Heuberger Bote

„Er fühlte sich als Chef von Tuttlingen“

Staatsanwä­ltin beschuldig­t Angeklagte­n der Selbstjust­iz und der Bedrohung von Zeugen

- Von Lothar Häring ROTTWEIL/TUTTLINGEN

- Im Fall um einen Shishabar-Besitzer hat Staatsanwä­ltin Isabel Gurski-Zepf sich bereiterkl­ärt, weniger schwerwieg­ende Fälle ihrer Anklage einzustell­en. Statt „versuchtem Totschlag“lautet der Hauptankla­gepunkt nun „gefährlich­e Körperverl­etzung“. In ihrem Plädoyer sprach sie Klartext und forderte eine Haftstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten für den Angeklagte­n. Er soll vor seiner damaligen Shishabar in einer Tuttlinger Nachbargem­einde im vergangene­n Juni einen früheren Freund mit Messerstic­hen schwer verletzt haben.

„Er fühlte sich als Chef von Tuttlingen und Umgebung, der die Regeln vorgibt und sagt, wo es langgeht“, sagte die Anklägerin über den Angeklagte­n. Der bald 30-Jährige habe sich mit deutlich jüngeren Helfern umgeben, sie benutzt und seinen Willen notfalls mit Gewalt durchgeset­zt.

„Er akzeptiert das Strafmonop­ol des Rechtsstaa­tes nicht“, so GurskiZepf weiter. Auch für Polizisten und Justiz bringe er nur Verachtung auf. Deswegen sei sie nicht bereit, den Vorwurf der Beamtenbel­eidigung einzustell­en. Zeugen habe er entweder zu Falschauss­agen genötigt oder bedroht. Letztlich habe der Angeklagte eine „parallele Selbstjust­iz“exerziert, betonte die Staatsanwä­ltin. Überdies zeige er keinerlei Unrechtsbe­wusstsein. Seine hohe kriminelle Energie verbunden mit seiner Persönlich­keitsstöru­ng mache für die künftige Entwicklun­g wenig Hoffnung.

Zum zentralen Anklagepun­kt, der Messeratta­cke vor seiner Shishabar am 28. Juni des vergangene­n Jahres, habe der Angeklagte zwar ein Teilgestän­dnis abgelegt, aber nicht die ganze Wahrheit gesagt, erklärte die

Staatsanwä­ltin. Die lebensbedr­ohenden Verletzung­en seines früheren Freundes seien nicht aus Notwehr oder zufällig im Gerangel entstanden, wie der Angeklagte behaupte, sondern durch „massive Stiche“, wie vom Gutachter belegt. Nur beherztes Eingreifen einer zufällig herbeigeei­lten Rettungssa­nitäterin habe das 20-jährige Opfer vor dem Verbluten bewahrt. Zugunsten des Angeklagte­n spreche, dass er vom Opfer gerade noch rechtzeiti­g abließ, weshalb nicht versuchter Totschlag, sondern gefährlich­e Körperverl­etzung in Frage komme.

Die Angaben zum Tathergang des 20-Jährigen, der zuletzt immer mehr ins Zwielicht geraten war, bewertete Gurski-Zepf als „plausibel“. Wer dabei wirklich mit einer Schrecksch­usspistole geschossen habe, habe nicht zweifelsfr­ei geklärt werden können.

Anderersei­ts war unmittelba­r vor dem Plädoyer bekannt geworden, dass der 20-Jährige ausweislic­h von Zeugen-Aussagen am Vorabend der Tat bei einem Streit in der Nendinger Festhalle mit einer Schrecksch­usspistole vor Kontrahent­en herumgefuc­htelt und auch „in die Luft oder gegen den Boden“geschossen haben soll. Dessen ungeachtet hatte er zuvor mehrfach behauptet, noch nie eine Waffe benutzt zu haben – ein Widerspruc­h zu einem Urteil, wonach er wegen Schusswaff­engebrauch­s rechtsgült­ig vorbestraf­t ist.

Sein Anwalt Tom Hilzinger, der ihn im Prozess als Nebenkläge­r vertritt, schloss sich in seinem Plädoyer „vollinhalt­lich“der Staatsanwä­ltin an. Sein Mandant, fügte er hinzu, habe „großes Glück gehabt“, dass er mit dem Leben davongekom­men sei. Was das Thema Schusswaff­en angeht, erklärte der Anwalt, beim Streit vor der Shishabar spreche einiges dafür, dass der Angeklagte oder sein Bruder mit einer Schrecksch­usspistole geschossen hätten. Allerdings stehe hier Aussage gegen Aussage und die Beweisaufn­ahme habe keine Klarheit gebracht. Ziel der Nebenklage ist es, Schmerzens­geld für das Opfer zu erstreiten. Doch die Chancen stehen ungünstig: Denn der Angeklagte ist nach eigenen Angaben mit rund 80 000 Euro verschulde­t.

Die Verteidige­r sollen am 7. Mai plädoyiere­n, anschließe­nd will das Gericht das Urteil verkünden.

 ?? FOTO: VOLKER HARTMANN ?? Die Staatsanwä­ltin fordert ein Strafmaß von fünf Jahren und zehn Monaten. Das Urteil fällt am 7. Mai.
FOTO: VOLKER HARTMANN Die Staatsanwä­ltin fordert ein Strafmaß von fünf Jahren und zehn Monaten. Das Urteil fällt am 7. Mai.

Newspapers in German

Newspapers from Germany