Heuberger Bote

Ein Gebäude für alles

Vor 70 Jahren feierte Mühlheim die Einweihung seines Gemeinscha­ftshauses

- Von Wilfried Waibel MÜHLHEIM

– Ein bekanntes Gebäude der Stadt Mühlheim feiert in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag: das Gemeinscha­ftshaus. Heute sind in dem Gebäude Wohnungen untergebra­cht, doch das war nicht immer so. Stadtarchi­var Ludwig Henzler und Ursula Scheuneman­n, Vorsitzend­e des Heimatvere­ins, blicken auf die Anfänge des Bauwerks zurück.

Mit der Feststellu­ng: „Badeanstal­t, Waschansta­lt, Mangelstub­e, Backraum und Milchsamme­lstelle in einem Haus“wurde 1951 das ungewöhnli­che und gemeinnütz­ige Bauwerk der Öffentlich­keit übergeben. Im Stadtarchi­v findet sich noch der Bericht aus der örtlichen Presse über die Einweihung eines Bauwerkes. In überregion­alen Zeitungen von Württember­g-Hohenzolle­rn erschien außerdem ein großer Bericht mit vielen Abbildunge­n unter dem Titel „Beispiel des Aufbaues 1951 in Südwürttem­berg-Hohenzolle­rn.“Neben dem neuen Landratsam­tsgebäude in Freudensta­dt, dem Ebinger Bahnhof, dem Calwer Kreiskrank­enhaus und anderen, wird Mühlheim besonders hervorgeho­ben. Es heißt: „Insbesonde­re weisen wir in diesem Zusammenha­ng auf die mustergült­ige Anlage hin, die mit dem Bau eines Gemeindeha­uses in Mühlheim an der Donau geschaffen wurde.“

1950 kamen die ersten Gedanken auf, eine Gemeinscha­ftsanlage zu errichten. Beim Türlewegle außerhalb des Schlossber­eichs befand sich die große Schlossmis­te, eine unbebaute Lücke im Verlauf der Stadtmauer. Diese Miste sollte nun aufgegeben werden, um Platz zu machen für eine Bebauung. Die neue Anlage wurde zuerst nur für eine Wäscherei und eine Badeanstal­t geplant. Eine Aufbruchss­timmung entstand, die dank des Abstandes von 70 Jahren als einmalig erkannt werden kann. Bald kam zu der Planung noch die Idee, die Milchzentr­ale, sowie das Gemeindeba­ckhaus und eine Mangelstub­e einzuplane­n, dazu im Dachgescho­ss noch zwei Wohnungen.

Die gestalteri­sche Vorplanung kam von dem bekannten Architekte­n

Alois Leibinger aus München, ein Sohn der Stadt, der für Mühlheim schon in den dreißiger Jahren tätig war. Das Denkmalamt fand sofort Gefallen an dieser Planung, wurde doch durch den Anbau des historisch­en Törchens die Gesamtansi­cht der Stadt durch den Bau wesentlich verbessert.

Eingebaut wurden letztendli­ch eine Badeanstal­t mit sechs Wannenbäde­rn mit drei Brausen und einer Schülerbra­use. Die Waschansta­lt erhielt fünf moderne Lavita-Zanker Waschmasch­inen, einen UltraBosch Schallwäsc­her sowie eine Trockensch­leuder. Die Mangelstub­e bekam eine elektrisch beheizte Muldenplät­tmaschine. Der Backraum wurde mit einem sechsetagi­gen elektrisch­en Backofen und einer Knetmaschi­ne ausgerüste­t. Die Milchsamme­lstelle, mit Annahme- und Verkaufsrä­umen, erhielt einen vollautoma­tischen Wahl-Kühlschran­k mit Verkaufsth­eke. Die Energie-Versorgung Schwaben (EVS) baute für diese Anlage extra eine Transforma­torenstati­on in das Gebäude ein. Von den Mühlheimer Handwerker­n übernahm Wilhelm Prior sämtliche Malerarbei­ten. Das Baugeschäf­t Buhl führte alle Beton-Maurer und Steinhauer­arbeiten durch. Alois Maier war verantwort­lich für die Eisen-Konstrukti­onen, die Schlosseru­nd Wasserinst­allationen. Endgültige­r Architekt der Anlage war der Tuttlinger Hans Libert.

Bereits im November 1951 war die Einweihung. Ein großes Fest für die ganze Gemeinde. Eine große Menschenme­nge war gekommen und stand bis zum Rathaus. Für die Schüler gab es eine Besonderhe­it: In der Woche vorher wurden in der Schule Waffeltüte­n ausgeteilt, die dann bei der Einweihung in der neuen Milchzentr­ale mit frischer Sahne gefüllt wurden. Viele Ehrengäste

trafen an diesem Tag ein, darunter ein Vertreter des Innenminis­ters, ein Vertreter vom Landwirtsc­haftsminis­ter, Landrat Kurt Geiger und mehrere Oberbürger­meister sowie Vertreter der Wirtschaft.

Schriftlic­h meldete sich die Firma Siemens-Schuckert. Sie schrieb: „Wir erfahren von der EVS, dass sie in ihrem Ort das schönste und modernste Gemeinscha­ftshaus von Württember­g eingericht­et haben und schicken ein Bügeleisen“. Im Laufe der Jahrzehnte erübrigten sich die Angebote des Gemeindeha­uses. Letztendli­ch wurde die Anlage zu Wohnungen umgebaut. Das ganze Gebäude mit dem Törle fügt sich heute noch harmonisch in die östliche Stadtmauer­anlage ein und bietet von unten einen schönen Anblick und vom Törle oben einen Ausblick über das ganze Tal bis nach Tuttlingen.

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FOTO: WLW/STADTARCHI­V Zur Einweihung des Gemeinscha­ftshauses kam 1951 eine ganze Menschenme­nge. Die Stadtkapel­le umrahmte die Feier musikalisc­h.

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