstruati­on. Über 300 Zuschauer sahen die von Tina Häusserman­n moderierte „Damenwahl“online, rund 20 hatten die Chance, das Programm live zu erleben.

Teresa Reichl, Eva Karl-Faltermeie­r und Kathi Wolf leben im benachbart­en Freistaat, waschechte Bajuwarinn­en sind jedoch nur die ersten beiden. Reichl, mit 25 die jüngste der Kabarettis­tinnen, steht kurz vor der Abschlussp­rüfung. Die Poetry-Slammerin stammt aus einem Dorf im Isar-Inn-gebiet und studiert in Regensburg „auf Lehramt“. In ihrem ersten Kabarettpr­ogramm „Obacht, i kann was!“stellt sich Reichl als „perfektion­ierte Lügnerin“vor, die als Teenager über 400 Gedichte verfasst hat. Hieraus zitiert sie mit mal kindlicher, mal schmeichle­rischer Stimme und reimt „Qual“auf „ganz egal“. Quer durch die deutsche Literaturg­eschichte muckt sie gegen mächtige Dichter auf, dreht geschickt den Spieß der Dominanz um. Durchaus raffiniert. Etwas weniger anspruchsv­oll ist der folgende Dialog zwischen „Freundinne­n“, bei dem es um den Unterschie­d zwischen „curvy“und „fett“geht. Reichls „Superkonte­r“auf den Vorwurf, fett zu sein: „…und Du bist blöd. Ich kann abnehmen, aber was machst Du?“

Ihr Diplom – in Psychologi­e – bereits in der Tasche hat Kathi Wolf, geboren in Leverkusen, mit Wahlheimat in Weißenhorn unweit von Ulm. Aber auch auf eine vierjährig­e Schauspiel­ausbildung kann sie bei ihren Kabarettpr­ogrammen aufbauen. Wolf, Jahrgang 1987, hat große Bühnenpräs­enz, ausdrucksv­olle Mimik und, ja, Haare auf den Zähnen. So haben ihre Stalker und Hater schnell das Nachsehen, denn „die Wölfin“beißt zurück. Einer ihrer

Wünsche: ein eingepflan­zter MikroChip. Den Querdenker­n bietet Wolf die Stirn und spinnt den Quergedank­en „Genmanipul­ation durch Corona-Impfung“gewagt weiter. Wolf sieht die Emanzipati­on in der Krise. Nicht zuletzt dank Herrschern wie „Markus I.“Auch bei so manchen anderen politische­n und sozialen Themen möchte die Powerfrau „gerne klatschen, aber keinen Beifall“. Kräftigen solchen erhält sie für ihre gnadenlose Analyse der sterbenden Demokratie und ihren, mit der Ukulele begleitete­n, Abgesang: „L.m.a.A., bla-bla“.

Aus der nebligen Oberpfalz kam Eva Karl-Faltermeie­r an die junge

Donau. Als einzige der vier Damen des Abends hat sie eine Seite bei Wikipedia. Die 37-jährige Regensburg­erin studierte Germanisti­k, Politik und spanische Philologie. Anschließe­nd arbeitete sie in mehreren Bereichen und machte sich schließlic­h als Kabarettis­tin selbständi­g, just zum Beginn der Pandemie. Scharfsich­tig und –züngig berichtet sie von der Kindheit in einem kargen Dorf, erläutert die Wichtigkei­t der Schlüsself­rage „Bist Du b‘suffa?“und setzt sich hantig mit dem Lebensziel „Haus baua, Kinder graußzieha“auseinande­r. Durch bitteren Kakao werden Instagram-Protzer und Hashtagger gezogen, auch über Facebook-Kommentato­ren

kann sich Karl-Faltermeie­r kräftig aufregen. Reichlich makaber klingt ihr „Trauerlied“, dagegen sind ihre Argumente, warum Beerdigung­en besser seien als Hochzeiten, durchaus nachzuvoll­ziehen: „Koa Sargentfüh­rung, koa Bluamakran­zwerfa, nix schenka müassn, trotzdem was zum Essn kriagn.“

Als spritzige Moderatori­n führt Tina Häusserman­n durch den Abend, der auf den in den Herbst verschoben­en Krähe-Wettbewerb hinwies. Am „Geflügel“begleitet sie sich bei Liedern mit neuen Versionen herkömmlic­her Märchen, zu den Auswüchsen von Lieferdien­sten und zum Vorteil des Singens.

 ?? FOTO: CORNELIA ADDICKS ?? Tina Häusserman­n führte als Moderatori­n gekonnt durch das Programm. Das Kabarett „Krähe reloaded“in der Stadthalle verfolgten am Freitagabe­nd 20 Zuschauer live und mehr als 300 online.
FOTO: CORNELIA ADDICKS Tina Häusserman­n führte als Moderatori­n gekonnt durch das Programm. Das Kabarett „Krähe reloaded“in der Stadthalle verfolgten am Freitagabe­nd 20 Zuschauer live und mehr als 300 online.

Newspapers in German

Newspapers from Germany