Biden beschwört Neuanfang
US-Präsident zieht nach 100 Tagen erste positive Bilanz
(dpa) - Joe Biden hat in seiner ersten Ansprache als USPräsident vor beiden Kongresskammern einen amerikanischen Neuanfang nach der Ära seines Amtsvorgängers Donald Trump beschworen. „Nach 100 Tagen der Rettung und Erneuerung ist Amerika bereit zum Abheben. Wir arbeiten wieder. Träumen wieder. Entdecken wieder. Führen die Welt wieder an“, sagte Biden, der nun mehr als 100 Tage im Amt ist. Der 78-jährige Demokrat löste am 20. Januar den Republikaner Donald Trump im Weißen Haus ab und prägt seither einen anderen Stil.
Zwar stand Bidens innenpolitische Agenda im Zentrum der Rede, aber er ging auch auf China, Russland, Iran und Nordkorea ein. Seinen chinesischen Amtskollegen Xi Jinping rief Biden zur Einhaltung globaler Handelsregeln auf, den russischen Präsidenten Wladimir Putin warnte der US-Präsident vor einer weiteren Eskalation. Bidens Rede stieß auch in Deutschland auf positive Resonanz.
BERLIN - Olaf Scholz kommt direkt von seiner „digitalen DeutschlandTour“, bei der der Kanzlerkandidat der SPD Online mit Genossen und Bürgern spricht. Seit Februar führt Scholz diese Gespräche, die mindestens eine Stunde dauern. Er hat auch schon drei davon an einem Tag geschafft. Gerade war er auf diese Weise in Hannover. Nun sitzt er im Präsidiumssaal des Willy-Brandt-Hauses. Der Abend senkt sich über Berlin. Man sieht Scholz den langen Arbeitstag an. Seine Stimme ist noch leiser als sonst und er hat Mühe gegen das Klappern der Rollos an den Fenstern anzukommen. Daran, dass er Kanzler werden will, lässt er im Gespräch mit Guido Bohsem und André Bochow keinen Zweifel.
Herr Scholz, morgen ist der 1. Mai – ein Tag, der ursprünglich der Arbeiterklasse gehörte – und damit auch der SPD. Sie sind an diesem Tag in Cottbus. Warum dort?
Brandenburg ist das Bundesland, in dem ich lebe. Und: Eine 1.-MaiKundgebung im Autokino – das reizt mich. Soweit ich weiß, ist es die einzige Kundgebung bundesweit, die in einem Autokino abgehalten wird.
Würden Sie der These zustimmen: Die Arbeiterklasse interessiert sich nicht mehr für den 1. Mai und die SPD ist schon lange keine Arbeiterpartei mehr?
Nein, beides ist falsch. Der 1. Mai ist und bleibt ein wichtiger Feiertag: Er erinnert uns an die Würde der Arbeit. Und an den Respekt vor jeder Arbeit. Das betrifft uns doch alle. Wenn wir eine bessere Bezahlung für die Pflegekräfte wollen, dann hat das Konsequenzen für die Pflegeversicherung. Und wenn die Verkäuferinnen anständig entlohnt werden, wird sich das auf die Preise auswirken. Das muss uns der Respekt und die Würde schon wert sein.
Im Zukunftsprogramm der SPD, das am 9. Mai von einem digitalen Parteitag beschlossen wird, ist viel von dem schon erwähnten Respekt die Rede. Möglicherweise wäre ein höherer Lohn noch besser. Aber war es nicht die SPD, die mit den Hartz-Reformen einen großen Niedriglohnsektor geschaffen hat?
Es ist richtig, dass überall in der Welt große Niedriglohnsektoren entstanden sind, insbesondere in den reicheren Ländern. Mit dieser Entwicklung dürfen wir uns nicht abfinden, sondern müssen ihr entgegenwirken. Wie Sie wissen, habe ich mich schon sehr früh für einen Mindestlohn eingesetzt. Ich bin überzeugt, dass er jetzt auf mindestens zwölf Euro angehoben werden sollte. Wer sein Leben lang Vollzeit arbeitet, der sollte als Rentnerin oder Rentner später nicht auf die Grundsicherung angewiesen sein – das gebietet der Respekt. Die Erfahrung zeigt, ein höherer Mindestlohn sorgt insgesamt für höhere Löhne. Das ist gut für alle.
Würden Sie der Behauptung zustimmen, dass der SPD die HartzReformen, vor allem das, was man unter Hartz IV versteht, wie Mühlsteine um den Hals hängen?
Vor fast 18 Jahren wurden diese Remeiner formen gemacht – und seither haben wir sie an vielen Stellen angepasst und verbessert. Und wir haben viele Fortschritte durchgesetzt: die Grundrente, den Mindestlohn, bessere Tarifabsicherung. Jetzt soll der nächste Schritt folgen und ein Bürgergeld eingeführt werden. Denn niemand ist davor gefeit, mal auf die Grundsicherung angewiesen zu sein. Deshalb sollte sie möglichst lebensnah ausgestaltet sein. In der Corona-Krise haben wir gewisse Bedingungen erleichtert, damit niemand in eine kleinere Wohnung ziehen oder sofort eine ganz andere Arbeit annehmen musste. Daran sollten wir uns orientieren.
Eine andere Formulierung aus dem Zukunftsprogramm lautet: In der Wirtschaft, im Gesundheitssystem, im Bildungssystem, der Justiz und anderen wichtigen Bereichen wurde zu viel „auf Kante genäht“. Das wollen Sie ändern. Aber wovon sollen denn Investitionen bezahlt werden?
Die Staatsfinanzen sind solide. In
Zeit als Bundesminister der Finanzen habe ich die Investitionen im Bundeshaushalt auf Rekordniveau angehoben. Denn man darf nicht am falschen Ende sparen. Wir kurbeln damit das Wachstum an und machen unser Land zugleich fit für die anstehenden Aufgaben. In der
Krise haben wir mit hohen Krediten massiv gegengehalten, das war wichtig. Und wir brauchen ein faires System der Besteuerung.
Wie soll das denn aussehen?
Unternehmen, die sehr hohe Gewinne haben, sollten nicht auf Steuersenkungen hoffen, sondern ihren Beitrag für die Finanzierung des Gemeinwesens leisten.
Nur über welche Steuer?
Entscheidend ist die Fairness. Kleine und mittlere Einkommen müssen entlastet werden, die sehr sehr hohen Einkommen dafür etwas mehr beisteuern. Parallel laufen die Verhandlungen über eine globale Mindeststeuer. Auch die großen Digitalunternehmen werden künftig ihren Anteil in Deutschland versteuern müssen.
Was ist mit der Vermögensteuer?
Selbst die Schweiz hat eine Vermögensteuer, bis 1997 gab es sie auch in Deutschland. Ich bin dafür, sie wieder einzuführen – denn das Geld wird in den Bundesländern für Schulen und Polizei gebraucht.
Sie haben am 7. März im ZDF gesagt: „Es wird zehn Millionen Impfungen pro Woche geben – und dass das jetzt gut vorbereitet wird, dafür habe ich gesorgt.“Wir sind nicht einmal bei der Hälfte. Wirkt nicht wie entschlossenes Handeln.
Na, schauen Sie sich die Sendung nochmal an, dann hören Sie, was ich gesagt habe: Nämlich, dass es jetzt mit dem Impfen deutlich vorangehen wird, wir Woche für Woche mehr Impfdosen haben werden und aufpassen müssen, dass die wirklich verimpft werden. Dann habe ich aufgezählt, dass es im April, im Mai vorangeht und schließlich Ende Juni bis zu zehn Millionen Impfungen geben kann. Die aktuellen Zahlen belegen dies auch.
Wir werden also im Sommer wieder im Biergarten sitzen können?
Danach sieht es sehr aus. Ich freue mich auf den Biergarten, das können Sie mir glauben.
Sie sind der Kanzlerkandidat einer Partei, die – egal, was sonst passiert, bei 15 Prozent in den Umfragen verharrt. Sie haben eine neue Parteiführung, frühzeitig einen Spitzenkandidaten, es gibt eine kritische Distanzierung von Hartz IV, sogar so etwas wie eine Wechselstimmung – aber in den Umfragen bewegt sich nichts für Ihre Partei. Was nun?
Das Rennen ist völlig offen. Die CDU verliert massiv an Zuspruch in den Umfragen und liegt unter 30 Prozent.
Wovon die SPD nicht profitiert.
Noch nicht, aber der Wahlkampf kommt ja noch. Und die Voraussetzungen sind gut. Die SPD kann den Kanzler stellen, wenn sie deutlich mehr als 20 Prozent holt. Und das werden wir schaffen. Im Sommer wird die Pandemie hoffentlich weitgehend hinter uns liegen. Die Bürgerinnen und Bürger werden sich der Frage zuwenden, wohin unser Land steuern soll und wen sie als nächstes im Kanzleramt sehen wollen. Die Auswahl steht nun fest mit Frau Baerbock, Herrn Laschet und mir. Und da sehe ich gute Chancen für uns.
Ihren Optimismus in Ehren. Aber die Frage ist, womit, außer natürlich mit Ihrer Person, will die SPD überzeugen? Fehlt der SPD nicht so etwas wie ein Markenkern?
Die SPD ist die Partei der Arbeit. Wir begegnen allen mit Respekt und sind nicht bei denen, die sich für etwas Besseres halten. Für ein besseres Miteinander brauchen wir gute Arbeit für gute Löhne, bezahlbares Wohnen, faire Verteilung der Lasten. Dafür stehen wir.
Sie sind in Ihrer Laufbahn schon als „Scholzomat“bezeichnet worden, oder jüngst als „Schlumpf“– ärgern Sie solche Begriffe?
Also, dass mich Herr Söder als „schlumpfig grinsend“bezeichnet hat, fand ich ganz lustig. Besser Schlumpf als Gargamel.